Erziehung

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Im Glauben säen

Jesus hat sich in mehreren Gleichnissen mit dem Säen, Wachsen und Reifen befaßt und darin Wahrheiten dargestellt, die weit über die Geschehnisse in der Natur hinausweisen. Eins der schönsten Beispiele ist das vom Wachsen der Saat. ERZ 106.1

“Dann sagte Jesus: ‘Mit der neuen Welt Gottes ist es wie mit der Saat und dem Bauern: Hat der Bauer gesät, so geht er nach Hause, legt sich nachts schlafen, steht morgens wieder auf — und das viele Tage lang. Inzwischen geht die Saat auf und wächst; wie, das versteht der Bauer selber nicht. Ganz von selbst läßt der Boden die Pflanzen wachsen und Frucht bringen. Zuerst kommen die Halme, dann bilden sich die Ähren, und schließlich füllen sie sich mit Körnern. Sobald das Korn reif ist, fängt der Bauer an zu mähen; dann ist Erntezeit.’”1 ERZ 106.2

Jedem Samenkorn ist von Natur aus die Fähigkeit des Keimens und Wachsens mitgegeben, doch die würde ihm nicht viel nützen, wenn es sich selbst überlassen bliebe. Wenn aus dem Saatgut Frucht werden soll, muß der Mensch seinen Teil beitragen. Allerdings kann auch er nur Hilfsarbeiten verrichten, indem er sät und allenfalls die wachsende Saat pflegt. Der eigentliche Vorgang des Wachsens und Reifens vollzieht sich ohne sein Zutun. Da muß sich der Mensch bis heute auf die geheimnisvolle Schöpferkraft verlassen, die das Samenkorn zur Frucht werden läßt. ERZ 106.3

Für manche Vorgänge des Wachstumsprozesses gibt es einleuchtende Erklärungen: Der Boden enthält die nötigen Nährstoffe; Tau und Regen sorgen für die erforderliche Feuchtigkeit; das Sonnenlicht spendet Wärme und Energie. Aber die eigentliche Lebenskraft, die in jedem Samenkorn steckt, ist nach wie vor ein Geheimnis — Gottes Geheimnis! Deshalb kann mit Fug und Recht gesagt werden, daß sich jede Pflanze durch die Kraft Gottes entwickelt. ERZ 106.4

Wie in der Natur, so ist es auch im übertragenen Sinn mit dem geistlichen Samen, der in die Welt ausgestreut wird. Auch er lebt von der Kraft, die Gott selbst in ihn hineingelegt hat. Deshalb heißt es in der Heiligen Schrift: “Das Gleichnis ist so zu verstehen: Der Samen ist die Botschaft Gottes.”1 Und an anderer Stelle: “Denn wie aus dem Boden die Saat keimt und wächst, so läßt der Herr unser Glück wachsen.”2 ERZ 107.1

Im Grunde ist jede Aussaat ein Akt des Glaubens. Der Bauer wirft die Saat aufs Land und hofft auf eine gute Ernte, ohne den eigentlichen Wachstumsprozeß ergründen und entscheidend beeinflussen zu können. Auf dem Feld der Erziehung ist es nicht anders. Auch Eltern und Lehrer streuen Samen aus — geistigen, ethischen und geistlichen Samen — und hoffen, daß der Samen Frucht trägt. ERZ 107.2

Manchmal sieht es lange Zeit so aus, als läge dieser gute Same im Herzen eines Menschen, ohne je zu keimen und Wurzel zu schlagen. Doch dann berührt Gottes Geist die Seele und erweckt das scheinbar tote Samenkorn zum Leben. Es geht auf, schlägt Wurzeln, wächst und bringt Frucht. Niemand von uns weiß, wieviel von dem guten Samen aufgeht, den wir im Laufe unseres Lebens in die Welt oder in das Herz anderer Menschen gestreut haben. Deshalb sollten wir uns an den Rat der Bibel halten: “Arbeite am Morgen oder am Abend, ganz wie du willst; denn du kannst nicht voraussehen, welches von beiden Erfolg bringt — vielleicht sogar beides.”3 ERZ 107.3

