Leben und Wirken von Ellen G. White

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Kapitel 58: Letzte Krankheit

Seit mehr als zwei Jahren vor dem Unfall, der ihren Tod beschleunigte, litt Frau White weniger an gewöhnlichen Schwächen und Krankheiten als während irgendeiner gleichen Periode ihrer Lebenszeit. Einmal verließ sie ihre Kraft fast gänzlich, aber sie erholte sich wieder und war wieder imstande, mit verhältnismäßiger Leichtigkeit umher zu gehen. Ihre Pflegerin machte an jedem angenehmen Tage eine Spazierfahrt mit ihr, und dies bot ihr eine wohltuende Änderung. Gewöhnlich war sie imstande, sich ohne Hilfe von ihrem oberen Zimmer zu ihrem Wagen zu begeben. Aber ihr Körper beugte sich mehr und mehr unter dem Gewicht der Jahre, und ihre Freunde konnten nicht hoffen, dass ihr Leben noch lange andauern werde. LW 501.1

Im Frühjahr des Jahres 1914 hatte Frau White die Freude, ihren Sohn, Ältesten James Edson White, der mehrere Wochen in ihrem Heim zubrachte, noch einmal zu sehen. Nicht lange nach seiner Rückkehr litt seine Mutter an großer Schwäche und einer Komplikation von Schwierigkeiten, und sie gab infolgedessen das Lesen zum großen Teil auf. In den dann folgenden Monaten ließ sie sich oft von andern vorlesen. LW 501.2

Das Aufhören ihrer gewöhnliche Tätigkeit führte jedoch nicht zu vermindertem Interesse am Fortschritt des Werkes Gottes in der ganzen Welt. Die Seiten der “Review and Herald” und anderer Gemeinschaftsblätter waren ihr so teuer und köstlich wie je, und sie fuhr fort, sich der Briefe von Freunden aus alter Zeit zu erfreuen, und erzählte oft mit Wärme von den Erfahrungen früherer Tage. LW 501.3

Im Laufe einer Unterhaltung, die sie am 2. Dezember 1914 hatte, erwähnte sie einen Vorfall, der sich viele Jahre vorher zugetragen hatte. Ein gewisser Bruder hatte Entmutigung ausgedrückt angesichts der ausgedehnten und schwierigen Arbeit, die noch getan werden müsse, ehe die Welt für die Wiederkunft Christi vorbereitet sein könnte. Ein anderer Bruder, voll starken Glaubens, wandte sich zu ihm mit vor innerer Bewegung erbleichtem Angesicht und sagte: “Mein Bruder, lässt du dich durch eine solche Aussicht entmutigen? Weißt du nicht, dass Gott will, dass wir einfach mit dem Werk vorwärts gehen? Weißt du nicht, dass er haben möchte, dass wir einfach fortarbeiten und beständig fortarbeiten in dem Bewusstsein, dass der Sieg vor uns ist?” LW 502.1

Es war auch zu Anfang Dezember 1914, als sie bezeugte, des Nachts Stimmen zu hören, die ausriefen: “Schreitet vorwärts, schreitet vorwärts, schreitet vorwärts! dringet beständig voran!” Obgleich sie danach verlangte, ihre Arbeit fortzusetzen, und besonders gern wieder öffentlich zu reden wünschte, wusste Frau White doch, dass ihre Kraft allmählich am Schwinden war und dass sie ihren abnehmenden Kräften nicht zu viel zumuten dürfe. Dies war eine wirkliche Prüfung für sie, aber doch unterwarf sie sich dem Willen des Herrn. Hört sie um Sonnenuntergang am Sabbat, den 26. Dezember 1914, am Familienaltar beten, nachdem Ältester E. W. Farnsworth und andere vorher gebetet hatten: LW 502.2

“Du wirst unsere Bitten erhören, und wir bitten dich, Herr, wenn es dein Wille ist, um Christi willen mir Kraft und Gnade zu geben, fortzufahren; aber ich bin vollkommen willig, mein Werk zu irgendeiner Zeit aufzugeben, die du für die beste erachtest. O Herr, du weißt es, ich wünsche sehnlichst noch einige Dinge zu tun, und ich würde willig sein, sie zu tun, wenn du mir Kraft geben willst; aber wir wollen nicht klagen, denn du hast mein Leben so viel länger erhalten als viele es erwarteten und als ich selbst es erwartet haben ... Gib uns Licht; gib uns Freude; gib uns die große Gnade, die du für die Bedürftigen hast. Wir bitten dies in dem Namen Jesu Christi von Nazareth.” LW 502.3

