Leben und Wirken von Ellen G. White

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Kapitel 59: Begräbnisfeier in “Elmshaven”

Um fünf Uhr am Sonntagnachmittag, den 18. Juli 1915, versammelten sich in “Elmshaven”, “Einem Flecken, geheiligt durch Gnade und Liebe, Fern von der Welt Geräusch und Getriebe”, beinahe fünfhundert Freunde und Nachbarn, um dem Gedächtnis der Frau Ellen G. White ihren letzten Tribut der Achtung darzubringen und durch ihre Gegenwart und Sympathie diejenigen zu trösten, die nun den Verlust einer innigst geliebten Abgeschiedenen zu betrauern hatten. LW 512.1

Die Feier fand auf dem Rasen vor dem stillen ländlichen Heim der Frau White statt ‘das ihr schon lange ein Hafen der Ruhe — eine wirkliche “Zuflucht”, wie sie es oft nannte, wenn sie von öffentlichem Wirken zurückkehrte — gewesen war. An einem Ende des Rasenplatzes war ein Baldachin für die amtierenden Prediger errichtet, wogegen unter sich weit ausbreitenden Ulmen Stühle und Bänke platziert waren, samt Sofas und Schaukelstühlen für Betagte und schwache, so dass alle, die kamen, Sitzplätze hatten. LW 512.2

Mit den bekannten Klängen des Liedes: “It ist well with my Soul”, das von einem doppelten Quartett von dem “Pacific Union College” und dem Sanatorium zu St. Helena gesungen wurde, wurde die Feier eröffnet. Ältester R. W. Munson bat in seinem Gebet darum, dass alle aus dem Beispiel, dass die nun Entschlafene durch ihr hingebendes und gottseliges Leben gegeben, Nutzen ziehen möchten, und dass von vielen durch Lesen ihrer Werke besondere Hilfe und Kraft erlangt werden möchte. LW 512.3

“Gewähre besonders”, betete er, “das jene Schriften gesegnet werden, die sie nach den vier Richtungen der Erde ausgesandt hat, damit die Welt die Botschaft in den vielen Sprachen hören möge, in welche ihre Bücher übersetzt worden sind. Wir danken dir für diejenigen, denen in China, in Korea, in Japan, in Indien, in Afrika und auf den Inseln des Meeres durch das Lesen der Schriften deiner Dienerin zur rettenden Erkenntnis der Wahrheit verholfen worden ist. Segne auch, wir bitten dich, diejenigen, die in diese Länder hinausgegangen sind, um denselben die Wahrheit für diese Zeit zu bringen ... LW 513.1

O Gott, beschleunige die Verkündigung der Botschaft an alle Bewohner der Erde, damit dies Geschlecht sie hören und befolgen möchte, und der Weg für das Kommen unsers teuren Heilandes bereitet werde.” LW 513.2

Die vom Ältesten Georg B. Starr gelesenen Schriftstellen umfassten die folgenden, von denen einige nur teilweise gelesen wurden: Psalm 116,15; Prediger 7,2.4; Römer 8,35.37-39; Johannes 6,39.40; Daniel 12,2.3; Offenbarung 14,12.13; Hesekiel 37,12.14; Jesaja 26,19; Offenbarung 7,9-17; Offenbarung 21,4. Das Lesen schloss mit ein paar Versen, die Frau Whites Lebenserfahrung besonders illustrieren: Psalm 40,10.11 und Markus 14,8. LW 513.3

Ält. J. N. Laughborough, der in vielen Jahren christlichen Dienstes alt und grau geworden, den aber Gott als lebendigen Zeugen des mannigfachen Waltens der Vorsehung im Aufkommen und im Fortschritt der Adventbotschaft wunderbar erhalten hat, war der erste Redner. Er zollte dem Lebenswerke derjenigen, mit welcher er seit dem Jahre 1852 so oft in enger Verbindung gewirkt hatte, einen liebenden Tribut. Seine Predigt, die zum großen Teil aus Reminiszenzen bestand, diente dem Zwecke einer biographischen Skizze, die, wie es hier der Fall war, das besondere Wirken des Heiligen Geistes in Verbindung mit ihrer Wirksamkeit offenbarte. Er betonte immer wieder mit Nachdruck die Tatsache, dass ihre herausgegebenen Werke auf die höchste Moralität hinarbeiten, zu Christo und der Bibel führen und müden und betrübten Herzen Ruhe und Trost bringen. LW 513.4

