Frühe Schriften von Ellen G. White

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Kapitel 15: Die Juden beschließen, Paulus zu töten

Als die Hohenpriester und Obersten die Auswirkung der Verkündigung der Erfahrungen des Paulus sahen, wurden sie mit Haß gegen ihn erfüllt. Sie bemerkten, daß er mutig Jesus verkündigte und in seinem Namen Wunder wirkte; daß große Mengen ihm zuhörten, sich von ihren Traditionen abwandten und die jüdischen Obersten als die Mörder des Sohnes Gottes betrachteten. Ihr Ärger wurde auf äußerste erregt, und sie versammelten sich, um zu beraten, was wohl am besten zu tun sei, diese Aufregung unter dem Volk zu dämpfen. Sie kamen überein, daß der sicherste Weg der sei, Paulus zu töten. Aber Gott kannte ihre Absichten, und Engel wurden beauftragt, Paulus zu beschützen, daß er leben möchte, um seine Mission zu vollenden. FS 187.2

Von Satan angeführt, bewachten die ungläubigen Juden Tag und Nacht die Tore von Damaskus, damit, wenn Paulus durchginge, sie ihn sofort töten könnten. Aber Paulus war benachrichtigt worden, daß die Juden ihm nach dem Leben trachteten, und die Jünger ließen ihn in einem Korb des Nachts an der Mauer herunter. Über diesen Fehlschlag ihres Planes waren die Juden beschämt und ungehalten, und Satans Absicht war wieder vereitelt. FS 188.1

Danach ging Paulus nach Jerusalem, um sich den Jüngern anzuschließen. Sie fürchteten sich aber alle vor ihm und konnten nicht glauben, daß er ein Jünger sei. Die Juden hatten ihm in Damaskus nach dem Leben getrachtet, und nun wollten seine eigenen Brüder ihn nicht aufnehmen. Aber Barnabas nahm ihn zu sich, führte ihn zu den Aposteln und sagte ihnen, wie Paulus den Herrn auf dem Weg gesehen und daß er im Namen Jesu in Damaskus mutig gepredigt hätte. FS 188.2

Doch der Satan wirkte an den Herzen der Juden, Paulus umzubringen, und Jesus befahl ihm, Jerusalem zu verlassen. Gemeinsam mit Barnabas ging er in andere Städte, verkündigte Jesus und wirkte Wunder, und viele wurden bekehrt. Als einmal ein Mann geheilt wurde, der immer lahm gewesen war, wollte das Volk, das gewohnt war, Götzen anzubeten, den Jüngern opfern. Paulus war darüber traurig und sagte ihnen, daß er und sein Mitarbeiter nur Menschen seien und daß der Gott, der den Himmel und die Erde, das Meer und alles, was darinnen ist, geschaffen habe, allein angebetet werden müsse. Auf diese Weise erhöhte Paulus Gott vor den Leuten; aber er konnte sie kaum von ihrem Vorhaben zurückhalten. Die erste Vorstellung vom Glauben an den wahren Gott und von der Anbetung und Ehre, die ihm gebührten, ging in ihnen auf. Doch während sie Paulus zuhörten, wirkte Satan auf ungläubige Juden aus anderen Städten ein, daß sie Paulus nachgingen und das gute Werk, das durch ihn getan worden war, zerstörten. Diese Juden erregten die Gemüter der Götzendiener durch falsche Gerüchte gegen Paulus. Die Bewunderung der Leute verwandelte sich jetzt in Haß, und genau die, die vor kurzem bereit waren, die Jünger anzubeten, steinigten Paulus, schleiften ihn zur Stadt hinaus und meinten, daß er tot sei. Aber als die Jünger um Paulus versammelt waren und ihn beklagten, stand er zu ihrer Freude auf und ging mit ihnen in die Stadt. FS 188.3

Ein anderes Mal, als Paulus und Silas Jesus predigten, folgte ihnen eine bestimmte Frau, die einen Wahrsagegeist hatte, und schrie: “Diese Menschen sind Knechte des allerhöchsten Gottes, die euch den Weg des Heils verkündigen.” Apostelgeschichte 16,17. So folgte sie den Jüngern mehrere Tage. Es tat aber Paulus weh, denn dies Schreien hinter ihnen lenkte die Gedanken der Leute von der Wahrheit ab. Das Ziel Satans, der sie dazu veranlaßte, war, im Volk Abscheu zu erregen und den Einfluß der Jünger zu zerstören. Paulus war sehr erregt. Er wandte sich um und sprach zu dem Geist: “Ich gebiete dir im Namen Jesu Christi, daß du von ihr ausfährst.” Auf diese Weise wurde der böse Geist zurechtgewiesen und er verließ sie. Apostelgeschichte 16,18. FS 189.1

