Auf den Spuren des großen Arztes

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Er offenbarte seine Herrlichkeit und seine Jünger glaubten an ihn

Johannes der Täufer, der im Gefängnis des Herodes lag, war hinsichtlich Jesu Werk enttäuscht und verunsichert. Doch er blieb aufmerksam und erwartungsvoll und schickte zwei seiner Jünger mit der Frage zu Jesus: “Bist du es, der da kommen soll, oder sollen wir auf einen andern warten?” Matthäus 11,3. SGA 22.1

Der Heiland antwortete nicht sofort auf diese Frage. Während sie nun so dastanden und sich über sein Schweigen wunderten, kamen die Leidtragenden zu ihm. Da durchdrang die machtvolle Stimme Jesu die Ohren der Gehörlosen. Da öffnete ein Wort, eine Berührung seiner Hand die Augen der Blinden, die nun das Tageslicht, die Schönheit der Natur, die Gesichter von Freunden und das des Erlösers sehen konnten. SGA 22.2

Seine Stimme erreichte die Ohren Sterbender, die daraufhin gesund und gekräftigt aufstehen konnten. Gebannte Dämonen gehorchten seinem Wort. Die Besessenen wurden frei und beteten Jesus an. Die armen und einfachen Leute, die von den Rabbinern als Unreine gemieden wurden, versammelten sich um ihn, der ihnen Worte des ewigen Lebens sagte. SGA 22.3

So verlief der Tag — und die Jünger des Johannes sahen und hörten das alles. Schließlich rief Jesus sie zu sich und bat sie, zu Johannes zu gehen und ihm zu erzählen, was sie miterlebt hatten; dann fügte er an: “Selig ist, wer sich nicht an mir ärgert.” Matthäus 11,6. Die Jünger überbrachten diese Botschaft — und sie genügte Johannes. SGA 22.4

Der Täufer erinnerte sich jetzt an die entsprechenden Prophezeiungen über den Messias, zum Beispiel an diese: “Der Geist Gottes des Herrn ist auf mir, weil der Herr mich gesalbt hat. Er hat mich gesandt, den Elenden gute Botschaft zu bringen, die zerbrochenen Herzen zu verbinden, zu verkündigen den Gefangenen die Freiheit, den Gebundenen, daß sie frei und ledig sein sollen; zu verkündigen ein gnädiges Jahr des Herrn (...), zu trösten alle Trauernden.” Jesaja 61,1.2. Dieser Verheißene war Jesus von Nazareth! Der Beweis seiner Göttlichkeit lag darin, daß er mit Macht den Nöten der leidenden Menschheit abhalf; seine Herrlichkeit zeigte sich gerade dadurch, daß er freiwillig unsere gefallene menschliche Natur annahm. SGA 22.5

Christi Werke wiesen ihn nicht nur als den Messias aus, sondern zeigten auch, in welcher Form sein Reich auf dieser Welt entstehen sollte. Johannes ist dieselbe Wahrheit offenbart worden wie Elia am Berg Horeb, als “ein großer, starker Wind, der die Berge zerriß und die Felsen zerbrach, vor dem Herrn her kam; der Herr aber war nicht im Winde. Nach dem Wind aber kam ein Erdbeben; aber der Herr war nicht im Erdbeben. Und nach dem Erdbeben kam ein Feuer; aber der Herr war nicht im Feuer.” Nach dem Feuer aber sprach Gott zu dem Propheten in “einem stillen, sanften Sausen”. 1.Könige 19,11.12. So tat auch Jesus sein Werk — nicht unter Umsturz politischer Verhältnisse, nicht durch Schauwunder und Effekthascherei, sondern indem er durch ein Leben der Barmherzigkeit und Selbstaufopferung die Gemüter der Menschen ansprach. SGA 23.1

Das Reich Gottes kommt also nicht mit dem Herausstellen von Äußerlichkeiten; es kommt durch die stille Eingebung seines Wortes, durch das Wirken seines Geistes in unserem Innern, durch die Gemeinschaft der Seele mit ihm, der ja ihr Leben ist. Die größte Offenbarung seiner Macht zeigt sich, wenn die menschliche Natur die Vollkommenheit des Charakters Jesu erreicht. SGA 23.2

Die Nachfolger Christi sollen das Licht dieser Welt sein; aber Gott erwartet nicht, daß sie aus eigener Kraft leuchten. Er unterstützt kein auf Selbstverwirklichung bedachtes Streben, nicht das Ziel, die eigene Perfektion herauszustellen. Vielmehr wünscht er, daß ihre Herzen von den Grundsätzen des Himmels erfüllt werden; dann werden sie, wo immer sie mit Menschen in Berührung kommen, dieses Licht weitergeben. Ihre unbedingte Treue in jeder Lebenslage wird so einen leuchtenden Hinweis auf Gott darstellen. SGA 23.3

Reichtum oder eine hohe gesellschaftliche Stellung, kostspielige Architektur und Ausstattung sind für den Fortschritt des Werkes Gottes nicht wesentlich, ebensowenig Errungenschaften, die den Beifall der Welt auf sich lenken und zu Eitelkeit führen. Sensationelle Darstellungen — und mögen sie auch noch so grandios wirken — sind in Gottes Augen wertlos. Über dem Sichtbaren und Vergänglichen rangiert bei ihm das Unsichtbare und Ewige. Das Erstere hat nur insoweit Wert, wie es dem Letzteren dient. So kann man auch die erlesensten Werke der Kunst nicht mit der Schönheit vergleichen, die das Wirken des Heiligen Geistes im Charakter eines Menschen hervorbringt. SGA 23.4

Als Gott seinen Sohn in die Welt sandte, vertraute er den Menschen unvergängliche Reichtümer an — Reichtümer, zu denen im Vergleich alle seit Beginn der Welt gehorteten Schätze der Menschen ein Nichts sind. Christus kam auf diese Erde und machte die seit Ewigkeiten wirkende Liebe Gottes vor den Menschen sichtbar. Das ist der Schatz, den wir durch unsere Verbindung mit ihm empfangen und weitergeben sollen. SGA 24.1

Menschliche Anstrengungen werden im Werk Gottes nur in dem Maße wirksam, wie sich der Mitarbeiter hingebungsvoll in den Dienst Gottes stellt und es der Gnade Christi gestattet, sein Leben umzuwandeln. Wir unterscheiden uns von der Welt, weil Gott uns sein Siegel aufgeprägt hat, weil er in uns sein liebendes Wesen darstellt. Unser Erlöser bekleidet uns mit seiner Gerechtigkeit. SGA 24.2

Wenn Gott Männer und Frauen in seinen Dienst ruft, fragt er zuvor nicht danach, ob sie weltlichen Reichtum, hohe Bildung oder rhetorisches Talent besitzen. Er fragt ganz anders: “Sind sie demütig genug, daß ich ihnen meinen Weg zeigen kann? Kann ich sie meine Worte sprechen lassen? Werden sie mich darstellen?” SGA 24.3

Gott kann uns genau in dem Ausmaß gebrauchen, in dem wir das Wirken seines Geistes in uns zulassen. Das Ziel ist, vor den Menschen Gottes Bild darzustellen. Seine Nachfolger sollen als ihre Beglaubigung vor der Welt die unvergänglichen Merkmale des göttlichen Wesens aufweisen. SGA 24.4