Frühe Schriften von Ellen G. White

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Kapitel 40: Die zweite Auferstehung

Dann verließ Jesus mit dem ganzen Gefolge heiliger Engel und mit allen erlösten Heiligen die Stadt. Die Engel umgaben ihren Gebieter und begleiteten ihn auf seinem Weg; der Zug der erlösten Heiligen folgte. Hierauf rief Jesus in schrecklicher, furchtbarer Majestät die gottlosen Toten hervor. Sie standen auf mit demselben schwachen, kranken Körper, der ins Grab gelegt worden war. Welch ein Anblick! Welche Szene! Bei der ersten Auferstehung waren alle in blühender Unsterblichkeit hervorgegangen; bei der zweiten jedoch sind die Zeichen des Fluches an allen sichtbar. Die Könige und die Edelleute der Erde, die Geringen und Niedrigen, die Gelehrten und Ungelehrten kommen zusammen hervor. Alle erblicken sie den Menschensohn; und dieselben Männer, die ihn verachtet und verspottet, die die Dornenkrone auf sein heiliges Haupt gesetzt und ihn mit der Rute geschlagen haben, erblicken ihn nun in seiner königlichen Majestät. Die ihm in der Stunde seines Verhörs ins Gesicht spieen, wenden sich jetzt von seinem durchdringenden Blick und der Herrlichkeit seines Antlitzes ab. Jene, die die Nägel durch seine Hände und Füße schlugen, schauen jetzt auf die Narben seiner Kreuzigung. Die den Speer in seine Seite stachen, sehen jetzt die Zeichen ihrer Grausamkeit an seinem Körper. Sie wissen, daß er derjenige ist, den sie kreuzigten und in seinen Todesqualen beim Sterben verhöhnten. Während sie nun vor der Gegenwart des Königs der Könige und des Herrn der Herren zu fliehen versuchen, entsteht ein großes, anhaltendes Wehklagen. FS 279.1

Alle versuchen, sich in den Felsen zu verbergen und sich vor der schrecklichen Herrlichkeit dessen, den sie einst verachtet haben, zu schützen. Von seiner Majestät und außerordentlichen Herrlichkeit überwältigt und gequält, erheben sie ihre Stimmen. Mit schrecklicher Deutlichkeit rufen sie einstimmig aus: “Gelobt sei, der da kommt in dem Namen des Herrn!” Matthäus 21,9. FS 279.2

Jesus und die heiligen Engel, begleitet von allen Heiligen, kehren zur Stadt zurück. Die bitteren Wehklagen und das Jammergeschrei der verlorenen Gottlosen erfüllen die Luft. Dann sah ich, daß Satan aufs neue sein Werk anfing. Er ging von einem seiner Untertanen zum andern, machte die Schwachen und Gebrechlichen stark und sagte ihnen, daß er und seine Engel sehr mächtig seien. Er verwies auf die unzählbaren Millionen, die vom Tod auferweckt worden waren. Unter ihnen befanden sich mächtige Krieger und Könige, die sich sehr gut auf das Kriegshandwerk verstanden und Königreiche erobert hatten. Es gab auch mächtige Riesen und starke, mutige Männer, die nie eine Schlacht verloren hatten. Da war der stolze, ehrgeizige Napoleon, dessen Heranrücken Königreiche hatte erzittern lassen. Es standen dort Männer von erhabenem Wuchs und würdevollem Benehmen, die im Kampf gefallen waren, während sie nach dem Sieg dürsteten. Wenn sie aus ihren Gräbern hervorgehen, nehmen sie ihren Gedankengang da wieder auf, wo er durch den Tod zum Stillstand gekommen war. Sie besitzen denselben sehnlichen Wunsch zu siegen, den sie hegten, als sie im Kampf fielen. Satan hält einen Rat mit seinen Engeln und dann mit jenen Königen, Eroberern und großen Männern. Dann blickt er auf das ungeheure Heer und sagt ihnen, daß die Schar in der Stadt nur klein und schwach sei und sie hinaufziehen und die Stadt einnehmen, ihre Bewohner hinausstoßen und ihre Reichtümer und Herrlichkeit selbst besitzen könnten. FS 280.1

Satan kann sie erfolgreich täuschen. Alle bereiten sich sofort auf den Kampf vor. In jenem ungeheuren Heer sind viele geschickte Männer. Sie konstruieren alle möglichen Kriegsgeräte. Von Satan geführt, bewegt sich die Menge vorwärts. Die Könige und Kriegsleute folgen dicht hinter Satan, und diesem folgt die Menge in Kompanien. Jede Kompanie hat ihren Anführer. Während sie so über die zerrissene Oberfläche der Erde zur heiligen Stadt marschieren, herrscht vollkommene Ordnung. Jesus schließt die Tore der Stadt. Die riesige Armee schließt die Stadt ein. Sie stellen sich in Schlachtordnung auf und erwarten einen heftigen Zusammenstoß. Jesus und die ganze Heerschar der Engel mit allen Heiligen, geschmückt mit ihren glänzenden Kronen, steigen auf die Mauer der Stadt. Voller Majestät sagt Jesus: “Seht, ihr Sünder, den Lohn der Gerechten! Und seht, meine Erlösten, den Lohn der Gottlosen!” Die ungeheure Menge erblickt die herrliche Schar auf den Mauern der Stadt. Als diese Verlorenen aber die Schönheit der glänzenden Kronen wahrnehmen, die Angesichter in Herrlichkeit leuchten sehen, das Ebenbild Jesu widerspiegelnd, und dann die unübertroffene Herrlichkeit und Majestät des Königs der Könige und des Herrn der Herren erblicken, sinkt ihnen der Mut. Ein Begriff von dem Schatz und der Herrlichkeit, die sie verloren haben, steigt in ihnen auf, und sie erkennen, daß der Sünde Sold der Tod ist. Sie sehen die heilige, glückselige Schar, die sie verachtet haben, jetzt mit Herrlichkeit, Ehre, Unsterblichkeit und ewigem Leben bekleidet, während sie sich außerhalb der Stadt mit allem Gemeinen und Greulichen befinden. FS 280.2