Auf den Spuren des großen Arztes

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Die Armenviertel der Großstädte

In unseren Großstädten leben viele Menschen, die weniger Fürsorge und Rücksichtnahme erfahren als unsere vierbeinigen Hausgenossen. Denken wir an die Familien, die in elenden Behausungen — vielfach in dunklen Kellern, die von Feuchtigkeit triefen und von Schmutz starren — zusammengepfercht leben müssen. An solch elenden Plätzen werden Kinder geboren, wachsen auf und sterben. Von den Naturschönheiten, die Gott geschaffen hat, um die Sinne zu erfreuen und die Seele zu erheben, nehmen sie kaum etwas wahr. Unzureichend bekleidet und halb verhungert, leben sie inmitten von Verbrechen und Verderben; ihr Charakter wird vom Elend und der Sünde geprägt, die sie umgeben. SGA 146.9

Den Namen Gottes lernen sie nur in respektloser Weise kennen. Sie bekommen laufend übles Geschwätz, Verwünschungen und Beschimpfungen zu hören. Der Gestank von Alkoholika und Tabak, andere widerliche Gerüche und moralische Verwahrlosung verderben ihre Sinne. Damit wird in vielen die Grundlage geschaffen, kriminell zu werden, zu Feinden der Gesellschaft, die sie diesem Elend und dieser Erniedrigung überlassen hat. SGA 147.1

Doch nicht alle Armen in solchen Stadtvierteln zählen zu dieser Gruppe. Gottesfürchtige Männer und Frauen geraten aufgrund von Krankheit oder Unglück in schlimmste Armut, oft infolge der unaufrichtigen Machenschaften jener, die vom Betrug an ihren Mitmenschen leben. Viele Aufrichtige und Gutmütige verarmen, weil ihnen eine solide handwerkliche Ausbildung fehlt. In ihrer Unwissenheit sind sie nicht in der Lage, gegen die Schwierigkeiten, die das Leben mit sich bringt anzukämpfen. Sie kommen in die Städte, können dort aber oft keine Anstellung finden. Um sich herum sehen und hören sie nur das Laster und sind üblen Versuchungen ausgesetzt. Mit lasterhaften und heruntergekommenen Menschen zusammengepfercht und ihnen oft auch sozial gleichgestellt, gelingt es nur durch fast übermenschliche Anstrengungen und eine ebensolche Kraft, sie vor dem Versinken in denselben Tiefen zu bewahren. Viele bleiben unbeirrbar anständig, wählen lieber das Leid, als daß sie sündigten. Diese Menschengruppe benötigt vor allem unsere Hilfe, Mitgefühl und Ermutigung. SGA 147.2

Wenn diese Armen, die nun in den Städten zusammengedrängt werden, Heime auf dem Lande finden könnten, wären sie nicht nur imstande, ihren Lebensunterhalt zu verdienen, sondern auch Gesundheit und Glück zu finden — das sie nun kaum noch kennen. Harte Arbeit, einfache Nahrung, strenge Sparsamkeit und oft auch Schwierigkeiten und Entbehrungen würden hier zwar ihr Leben bestimmen. Aber wie sehr wären sie damit gesegnet, wenn sie die Stadt mit ihren Verlockungen zum Bösen, ihrer Rastlosigkeit und Kriminalität, ihrer Armut und Verwahrlosung verlassen und statt dessen auf dem Lande wohnen könnten, wo das Leben meist ruhig, friedlich und in geordneten Bahnen verläuft. SGA 147.3

Vielen Stadtbewohnern, die keinen Fußbreit Grünland besitzen, deren Blicke jahrein, jahraus nur auf schmutzige Hinterhöfe und enge Gassen, auf Beton- und Steinmauern gerichtet sind und die in einen staub- und rauchverhangenen Himmel schauen, würden es fast wie paradiesisch empfinden, wenn sie wieder in einem ländlichen Gebiet leben könnten, wo sie von grünen Feldern, Wäldern, Hügeln und Bächen, einem klaren Himmel und frischer, reiner Luft umgeben wären. SGA 148.1

Größtenteils von schlechter Gesellschaft und aus der Abhängigkeit von Menschen befreit und von den gesundheitsschädlichen Lebensgewohnheiten und aller Hektik entfernt, würden sie dann wieder mehr die Schönheiten der Schöpfung wahrnehmen. Hier würden sie wieder die Gegenwart Gottes und ihre Abhängigkeit von ihm erkennen. Durch die Natur würde seine Stimme zu ihren Herzen reden von seinem Frieden und seiner Liebe, und Geist, Seele und Körper wären hier für diese heilsame, lebenspendende Macht empfänglich. SGA 148.2

Sehr viele benötigen, bevor sie sich selbst um ihren Lebensunterhalt kümmern können, zunächst Beistand, Ermutigung und Anleitung. Es gibt zahllose Familien, für die es der wichtigste missionarische Dienst wäre, ihnen bei der Ansiedlung auf dem Lande zu helfen und ihnen zu zeigen, wie sie in der Landwirtschaft ihren Lebensunterhalt verdienen können. SGA 148.3

