Frühe Schriften von Ellen G. White

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Kapitel 16: Paulus besucht Jerusalem

Nach seiner Bekehrung besuchte Paulus Jerusalem und predigte dort Jesus und die Wunder seiner Gnade. Er erzählte seine wunderbare Bekehrung, worüber die Priester und Schriftgelehrten so in Zorn gerieten, daß sie ihm nach dem Leben trachteten. Aber Jesus erschien ihm wiederum zu seiner Rettung in einer Vision, während er betete, und sprach zu ihm: “Eile und mach dich schnell auf aus Jerusalem, denn dein Zeugnis von mir werden sie nicht annehmen.” Paulus antwortete: “Herr, sie wissen doch, daß ich die, die an dich glaubten, gefangennehmen und in den Synagogen geißeln ließ. Und als das Blut des Stephanus, deines Zeugen, vergossen wurde, stand ich auch dabei und hatte Gefallen an seinem Tod und bewachte denen die Kleider, die ihn töteten.” Paulus dachte, daß die Juden zu Jerusalem seinem Zeugnis nicht widerstehen könnten und sie einsehen würden, daß die große Veränderung in ihm nur durch die Macht Gottes gewirkt sein könne. Aber die Antwort war noch bestimmter als vorher: “Geh hin; denn ich will dich in die Ferne zu den Heiden senden.” Apostelgeschichte 22,18-21. Während seiner Abwesenheit von Jerusalem schrieb Paulus viele Briefe nach verschiedenen Orten, erzählte seine Erfahrung und legte ein machtvolles Zeugnis ab. Aber manche trachteten danach, den Einfluß dieser Briefe zu untergraben. Sie mußten zugeben, daß diese Briefe gewichtig und mächtig waren, erklärten aber, daß seine leibliche Anwesenheit nur schwachen Eindruck mache und seine Rede verachtenswert sei. FS 191.1

Tatsächlich aber war Paulus ein Mann von großer Gelehr-samkeit, und seine Weisheit und sein Benehmen entzückten die Hörer. Gelehrte Männer erfreuten sich an seiner Erkenntnis, und viele von ihnen glaubten an Jesus. Wenn er vor Königen und großen Versammlungen stand, konnte er eine Beredsamkeit entfalten, die alle Zuhörer faszinierte. Dies versetzte die Priester und Ältesten in große Wut. Paulus konnte leicht in tiefe Gedankengänge einsteigen, und wenn er einmal dazu ansetzte, konnte er die Leute zum Gedankenflug in die erhabensten Bereiche mitnehmen. Er stellte ihnen die großen Reichtümer der Gnade Gottes und die erstaunliche Liebe Christi vor Augen. Dann konnte er wiederum in aller Einfachheit zum Verständnis des einfachen Volkes herabsteigen und in wirkungsvollster Weise seine Erfahrung erzählen, was den brennenden Wunsch in ihnen weckte, auch Jünger Christi zu werden. FS 192.1

Abermals erschien der Herr dem Paulus und offenbarte ihm, daß er hinauf nach Jerusalem gehen müsse; dort würde er gebunden werden und um seines Namens willen leiden. Obgleich er lange Zeit hindurch ein Gefangener war, tat der Herr doch sein besonderes Werk durch ihn. Seine Fesseln sollten das Mittel sein, die Erkenntnis Christi zu verbreiten und Gott zu verherrlichen. Da er zu seinem Verhör von Stadt zu Stadt gesandt wurde, wurde sein Zeugnis über Jesus und die interessanten Ereignisse seiner eigenen Bekehrung vor Königen und Statthaltern erzählt, damit auch sie in bezug auf Jesus ohne Entschuldigung sein möchten. Tausende glaubten an Jesus und freuten sich an seinem Namen. Ich sah, daß durch die Reise des Paulus auf dem Meer eine besondere Absicht Gottes erfüllt wurde. Er wollte, daß die Schiffsmannschaft auf diese Weise durch Paulus Zeuge der Macht Gottes sein sollte und auch die Heiden vom Namen Jesu hören und viele durch die Lehren des Paulus und durch die Wunder, die er vollbrachte, bekehrt werden sollten. Könige und Statthalter waren von seinen Vorträgen begeistert, und als er mit Eifer und in der Macht des Heiligen Geistes Jesus predigte und die interessanten Begebenheiten seiner Erfahrung erzählte, wurden sie überzeugt, daß Jesus der Sohn Gottes sei. Als manche mit Erstaunen die Worte des Paulus hörten, rief einer aus: “Es fehlt nicht viel, so wirst du mich noch überreden und einen Christen aus mir machen.” Apostelgeschichte 26,28. Doch die meisten von denen, die ihn hörten, dachten, daß sie später erwägen wollten, was sie gehört hatten. Satan nützte diesen Aufschub, und da sie die Gelegenheit versäumten, als ihre Herzen weich waren, war sie für immer dahin. Ihre Herzen wurden wieder verhärtet. FS 192.2