Ältester Starr, der nächste Redner, nahm Bezug auf einige persönliche Phasen im Leben der Frau White. Er sagte: “Ich habe niemals eine andere Person von der Liebe zu Jesu reden hören, wie ich sie reden gehört habe. Viele Male habe ich sie ausrufen hören: ‘Ich liebe ihn, ich liebe ihn, ich liebe ihn!’ Ihr ganzes Leben war den Aufgabe geweiht, andere zu gewinnen und zu veranlassen, ihn auch zu lieben und ihm von ganzem Herzen zu dienen ... LW 514.1

“Ich habe sie für einen der stärksten Charaktere gehalten, die ich jemals getroffen habe. Ich kann ihr Leben nur mit der starken Eiche vergleichen, die dem Winde ausgesetzt ist und die dessen schwersten Druck aushält, oder mit dem Berge, der dem Sturm trotzt ... LW 514.2

Ihr Glaube an Gott war unüberwindlich. Unter Prüfungen, die den Glauben vieler hinweggefegt haben möchten, behielt sie feste Zuversicht und triumphierte.” LW 514.3

“Als ich ihr heute vor zwei Wochen Lebewohl sagte”, fuhr Ältester Starr fort, “sagte ich zu ihr: ‘Wir freuen uns, dich heute morgen so wohl zu finden.’ Schwester White antwortete: ‘Ich freue mich, dass du mich so findest, und ich wünsche dir zu sagen, dass es wohl mit mir steht.’ Und dann fügte sie hinzu: ‘Ich habe nicht viele traurige Tage, habe ich? — ‘Nein, Schwester White,’ sagte ich, ‘in deinem ganzen Leben nicht, weil du dich über dieselben hinweg geschwungen hast.’ — ‘Ja,’ antwortete sie, ‘mein himmlischer Vater hat alles für mich geplant; er weiß, wann es enden wird, und ich bin entschlossen, nicht zu murren.’ LW 514.4

“Dann sagte ich ihr: ‘Ich kann dir nur wiederholen, Schwester White, was du uns in einem deiner letzten Briefe schriebst. Du sagtest: “Die Schatten verlängern sich, und wir nähern uns dem Heim. Wir werden bald daheim sein, und dann werden wir im Reiche Gottes alles zusammen besprechen.” Sie antwortete: ‘Jawohl; es scheint fast zu gut, um wahr zu sein, aber es ist wahr.’” Dann wurde das Lied: “Passed away from earth forever’, gesungen. Die ersten Zeilen diese Liedes hatten eine starke Wirkung auf viele in der lauschenden Zuhörerschar. Vor Jahren wurden diese Zeilen von einem der Mitarbeiter der Frau White im Dienste des Meisters, nämlich vom verstorbenen Ältesten Uriah Smith, geschrieben. Traurig ist das Abschiednehmen auf der Welt; aber der Tag der Auferstehung ist nahe. Ältester E. W. Farnsworth, der die Feier leitete, sprach folgendermaßen: LW 514.5

“Es scheint, Brüder und Freunde, fast unmöglich für irgend jemand, daran zu denken, eine Predigt zu halten, eine Gedächtnispredigt, Worte der Erinnerung über eine, deren Leben und Wirken beinahe achtzig Jahre lang eine beständige lebendige Predigt gewesen sind. Diesen Sommer vor achtundsiebenzig Jahren gab Schwester White Gott ihr Herz; und während aller dieser Jahre hat sie kaum jemals aufgehört oder hat kaum irgendwelche Unterbrechung stattgefunden in der hingebendsten, ernstesten Arbeit für den Meister, und ihr Leben und was es an Literatur präsentiert, ist die größte Lobrede, die bei ihrer Beerdigung gehalten werden könnte. LW 515.1

“Ich habe mich gewundert, was wohl Schwester White selber sagen würde, wenn sie hier lebend unter uns weilte und einer von uns an ihrer Stelle wäre. Ich bin sicher betreffs einiger Dinge, die sie sagen würde. Ich denke, sie würde zum Nutzen ihrer Freunde, Verwandten, Nachbarn und anderer, die hier versammelt sind, nachstehende Schriftstelle lesen: LW 515.2