Schwächer und immer schwächer wurde der Körper; aber der Geist war immer mutig. In einer Unterredung mit Dr. David Paulson am 25. Januar 1915 sagte Frau White: “Der Herr ist mein Helfer gewesen, der Herr ist mein Gott gewesen, und ich habe nicht einen einzigen Zweifel. Sage mir, worauf ich vertrauen könnte, wenn ich nicht erkennen könnte, dass er mein Führer und mein Halt gewesen ist. Ich habe ein gerade so festes Vertrauen auf Gott, dass er meine Füße auf den Berg stellen wird, als dass ich lebe und atme; und ich werde dieses Vertrauen behalten, bis ich sterbe.” LW 503.1

Als am 27. Januar 1915 ihr Sohn, W. C. White, nach viermonatiger Abwesenheit im Osten und im Süden wieder heim kam, war sie anscheinend noch so stark wie zur Zeit, als er sie verließ. Sie erfreute sich immer noch einer recht guten Gesundheit und war imstande, auf zu sein und umher zu gehen. Etwa zwei Wochen darauf, nur einen Tag ehe sie den Unfall hatte, brachte sie etwas Zeit damit zu, im Hofe mit ihm spazieren zu gehen und sich mit ihm über die allgemeinen Interessen des Werkes Gottes zu unterhalten. LW 503.2

Am Sabbat, den 13. Februar 1915, hatte Frau White den Unfall, der sie seither an ihr Lager fesselte und ihren Tod beschleunigte. Als sie um die Mittagsstunde von der Halle in ihr Studierzimmer ging, glitt sie anscheinend aus und fiel. Ihre Nichte, Frl. May Walling, die eine Zeitlang als ihre Pflegerin gedient hatte, war in ihre Nähe in der Halle und eilte zu ihrer Hilfe herbei. Da die Versuche, ihr wieder auf die Füße zu helfen, fruchtlos blieben, hob Frl. Walling sie in einen Stuhl, zog den Stuhl durch die Halle ins Schlafzimmer und bekam sie endlich auf diese Weise ins Bett und ließ von dem Sanatorium zu St. Helena einen Arzt kommen. Einer vorläufigen Untersuchung von Dr. G. E. Klingerman folgte eine gründlichere Untersuchung mittels X-Strahlen, und diese offenbarte unverkennbar einen Bruch der linken Hüfte. Es war natürlich unmöglich, festzustellen, wann der Bruch im Knochen stattgefunden hatte — ob vor dem Fall und also Frau Whites Niederfallen auf den Boden verursachend, oder als Resultat des Falles. LW 503.3

Die Ruhelosigkeit während der nächsten Tage und Nächte war von sehr wenig Schmerz begleitet. Ja, von Anfang an ersparte der Herr in seiner Gnade seiner betagten Dienerin den heftigen Schmerz, der gewöhnlich mit solchen Verletzungen verbunden ist. Die gewöhnlichen Symptome einer Erschütterung fehlten auch. Das Atmen, die Temperatur und die Zirkulation waren beinahe normal. Dr. Klingerman und Dr. B. F. Jones, sein Kollege, taten alles, was die ärztliche Wissenschaft tun konnte, um ihrer Patientin möglicht viel Linderung zu geben; aber bei ihrem hohen Alter konnten sie nur sehr wenig Aussicht auf schließliche Wiederherstellung geben. LW 504.1

Während all der Wochen und Monate ihrer letzten Krankheit wurde Frau White von demselben Glauben, derselben Hoffnung und demselben Vertrauen aufrecht erhalten, die ihre ganze Lebenserfahrung in den Tagen ihrer Kraft charakterisiert haben. Ihr persönliches Zeugnis war gleichmäßig freudig, und ihr Mut war stark. Sie fühlte, dass ihre Zeit in der Hand Gottes sei, und dass seine Gegenwart sie beständig begleite. Nicht lange nachdem sie durch den Unfall hilflos geworden war, bezeugte sie von ihrem Heilande: “Jesus ist mein hochgelobter Erlöser, und ich liebe ihn mit meinem ganzen Wesen.” Und wiederum: “Ich sehe Licht in seinem Lichte. Ich habe Freude in seiner Freude und Frieden in seinem Frieden. Ich sehe Barmherzigkeit in seiner Barmherzigkeit und Liege in seiner Liebe.” Zu Frl. Sara McEnterfer, die viele Jahre hindurch ihre Sekretärin war, sagte sie: “Wenn ich nur meinen Heiland von Angesicht zu Angesicht sehen kann, so werde ich völlig befriedigt sein.” LW 504.2

