Erziehung

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Leben aus dem Tod

Um seinen Jüngern klar zu machen, welche Bedeutung sein Leiden und Sterben für sie und die Menschheit haben würde, bediente sich Jesus eines Vergleichs aus der Natur. Er sagte zu ihnen: ERZ 113.2

“Die Stunde ist gekommen. Jetzt soll der Menschensohn verherrlicht werden. Hört mir genau zu: Ein Weizenkorn, das nicht in den Boden kommt und stirbt, kann keine Frucht bringen, sondern bleibt ein einzelnes Korn. In der Erde aber keimt es und bringt viel Frucht, obwohl es selbst dabei stirbt.”1 So gesehen kann das Sterben und Auferstehen in der Natur auch zum Sinnbild für das Leben des Menschen und seinen Dienst für Gottes Reich werden. ERZ 113.3

Wer für Christus geistliche Frucht bringen will, muß zuvor in gewissem Sinne sterben. Das heißt zum Beispiel, Ehrgeiz, Eigenliebe oder Selbstsucht in den Tod zu schicken, damit Demut, Mitgefühl und Selbstverleugnung wachsen können. Dabei zeigt es sich, daß das Gesetz der Selbsthingabe zugleich ein Gesetz der Selbsterhaltung ist. Indem der Bauer das Weizenkorn in den Acker wirft, erhält er es in Form der reifen Ähre am Leben. In diesem Sinne sagte Jesus: “Wer sein Leben über alles liebt, der wird es verlieren. Wer aber bereit ist, sein Leben vorbehaltlos für Gott einzusetzen, wird es für alle Ewigkeit erhalten.”2 ERZ 113.4

Darüber hinaus ist die Gesetzmäßigkeit des Vergehens und Neuwerdens in der Natur auch ein Hinweis auf die Auferstehung. Rein menschlich gesehen gibt es aus dem Tod keine Wiederkehr. Wer stirbt, wird wieder zu dem, was er ursprünglich einmal war: tote Materie. Aus und vorbei! Das jedenfalls ist die Erfahrung über unzählige Generationen hinweg. Und doch heißt es im Neuen Testament: “Genauso könnt ihr euch die Auferstehung der Toten vorstellen. Unser irdischer Leib ist wie ein Samenkorn, das einmal vergeht. Wenn er aber auferstehen wird, ist er unvergänglich. Was begraben wird, ist unansehnlich und schwach, was aufersteht, läßt Gottes Herrlichkeit und Kraft erkennen. Begraben wird ein irdischer Leib; aber auferstehen werden wir mit einem Leib, der von göttlichem Leben erfüllt ist.”1 ERZ 113.5

Hier bieten sich für Eltern und Lehrer großartige Möglichkeiten, geistliche Lehren und Sachverhalte an praktischen Beispielen zu veranschaulichen. Laßt die Kinder ein Stück Land für die Saat vorbereiten, selbst Samenkörner in die Erde legen und das Wachsen beobachten. Erklärt ihnen das natürliche Zusammenspiel von Saat und Ernte. Und dabei könnt ihr ihnen erzählen, daß unser Herz einem Garten ähnelt, in den Samenkörner gestreut werden, aus denen Gutes wachsen kann, aber auch Böses. Wenn sie den Samen in den Boden legen, kann man mit den Kindern über Jesu Tod reden, und wenn die Saat aufgeht, über das Wunder der Auferstehung. Sie sollten auch erfahren, daß sich die Prinzipien des natürlichen und geistlichen Wachstums ähneln. ERZ 114.1

Vom Bestellen des Ackers lassen sich übrigens noch eine ganze Reihe anderer geistlicher Wahrheiten ableiten. Niemand wird von einem Stück Brachland Frucht erwarten. Wer ernten will, muß vorher den Boden bearbeiten, Samen säen und später die Pflanzen pflegen. Auch geistliches Wachstum geschieht nicht von selbst. Zunächst muß der Boden aufgebrochen werden — das geschieht durch Reue und Bekehrung. Unkraut und Gestrüpp — das heißt: die bösen Neigungen des Herzens —, die den zarten Trieben Licht und Nahrung wegnehmen, müssen gejätet werden. Das alles verlangt fleißige Arbeit, Umsicht und Ausdauer. ERZ 114.2

Ackerbau und Gartenarbeit lehren uns, die Naturgesetze zu erkennen und richtig anzuwenden. Jede Pflanze hat spezielle Bedürfnisse, die es zu beachten gilt. Manche Pflanzenarten wachsen gut in sandigem Boden, andere brauchen schwere, lehmhaltige Erde. Auch die Pflege ist nicht für alle Gewächse gleich, sondern muß den spezifischen Bedürfnissen angepaßt sein. Müssen junge Pflanzen umgesetzt werden, dürfen ihre Wurzeln nicht beschädigt werden. Manche brauchen viel Sonne, andere gedeihen besser im Halbschatten. Wichtig ist auch, sie vor Nachtfrost und Schädlingen zu schützen. Es gibt Arten, die sich von selbst ausbreiten, andere brauchen Stützvorrichtungen und Wachstumshilfen. Nur wer das alles berücksichtigt, kann mit einer guten Ernte rechnen. ERZ 114.3

Dieser praktische Umgang mit der Natur und die Arbeit, die damit verbunden ist, sind für die Charakterbildung wichtig — ganz abgesehen davon, daß sich viele dieser Prinzipien auch auf die seelische, geistige und geistliche Entwicklung des Menschen übertragen lassen. Die Erziehung zu Sorgfalt, Geduld, Beachtung von Kleinigkeiten und Gehorsam ist außerordentlich wichtig. Die ständige Berührung mit den Geheimnissen des Lebens und der Schönheit der Natur sowie die Sorgfalt, die der Umgang mit Gottes Schöpfung erfordert, hilft dem Menschen, Tugenden wie Fürsorge, Geduld, Pflichtgefühl, Ausdauer und manches andere zu entwickeln. Das trägt nicht nur zur eigenen Charakterbildung bei, sondern hilft auch, ein gutes Verhältnis zu anderen Menschen auszubauen. ERZ 115.1