Die Notwendigkeit solcher Hilfe und Anleitung ist aber nicht nur auf Städter begrenzt; auch auf dem Lande sind — trotz all der hiesigen Möglichkeiten zu einem besseren Leben — unzählige Arme in großen Schwierigkeiten. Ganzen dörflichen Gemeinden fehlt es an handwerklichen und gesundheitsberuflichen Ausbildungseinrichtungen. Familien leben in Hütten mit mangelhafter Einrichtung, ohne ausreichende Bekleidung, ohne geeignetes Werkzeug, ohne Bücher, ohne jede Annehmlichkeit oder Behaglichkeit und ohne geeignete Bildungsmöglichkeiten. Gedanklich abgestumpfte Seelen sowie geschwächte und kränkliche Körper offenbaren die Auswirkungen schlechten Erbgutes und falscher Lebensgewohnheiten. Diese Menschen müssen von Grund auf ausgebildet werden. Sie haben bisher ein hilfloses, unproduktives und verwahrlostes Leben geführt und müssen deshalb erst zu guten Gewohnheiten erzogen werden. SGA 148.4

Wie kann man sie zu der Einsicht führen, daß es nötig ist, ihre Lebensweise zu verbessern? Wie hilft man ihnen, ein höheres Lebensideal anzustreben? Wie kann man ihnen zu einer besseren Lebensqualität verhelfen? Was kann dort getan werden, wo Armut regiert und man ihr auf Schritt und Tritt begegnet? Diese Aufgabe ist sicher schwierig. Die notwendige Lebensreform wird nie gelingen, es sei denn, Männer und Frauen werden dabei von einer Macht unterstützt, die von außen kommt. Es ist Gottes Absicht, daß die Reichen und die Armen durch Mitgefühl und Hilfsbereitschaft miteinander verbunden werden. Wer also Mittel, Begabungen und Fähigkeiten hat, sollte diese Möglichkeiten zum Segen seiner Mitmenschen einsetzen. SGA 149.1

Christliche Landwirte können echte Missionsarbeit leisten, indem sie Armen dabei helfen, Heime auf dem Lande zu finden, und ihnen die notwendigen Kenntnisse der Landbewirtschaftung vermitteln. Lehrt sie die Geräte richtig einzusetzen, die verschiedenen Getreidearten anzupflanzen und Obstplantagen anzulegen und zu pflegen. SGA 149.2

Viele Landwirte erzielen keine angemessenen Erträge, weil ihnen die entsprechenden Kenntnisse fehlen. Sie pflegen ihre Obstplantagen nicht richtig, das Getreide wird nicht rechtzeitig eingebracht, und auch um eine gute Bodenqualität bemüht man sich nur halbherzig. Sie führen ihren Mißerfolg einfach auf eine zu geringe Fruchtbarkeit des Bodens zurück. Man verkennt die Güte des Bodens, wenn man landwirtschaftliche Flächen geringschätzt, die bei kundiger Bearbeitung reichen Ertrag brächten. Die beschränkten Arbeitspläne, die geringe investierte Kraft und die unzureichende Kenntnis der besten Methoden rufen laut nach einer Reform. SGA 149.3

Alle Lernwilligen sollten deshalb in zeitgemäßen Landbaumethoden unterrichtet werden. Laßt denjenigen, die sich nur schwer an neue Methoden gewöhnen, die Instruktionen indirekt zukommen. Bebaut euer eigenes Land entsprechend diesen Kenntnissen vorbildlich. Laßt dann, wenn möglich, ein paar Worte gegenüber eurem Nachbarn fallen, und im übrigen möge der Ernte-Erfolg selbst für die richtigen Methoden sprechen. Demonstriert also, was aus dem Boden werden kann, wenn er richtig bearbeitet wird. SGA 150.1

Auch der Einrichtung verschiedener Handwerksbetriebe sollte Aufmerksamkeit gewidmet werden, so daß arme Familien Arbeit finden können. Tischler und Schlosser, ja, jeder, der irgendeine nützliche Arbeit tun kann, sollte sich dafür verantwortlich fühlen, die Ungelernten und Arbeitslosen auszubilden und zu unterstützen. SGA 150.2

Der Dienst an den Armen bildet ein breites Tätigkeitsfeld für Frauen wie Männer. Der tüchtige Koch, die Haushälterin, die Näherin, die Krankenschwester — ihrer aller Hilfe wird gebraucht. Den Mitgliedern armer Familien soll beigebracht werden, wie man kocht, wie man Kleidung selbst schneidert und instand hält, Kranke versorgt und den Haushalt richtig führt. Und alle heranwachsenden Jungen und Mädchen sollten sorgfältig in einem nützlichen Beruf ausgebildet werden. SGA 150.3