In einer Unterredung mit jemand anders sagte sie: “Mein Mut ist in meinem Heilande gegründet. Mein Werk ist beinahe vollendet. Die Vergangenheit überblickend, fühle ich auch nicht die geringste Verzweiflung oder Entmutigung. Ich bin so dankbar, dass der Herr mich vor Verzweiflung und Entmutigung bewahrt hat, und dass ich immer noch das Banner empor halten kann. Ich kenne Ihn, den ich liebe und auf den meine Seele vertraut.” LW 505.1

Auf die Aussicht ihres Todes Bezug nehmend, erklärte sie; “Ich fühle, je eher je besser; derart sind meine Gefühle allezeit — je eher je besser. Ich habe nicht einen Gedanken der Entmutigung oder der Traurigkeit ... LW 505.2

Ich habe über nichts zu klagen. Möge der Herr seinen Weg mit mir haben und sein Werk mit mir tun, so dass ich geläutert und gereinigt werde. Das ist alles, was ich wünsche. Ich weiß, dass mein Werk getan ist; es nützt nichts, etwas anderes zu sagen. Ich werde mich freuen, wenn meine Zeit kommt und mir gestattet wird, mich niederzulegen und in Frieden zu ruhen. Ich hege keinen Wunsch, dass mein Leben verlängert werden möchte.” LW 505.3

Einem Gebet von dem, der diese Notizen von ihrer Unterredung machte, folgend, betete sie: LW 505.4

“Himmlischer Vater, ich komme zu dir, schwach, wie ein zerbrochenes Rohr, dennoch aber durch des Heiligen Geistes Rechtfertigung der Gerechtigkeit und Wahrheit, die obliegen wird. Ich danke dir, Herr, ich danke dir, und ich will mich von nichts zurückziehen, das du mir zu tragen auferlegst. Lass dein Licht, lass deine Freude, lass deine Gnade über mir sein in meinen letzten Stunden, damit ich dich verherrliche, ist mein großer Wunsch; und das ist alles, was ich von dir erbitte. Amen.” LW 505.5

Dies demütige, vertrauensvolle Gebet von einer, die lange Jahre ein erwähltes Gefäß in des Meister Dienst gewesen war, wurde völlig erhört. Sie hatte den Trost, der verursacht, dass ein Kind des großen Vaters des Lichtes und der Liebe kein Übel fürchtet, selbst während es durch das Tal und den Schatten des Todes hindurch geht. Eines Sabbattages, nur ein paar kurze Wochen ehe sie ihren letzten Atemzug tat, sagte sie zu ihrem Sohne: LW 506.1

“Ich bin sehr schwach. Ich bin sicher, dass dies meine letzte Krankheit ist. Der Gedanke ans Sterben bereitet mir jedoch keine Sorgen. Ich habe während der ganzen Zeit den Trost, dass der Herr mir nahe ist. Ich bin nicht besorgt. Die Köstlichkeit des Heilandes ist mir so klar gewesen. Er ist ein Freund gewesen. Er hat mich in Krankheit und in Gesundheit bewahrt. LW 506.2

“Ich mache mir keine Sorgen betreffs des Werkes das ich getan habe. Ich habe das Beste getan, das ich tun könnte. Ich denke nicht, dass ich lange dahin siechen werde. Ich erwarte nicht viel Leiden. Ich bin dankbar, dass wir die Annehmlichkeiten des Lebens in der Zeit der Krankheit haben. Sorget nicht. Ich gehe nur eine kleine Weile vor den andern.” LW 506.3

Das bequeme Arbeitszimmer im zweiten Stockwerk des Heims der Frau White war der günstigste Platz für Patientin und Pflegerinnen, und hier lag sie während der meisten Zeit, umgeben von den altbekannten Gegenständen ihres tätigeren Lebens, woran sie so lange gewöhnt gewesen war. Das Zimmer war hell und luftig. In einer Ecke überflutete ein großer Erkerfenster einen Teil des Zimmers mit Sonnenlicht. Hier stand ihr alter Schreibstuhl. Derselbe wurde in einen Lehnstuhl verwandelt, in welchen sie nach den ersten ein bis zwei Wochen fast jeden Tag hinein gehoben wurde. Die Aussicht von dieser sonnigen Ecke war eine angenehme und Abwechslung bietende, und sie freute sich der abwechselnden Schönheit der Frühlingszeit und des Frühsommers. LW 506.4