Ihren Herren gefiel es, daß diese Frau den Jüngern nachrief; aber als der böse Geist sie verließ und ihre Herren in ihr eine demütige Nachfolgerin Jesu sahen, wurden sie aufgebracht. Sie hatten viel Geld durch ihre Wahrsagerei eingenommen, und jetzt war ihre Hoffnung auf Gewinn dahin. Satan hatte sein Ziel verfehlt; aber seine Diener ergriffen Paulus und Silas, zogen sie auf den Markt vor die Obersten, führten sie vor die Stadtrichter und sagten: “Diese Menschen bringen unsre Stadt in Aufruhr; sie sind Juden”. Apostelgeschichte 16,20. Und die Menschen traten gemeinsam gegen sie auf. Die Stadtrichter ließen ihnen die Kleider abreißen und sie auspeitschen. Nachdem sie ihnen viele Schläge gegeben hatten, warfen sie sie ins Gefängnis und geboten dem Kerkermeister, gut auf sie zu achten. Als diesem ein solcher Auftrag gegeben wurde, warf er Paulus und Silas ins innerste Gefängnis und legte ihre Füße in den Stock. Doch die Engel Gottes begleiteten sie ins Gefängnis und führten alles so, daß ihre Gefangenschaft zur Ehre Gottes gereichte und dem Volke zeigte, daß Gott mit dem Werk und mit seinen auserwählten Dienern war. FS 189.2

Um Mitternacht beteten Paulus und Silas und sangen Gott Loblieder. Plötzlich gab es ein großes Erdbeben, das die Grundfesten des Gefängnisses erschütterte, und ich sah, daß der Engel Gottes sofort eines jeden Fesseln löste. Als der Kerkermeister erwachte und die Türen des Gefängnisses offenstehen sah, erschrak er. Er meinte, die Gefangenen seien alle entflohen und er würde jetzt mit dem Tode bestraft werden. Aber als er sich gerade umbringen wollte, rief Paulus mit lauter Stimme: “Tu dir nichts an; denn wir sind alle hier!” Apostelgeschichte 16,28. FS 190.1

In diesem Augenblick berührte die Kraft Gottes den Kerkermeister. Er forderte ein Licht, lief hinein und fiel zitternd Paulus und Silas zu Füßen, führte sie heraus und sagte: “Liebe Herren, was muß ich tun, daß ich gerettet werde?” Und sie sagten: “Glaube an den Herrn Jesus, so wirst du und dein Haus selig!” Apostelgeschichte 16,30.31. Dann versammelte der Kerkermeister alle Menschen, die zu seinem Haushalt gehörten, und Paulus verkündigte ihnen Jesus. So wurde das Herz des Kerkermeisters mit dem seiner Brüder verbunden. Er wusch ihnen die Striemen ab, und er und sein ganzes Haus wurden in jener Nacht getauft. Er gab ihnen dann zu essen und freute sich mit seiner ganzen Familie, daß er an Gott gläubig geworden war. FS 190.2

Diese wunderbare Nachricht von der Offenbarung der Kraft Gottes, die die Türen des Gefängnisses geöffnet hatte, und vom Kerkermeister, der mit seiner ganzen Familie bekehrt wurde, verbreitete sich schnell. Die Obersten vernahmen es und fürchteten sich; sie sandten zu dem Kerkermeister und befahlen ihm, Paulus und Silas gehen zu lassen. Aber Paulus wollte das Gefängnis nicht heimlich verlassen. Er wollte nicht, daß die Offenbarung der Kraft Gottes verborgen bleiben sollte. Er sagte deshalb zu ihnen: “Sie haben uns ohne Recht und Urteil öffentlich ausgepeitscht, die wir doch römische Bürger sind, und in das Gefängnis geworfen, und sollten uns nun heimlich fortschicken? Nein! Sie sollen selbst kommen und uns hinausführen.” Apostelgeschichte 16,37. Als dies den Stadtrichtern weitergesagt und es bekannt wurde, daß die Apostel Römer waren, entsetzten sie sich aus Angst, daß sie beim Kaiser wegen ihres ungesetzlichen Verfahrens angeklagt würden. Sie kamen und redeten ihnen zu, führten sie heraus und baten sie, die Stadt zu verlassen. FS 190.3