“Denn es ist erschienen die heilsame Gnade Gottes allen Menschen — und ich wage zu sagen, dass keine lebende Person in diesem Geschlecht die Gnade Gottes zum Heil der Menschen beharrlicher vorgeführt hat als sie —, ‘und züchtiget uns, dass wir sollen verleugnen das ungöttliche Wesen und die weltlichen Lüste, und züchtig, gerecht und gottselig leben in dieser Welt.’ “sie würde zu ihren Nachbar und Freunden über derartiges sprechen, aber sie würde hiermit nicht aufhören. An diesem Nachmittag würde sie hinzufügen: ‘Und warten auf die selige Hoffnung und Erscheinung der Herrlichkeit des großen Gottes und unsers Heilandes, Jesu Christi.’ Sie würde Nachdruck darauf legen. Sie würde es uns allen dringend an Herz und Gemüt legen. Und dies nicht nur in allgemeiner Weise, sondern sie würde Nachdruck auf die Tatsache, auf die große Wahrheit legen, dass jene selige Hoffnung bald verwirklicht werden wird. Sie würde unsere Herzen und unsere Gemüter emporheben zu jener seligen Hoffnung, die ihre Hoffnung, ihre Freude und ihre Inspiration war. Ich möchte heute Nachmittag jene Stimme widerhallen lassen, lieben Brüder, Freunde und Nachbarn. Ich bin sicher, dass dies die Botschaft ist, die sie geben würde. Aber sie ruht nun. LW 516.1

“Ich habe jedoch den Eindruck, dass es eine gegenwärtige Erfüllung jener Stelle im fünfzehnten Kapitel des ersten Korintherbriefes gibt, wo es heißt: ‘Aber der Stachel des Todes ist die Sünde.’ Lasst mich es euch vorlesen: Es ist dies: ‘Denn so die Toten nicht auferstehen, so ist Christus auch nicht auferstanden. Ist Christus aber nicht auferstanden, so ist eure Glaube eitel, so seid ihr noch in euren Sünden; so sind auch die, so in Christo entschlafen sind, verloren.’ Und sie würde weiter lesen: ‘Dann wird erfüllet werden das Wort, das geschrieben stehet: ‘Der Tod ist verschlungen in den Sieg. Tod, wo ist dein Stachel? Hölle [Grab], wo ist dein Sieg?’ LW 516.2

“Der Gedanke, Brüder, den ich im Auge habe, ist dieser: dass in einem gewissen Sinne der Stachel schon hier und jetzt dem Tode genommen worden ist. [Herzliches Amen.] Unsere natürlichen Zuneigungen, die in unsern Herzen wohnende Liebe, werden die Tränen aus unsern Augen hervorquellen lassen, und wir können es nicht hindern; doch haben wir bei alledem den Trost, Brüder, dass die Sünde hinweg genommen worden ist, und daher der Stachel des Todes beseitigt ist und der Tod eine Person nicht lange halten kann. [Viele Amen.] LW 517.1

“Wir lesen an einer Stelle von Jesu, dass es nicht möglich war, dass der Tod ihn halten konnte. Warum nicht? Weil keine Sünde da war. Wo die Gerechtigkeit herrscht und die Sünde geschwunden ist, da hat der Tod seinen Halt verloren. Die betreffende Person mag eine Weile im Grabe schlafen, aber der Tod kann sie nicht sehr lange da behalten. Der Tag der Befreiung nähert sich. Bald wird die Posaune ertönen, und wir werden, dem Herrn sei Dank, Schwester White wiedersehen. LW 517.2

“Ich sage der Familie und den Freunden, ich trauere heute mit euch; aber ist etwas an einem gerechten Leben in Christo, das dem Tode seine Schrecken und dem Grabe all sein Weh raubt. Jesus ist da gewesen, und wir können mit Sicherheit den Pfad wandeln, den Jesus gegangen ist. So, Brüder, lasst uns aufblicken! Lasst uns über dieses jetzige Tränen- und Kummertal hinaus blicken nach einer helleren Hoffnung und dem ewigen Leben, um Jesu willen, Amen.” LW 517.3

Mit dem Singen eines der Lieder, die Frau White am liebsten hatte, nämlich: “We shall meet beyond the river”, und dem Schlussgebet vom Ältesten S. T. Hare schloß die Feier. LW 517.4