Neben ihrem Stuhl lagen auf einem Tische mehrere der von ihr geschriebenen Bücher. Diese nahm sie oft in die Hände, sah sie durch und schien sich darüber zu freuen, dass dieselben nahe waren. Wie eine liebevolle Mutter mit ihren Kindern verkehrt, so verkehrte sie während ihrer letzten Krankheit mit diesen Büchern. Mehrmals fand man sie, wenn sie besucht wurde, mit zwei oder drei derselben in ihrem Schoß. “Ich schätze und würdige diese Bücher, wie ich es nie vorher getan habe”, sagte sie einmal. “Sie sind Wahrheit, und sie sind Gerechtigkeit, und sie sind ein ewiges Zeugnis, dass Gott wahr ist.” Sie freute sich bei dem Gedanken, dass wenn sie auch nicht mehr zu den Leuten sprechen könne, ihre Bücher für sie sprechen würden. LW 507.1

Zu Zeiten, wenn ihre Kraft es erlaubte, wurde sie in einem Fahrstuhl auf eine sonnige Veranda in dem oberen Stock gefahren. Von diesem kleinen, mit schönen Kletterrosen behangenen Balkon bot die Aussicht auf das herrliche Panorama von Obstgärten und Weinbergen, von Berg und Tal beständige Freude. LW 507.2

Wieder und wieder erhob sich in den ersten Wochen ihrer Krankheit ihre Stimme im Gesang. Die am meisten gewählten Worte waren das Lied: “We have heard from the bright, the holy land.” LW 507.3

Ungefähr vierzehn Tage nach ihrem Unfall wurde ihr von der Konvention der Vertreter der Buch- und Missionsarbeit erzählt, die in Mountain View stattfand, wo Pläne für die vermehrte Verbreitung der Drucksachen unserer Gemeinschaft gelegt wurden. Dieser Hinweis auf die Vertreter der Bucharbeit veranlasste sie noch einmal dazu, ihre Freude darüber auszudrücken, dass sie zwei Jahre vorher viele derselben in ihrem eigenen Heim persönlich hatte begrüßen dürfen. “Ich freue mich sehr”, fügte sie hinzu, “über alles, was sie für die Verbreitung unserer Bücher tun. Der Verlagszweig unsers Werkes hat viel mit unserer Macht zu tun. Ich wünsche, dass er alles das ausrichten wird, was er nach des Herrn Plan ausrichten sollte. Wenn unsere Buchleute ihren Teil treulich tun, so weiß ich, nach dem Lichte, das Gott mir gegeben hat, dass die Erkenntnis der gegenwärtigen Wahrheit verdoppelt und verdreifacht werden wird. Das ist die Ursache, weshalb ich so in Eile war, meine Bücher fertig zu bekommen, damit sie den Leuten in die Hände gegeben und gelesen werden. Und es ist der Plan des Herrn, dass die Verbreitung unserer Bücher in fremden Sprachen ganz bedeutend zunimmt. Auf diese Weise werden wir die Sache der gegenwärtigen Wahrheit fördern und ihr eine vorteilhaftere Stellung geben. Lasst uns bedenken, dass wir in allen unsern Bestrebungen täglich um Kraft und persönliche christliche Erfahrung bitten müssen. Nur indem wir in naher Berührung mit der Quelle unserer Kraft bleiben, werden wir befähigt, schnellen und gleichmäßigen Fortschritt zu machen.” LW 507.4

Viele waren der Besucher — alte Bekannte und andere —, die während der letzten paar Monate ihres Lebens kamen, um Frau White zu begrüßen. Bisweilen war sie außerstande, alte Mitarbeiter zu erkennen; zu andern Zeiten erkannte sie die Besucher. Wenn es ihr möglich war, unterhielt sie sich mit ihnen. Niemals hörte sie auf, Freude am Zeugen von der Güte und liebevollen Barmherzigkeit Gottes zu finden. Monatelang vor ihrer Krankheit führte sie häufig die Schriftstelle an: Sie überwanden “durch des Lammes Blut und durch das Wort ihres Zeugnisses”; und sie fühlte sich jedes Mal gestärkt, wenn sie Zeugnis von der Liebe Gottes und seiner Fürsorge ablegte. LW 508.1

Eines Sabbatnachmittags, als die Familie ihres Sohnes, W. C. White, eine Zeitlang bei ihr zubrachte, wurde sie besonders gesegnet und richtete viele gute Ratschläge an ihre Enkel. “Der Herr ist sehr gut zu uns”, erklärte sie; “und wenn wir fortfahren, den Herrn zu kennen, dann werden wir wissen, dass er hervorbrechen wird wie die schöne Morgenröte. Wenn irgendeine Frage in euch aufsteigt in bezug auf das, was recht ist, so blickt auf den Herrn Jesum, und der wird euch führen. Wir sollten jeden Plan vor den Herrn bringen, um zu sehen, ob er denselben billigt ... Bedenkt, dass der Herr uns hindurch führen wird. Ich bin jeden Augenblick auf der Hut, auf dass nichts zwischen mich und den Herrn kommen möge. Ich hoffe, dass das nicht geschehen wird. Gott gebe, dass wir uns alle treu erweisen. Es wird bald eine herrliche Versammlung stattfinden. Ich freue mich, dass ihr gekommen seid, um mich zu besuchen. Möge der Herr euch segnen. Amen.” LW 509.1

