Erziehung

32/75

Kapitel 12: Andere Gleichnisse

“Wer verständig ist ... wird erkennen,
daß der Herr auf vielfache Weise zeigt, wie gnädig er ist!”

Psalm 107,43.

Überall in der Natur stoßen wir auf die heilende Kraft Gottes. Ob die Rinde eines Baums beschädigt oder ein Mensch verletzt wird, sofort setzt ein natürlicher Heilungsprozeß ein. ERZ 116.1

Im weitesten Sinne gilt das auch für das geistliche Leben. Wer sündigt, lädt damit nicht nur Schuld auf sich, sondern verletzt auch sein Gewissen und seine Seele. Aber Gott hat von Anfang an dafür gesorgt, daß es auch ein Heilmittel gegen die Sünde gibt. Christus sagte von sich: Gott “hat mich beauftragt, den Armen die frohe Botschaft zu bringen. Den Gefangenen soll ich die Freiheit verkünden, den Blinden sagen, daß sie sehen werden und den Unterdrückten, daß sie bald von jeder Gewalt befreit sein sollen. Jetzt erläßt Gott alle Schuld.”1 ERZ 116.2

Nachfolger Jesu sind berufen, ihren Herrn in dieser Aufgabe zu unterstützen. Der Apostel Paulus drückt das so aus: “Wenn sich aber einer von euch etwas zuschulden kommen läßt und sündigt, dann sollt ihr ihn als Menschen, die Gottes Geist leitet, verständnisvoll wieder zurechtbringen.”2 Was hier mit “zurechtbringen” übersetzt wird, bedeutet eigentlich, ein ausgerenktes Gelenk oder einen gebrochenen Knochen wieder einrichten. Ein treffender Vergleich! ERZ 116.3

Durch die Sünde werden Beziehungen überstrapaziert oder gar zerstört. Selbst wenn jemand erkennt, daß er gesündigt hat — und das auch bitter bereut —, kann er das allein nicht wieder “einrenken”. Er ist bestürzt über sein Verhalten, fühlt sich anderen gegenüber schuldig und ganz allgemein gehemmt. Wir müssen ihn zurückholen, zurechtbringen und dazu beitragen, daß die Verletzungen, die er sich und anderen beigebracht hat, wieder heilen. Voraussetzung für diesen Dienst der Versöhnung ist natürlich eine geistliche Gesinnung. Deshalb wendet sich Paulus auch an Menschen, “die Gottes Geist leitet”. Liebe heilt, vor allem die Liebe Christi. Sie durchströmt den Menschen wie der Saft den Baum oder das Blut den Körper. Von ihr geht auch für die verwundete Seele heilende Kraft aus. ERZ 116.4

In der Liebe stecken wunderbare Kräfte, denn sie ist ein göttliches Prinzip. Die gütige Antwort, die den Zorn stillt, die freundliche Zuwendung, die den anderen nicht bloßzustellen, sondern ihm zu helfen versucht, die Großmut, die auch einmal über einen Fehler hinwegsehen kann1 — wären das unsere Verhaltensmuster im Umgang mit anderen Menschen, würde unser eigenes Leben total verändert, und auch das anderer. Das könnte schon jetzt ein Vorgeschmack dessen werden, was wir vom kommenden Gottesreich erwarten. ERZ 117.1

All das ist so einleuchtend und leicht zu verstehen — wenn auch nicht einfach zu praktizieren —, daß selbst kleine Kinder es begreifen. Kinderherzen sind noch empfindsam genug und deshalb leicht zu beeinflussen — im guten wie im schlechten Sinn. Wenn wir Älteren “so werden wie die Kinder”,2 wenn wir von Christus schlichtes Vertrauen, Sanftmut, Herzensgüte und Liebe lernen, wird es uns nicht schwer fallen, das auch an unsere Kinder weiterzugeben. ERZ 117.2