Es wurde mir gezeigt, daß das Werk Satans erstens darin bestand, die Augen der Juden zu verblenden, damit sie Jesus nicht als ihren Heiland annehmen würden, und dann darin, daß er sie veranlaßte, aus Neid über seine mächtigen Taten sein Leben zu fordern. Satan fuhr in einen von Christi eigenen Nachfolgern und trieb ihn an, Christus in die Hände seiner Feinde zu verraten, damit sie den Herrn des Lebens und der Herrlichkeit kreuzigen könnten. FS 193.1

Nachdem Jesus von den Toten auferstanden war, häuften sie Sünde auf Sünde, indem sie die römische Wache bestachen, eine Lüge zu verbreiten, um die Tatsache seiner Auferstehung zu verbergen. Aber die Auferstehung Christi ist durch die gleichzeitige Auferstehung einer Menge von Zeugen doppelt sicher. Nach seiner Auferstehung erschien Jesus seinen Jüngern und dann über fünfhundert Brüdern auf einmal, während jene Menschen, die er mit sich gebracht hatte, vielen erschienen und erklärten, daß Jesus auferstanden war. FS 193.2

Satan hatte die Juden dazu gebracht, sich gegen Gott zu empören, indem sie sich weigerten, seinen Sohn anzunehmen, und ihre Hände mit seinem teuren Blut befleckten. Ohne Rücksicht darauf, wie stark der Beweis war, der nun vorgebracht wurde, daß Jesus der Sohn Gottes, der Erlöser der Welt sei. Sie hatten ihn ermordet und würden keinen Beweis zu seinen Gunsten annehmen. Ihre einzige Hoffnung und ihr Trost bestanden wie bei Satan nach seinem Fall darin, daß sie versuchten, sich gegen den Sohn Gottes zu behaupten. Sie setzten deshalb ihre Rebellion fort, indem sie die Jünger Christi verfolgten und töteten. Nichts klang in ihren Ohren so hart wie der Name Jesu, den sie gekreuzigt hatten; und sie waren entschlossen, auch nicht einen Beweis zu seinen Gunsten anzuhören. Als der Heilige Geist durch Stephanus den überwältigenden Beweis erbrachte, daß Jesus der Sohn Gottes sei, hielten sie sich ihre Ohren zu, damit sie nicht etwa überzeugt werden möchten. Satan hatte die Mörder Jesu ganz in seiner Gewalt. Durch gottlose Werke hatten sie sich selbst zu seinen willigen Werkzeugen gemacht, und durch sie wirkte er nun, um die an Christus Gläubigen zu beunruhigen und zu plagen. Er hetzte durch die Juden die Heiden gegen Jesus und seine Nachfolger auf. Doch Gott sandte seine Engel, um die Jünger für ihr Werk zu stärken, damit sie von dem, was sie gesehen und gehört hatten, zeugen und zuletzt durch ihre Standhaftigkeit ihr Zeugnis mit ihrem Blut besiegeln könnten. FS 193.3

Satan freute sich, daß die Juden fest in seinen Schlingen gefangen waren. Sie setzten ihre nutzlosen Formen, ihre Opfer und Satzungen noch fort. Als Jesus am Kreuz hing und rief: “Es ist vollbracht!”(Johannes 19,30), da riß der Vorhang des Tempels von oben bis unten mitten entzwei, um zu zeigen, daß Gott nicht länger mit den Priestern im Tempel sein würde, um ihre Opfer und Ordnungen anzunehmen, und daß die trennende Mauer zwischen Juden und Heiden niedergerissen sei. Jesus hatte durch sich selbst ein Opfer für beide gebracht. Und beide mußten an ihn, als das einzige Opfer für die Sünde, den Heiland der Welt, glauben, wenn sie gerettet werden wollten. FS 194.1

Als der Soldat die Seite Jesu durchbohrte, als er am Kreuz hing, kamen zwei besondere Ströme heraus, der eine aus Blut, der andere aus Wasser. Das Blut sollte die Sünden derjenigen wegwaschen, die an seinen Namen glauben würden, und das Wasser sollte das lebendige Wasser darstellen, das von Jesus kommt und denen Leben gibt, die an ihn glauben. FS 195.1