Nicht allein ihre Enkelinnen und Enkel, sondern die ganze Jugend in der Gemeinschaft trug sie in liebender Sorge auf dem Herzen. Bisweilen sprach sie mit ihren Pflegerinnen und mit den Helfern in ihrer Bucharbeit betreffs der Notwendigkeit einer weisen Auswahl von Lesestoff für die Jugend. LW 509.2

“Wir sollten den jungend Leuten raten”, mahnte sie, “solche Sachen zu lesen, die dem Aufbau eines christlichen Charakters dienlich sind. Die Hauptpunkte unsers Glaubens sollten dem Gedächtnis der jungen Leute eingeprägt werden. Sie haben einen kleinen Einblick in diese Wahrheiten bekommen, aber sind nicht so mit ihnen bekannt, dass sie dieselben gern studieren. Unsre Jugend sollte das lesen, was eine gesunde, heiligende Wirkung auf das Gemüt haben wird. Sie hat dies nötig, um imstande zu sein, zu unterscheiden, was wahre Religion ist. Es gibt vielen guten Lesestoff, der nicht heiligt. LW 509.3

“Jetzt ist unsere Zeit und Gelegenheit, für die jungen Leute zu wirken. Sagt ihnen, dass wir jetzt in einer gefährlichen Krise sind, und dass wir wissen sollen, wie wahre Gottseligkeit zu erkennen ist. Es tut unsern jungen Leuten not, dass ihnen geholfen werde, und dass sie auf eine höhere, erhabene Stellung gebracht und ermutigt werden. Aber dies muss in der rechten Weise geschehen und nicht, wie sie es vielleicht wünschen mögen, sondern in einer Weise, die ihnen helfen wird, ein geheiligtes Herz zu bekommen. Sie haben gute, heiligende Religion notwendiger als irgend etwas anderes. LW 510.1

“Ich erwarte nicht mehr lange zu leben. Mein Werk ist beinahe getan. Sagt unsern jungen Leuten, dass ich möchte, dass meine Worte sie zu jener Lebensweise ermutigen, die den himmlischen Wesen am besten gefällt.” LW 510.2

Das Ende kam am Freitag, den 16. Juli 1915, zwanzig Minuten vor vier Uhr nachmittags, in dem sonnigen Oberzimmer ihres “Elmshaven”-Heims, wo sie während der letzten glücklichen, fruchtbaren Jahre ihres geschäftigen Lebens so viel von ihrer Zeit zugebracht hatte. Sie entschlief in Jesu so still und friedevoll, wie ein müdes Kind zur Ruhe geht. Um ihr Bett versammelt waren ihr Sohn, Ältester W. C. White, und seine Gemahlin; ihre Enkelin, Frau Mabel White Workman; ihre langjährige treue Sekretärin, Frl. Sara McEnterfer; ihre Nichte und treue Pflegerin, Frl. May Walling; eine andere ihrer unermüdlichen Pflegerinnen, Frau Carrie Hungerford; ihre Haushälterin, Frl. Tessie Woodbury; ihre alte Gesellschafterin und Gehilfin, Frau Mary Chinnock Thorp, und einige Freunde und Gehilfen, die viele Jahre in ihrem Heim und in ihrem Kontor zugebracht hatten. Mehrere Tage vor ihrem Tode war sie während eines großen Teils der Zeit bewusstlos, und gegen das Ende schien sie die Fähigkeit zum Sprechen und auch das Gehör verloren zu haben. Die letzten Worte, die sie zu ihrem Sohne sprach, waren: “Ich weiß, wem ich geglaubt habe.” LW 510.3

“Gott ist die Liebe.” “Sicherlich gönnt er seinen Geliebten den Schlaf.” Ihnen ist die lange Nacht des Wartens bis zum Auferstehungsmorgen nur ein Augenblick; und selbst für diejenigen, die noch hienieden bleiben, wird die Zeit des Wartes nicht mehr lang sein; denn Jesus kommt bald, um seine Geliebten zu sammeln und heimzunehmen, wie unsere Geliebte Schwester selbst denen, die eines Sabbats während ihrer Krankheit um sie waren, erklärte: “Wir werden alle sehr bald daheim sein.” LW 511.1