Auf eins kann sich der Säende jedenfalls verlassen, ob er seinen Samen nun auf den Acker oder in das Herz von Menschen ausstreut: “Solange die Erde besteht, folgen im steten Wechsel Aussaat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht. Diese Ordnung ist unumstößlich.”1 Der Bauer pflügt das Land und sät im Vertrauen auf diese göttliche Zusage den Samen. ERZ 107.4

Im Blick auf die geistliche Aussaat können wir uns wie er darauf verlassen, daß Gott seine Verheißung auch im übertragenen Sinne erfüllt. Der Herr läßt uns sagen: “Genauso ist es mit dem Wort, das ich spreche. Es kehrt nicht erfolglos zu mir zurück, sondern bewirkt, was ich will, und führt aus, was ich ihm auftrage.”2 Und: “Weinend gehen sie hinaus und streuen die Saat, jubelnd kommen sie heim und tragen ihre Garben.”3 ERZ 108.1

Wenn wir die Wachstumsvorgänge in der Natur auf das Leben des Menschen anwenden wollten, hieße das: Dem Keimen der Saat entspräche das Aufkeimen geistlichen Lebens — das Wachsen und Reifen der Pflanze wäre ein Bild für die charakterliche und geistliche Entwicklung des Menschen. Es gibt kein Leben ohne Wachstum. Wenn ein Samenkorn keimt und Wurzeln geschlagen hat, bleiben ihm zwei Möglichkeiten: entweder wächst das Pflänzchen oder es geht ein. Das Wachstum vollzieht sich fortschreitend über verschiedene Entwicklungsstufen. Im Leben des Menschen ist es ähnlich. Wenn alles normal verläuft, wächst er stetig dem Ziel charakterlicher und geistlicher Reife entgegen. ERZ 108.2

Dieses Wachstum vollzieht sich in verschiedenen Phasen und bewirkt, daß der Mensch zu der Reife gelangt, die der jeweiligen Entwicklungsstufe entspricht — auch wenn das eigentliche Ziel noch nicht erreicht ist. Dieses Wachstum ist allerdings nur möglich, wenn sich der Mensch dem Wirken Gottes voll und ganz öffnet. Wie die Pflanze im Boden Wurzeln schlägt, so sollen auch wir in Christus verwurzelt sein. Wie die Pflanze zum Gedeihen Sonnenschein, Tau und Regen braucht, so benötigen wir den Heiligen Geist. ERZ 108.3

Wenn wir Christus unser Herz öffnen, wird er zu uns kommen, “wie ein Regen, wie ein Spätregen, der das Land feuchtet.” Er wird über uns aufgehen, wie “die Sonne der Gerechtigkeit”, mit “Heil unter ihren Flügeln”. Wir werden “blühen wie eine Rose” und vom “Korn” werden wir uns “ernähren” und “blühen wie ein Weinstock.”1 ERZ 108.4

Beim Getreide wachsen “zuerst die Halme, dann bilden sich die Ähren, und schließlich füllen sie sich mit Körnern.”2 Kein Bauer sät nur um des Säens willen, und er pflegt die Kulturen auch nicht aus reiner Freude an der Arbeit. ERZ 109.1

Wer sät und pflegt, will Frucht: das heißt Korn, das den Hunger stillt und im nächsten Jahr als Aussaat für eine neue Ernte dienen kann. Auch Gott, der in unserem Leben Wachstum und Gedeihen schenkt, erwartet eine Ernte. Er möchte in den Herzen seiner Nachfolger wiedergeboren werden, damit andere durch sie erkennen können, wie Gott wirklich ist. ERZ 109.2

Die verschiedenen Wachstumsphasen der Pflanzen lassen sich auch auf die Kindererziehung übertragen. Aus dem zarten Grün entwickelt sich der Halm, dann die Ähre mit den Körnern. ERZ 109.3