Auf den Spuren des großen Arztes

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“Er wird die Lämmer in seinem Arm sammeln”

Als Jesus in den Ortschaften Judäas unterwegs war, drängten sich Mütter mit ihren kranken und sterbenden Kindern durch die Menge, immer darauf aus, nah genug an ihn heranzukommen, damit er ihnen helfen konnte. SGA 24.5

Stellen wir uns diese Mütter vor: blaß, abgespannt, fast verzweifelnd — aber dennoch entschlossen und beharrlich. Beladen mit Leid suchen sie den Heiland auf. Manchmal, wenn sie von der wogenden Menge weggedrängt werden, bahnt sich Jesus selbst Schritt für Schritt einen Weg zu ihnen, bis er sie erreicht. Hoffnung kommt in ihren Herzen auf. Und Freudentränen fließen, als er sich ihnen schließlich zuwendet und sie in seine Augen sehen können, die so viel Mitleid und Liebe ausdrücken. SGA 24.6

Der Heiland geht nun auf eine Frau in dieser Gruppe besonders ein; er weckt ihr Vertrauen, indem er zu ihr sagt: “Was soll ich für dich tun?” Sie hat nur einen inständigen Wunsch: “Meister, bitte mach mein Kind gesund!” Jesus nimmt das Kleine aus ihren Armen — und die Krankheit verschwindet mit seiner Berührung. Keine Todesblässe mehr, das lebenspendende Blut fließt kräftig durch die Adern, die Muskulatur erstarkt. Zudem hört die Mutter Worte des Trostes und Friedens; dann aber ist auch schon der nächste Fall — ein ebenso dringender — an der Reihe. Wieder übt Jesus seine lebenspendende Macht aus, und alle preisen und ehren ihn, der solche wunderbare Taten vollbringt. SGA 25.1

Wir befassen uns gern mit dem Großartigen in Jesu Leben. Wir sprechen am liebsten von den Wundern, die er getan hat, von seinen übernatürlichen Handlungen. Aber daß er sich auch mit scheinbar nebensächlichen Dingen beschäftigt hat, ist sogar ein noch überzeugenderer Beweis seiner Größe. Sehen wir uns folgenden Bericht an: SGA 25.2

Es war jüdischer Brauch, die Kinder zu einem Rabbiner zu bringen, damit er seine Hände segnend auf sie lege; aber Jesu Jünger hielten das Werk des Heilands für zu wichtig, um es deswegen zu unterbrechen. Wenn also Mütter mit dem Wunsch kamen, Jesus möge ihre Kinder segnen, fuhren die Jünger sie unwillig an. Sie hielten diese Kinder für zu jung, als daß sie einen Gewinn von dieser Segnung haben könnten. Sie meinten, Jesus wäre über deren Gegenwart gar nicht erfreut. Aber der Heiland verstand die Sorge und Last der Mütter, die ihre Kinder entschieden gemäß dem Wort Gottes erziehen wollten. Er hatte ihre Gebete erhört. Er selbst hatte sie in seine Gegenwart gezogen. SGA 25.3

Das kam so: Eine Mutter ging mit ihrem Kind aus dem Haus, um Jesus aufzusuchen. Unterwegs erzählte sie einer Nachbarin von ihrem Vorhaben. Da wünschte auch diese den Segen Jesu für ihre Kinder. So kamen schließlich eine ganze Reihe von Müttern mit ihren — zum Teil auch schon älteren — Kindern zu Jesus. Als nun die Mütter ihren Wunsch vortrugen, vernahm Jesus voller Mitgefühl die ängstliche, besorgte Bitte. Aber er wartete noch, um zu sehen, wie seine Jünger reagieren würden. SGA 25.4

Als er nun mitbekam, wie die Jünger sie tadelten und — in der Meinung, ihm damit einen Gefallen zu tun — sie wegschicken wollten, zeigte er ihnen ihren Irrtum und sagte: “Laßt die Kinder zu mir kommen und wehret ihnen nicht; denn solchen gehört das Reich Gottes.” Markus 10,14. Dann nahm er die Kinder in die Arme, legte seine Hände auf sie und gab ihnen den Segen, wegen dem sie gekommen waren. SGA 26.1

Nun waren die Mütter getröstet; von Jesu Worten gestärkt und gesegnet gingen sie nach Hause. Sie hatten jetzt wieder den Mut, ihre Last mit neuer Freudigkeit auf sich zu nehmen und voller Hoffnung für ihre Kinder zu arbeiten. SGA 26.2

Wenn wir das weitere Leben dieser kleinen Gruppe beobachten könnten, sähen wir, wie die Mütter ihren Kindern das Ereignis jenes Tages ins Gedächtnis zurückriefen und ihnen oft die liebevollen Worte des Heilands wiederholten. Wir würden feststellen, wie die Erinnerung an diese Worte die Kinder in späteren Jahren oftmals davor bewahrte, von dem Weg abzukommen, den Gott für sie vorgesehen hatte. SGA 26.3

Christus ist heute derselbe mitfühlende Heiland wie während seines Erdenlebens. Er möchte den Müttern heute genauso helfen wie damals in Judäa, als er die Kinder in seine Arme nahm. Unsere Kinder, die uns am Herzen liegen, sind genauso mit seinem Blut erkauft wie die Kinder damals. SGA 26.4

Jesus kennt die Last jeder Mutter. Er, der eine Mutter hatte, die mit Armut und Entbehrungen kämpfte, hat Mitgefühl mit jeder Mutter in ihren Mühen. Er, der einen weiten Weg zurücklegte, um das ängstliche Herz einer Kanaaniterin zu erleichtern, wird für heutige Mütter genausoviel tun. Er, der der Witwe von Nain ihren einzigen Sohn zurückgab, der sich noch in den Todesqualen am Kreuz an seine eigene Mutter erinnerte, wird auch heute vom Leid der Mütter angerührt. In jedem Kummer und jeder Not wird er trösten und helfen. SGA 26.5

Laßt Mütter zu Jesus kommen, wenn sie ratlos sind; bei ihm werden sie genügend Gnade finden, ihnen in der Sorge um ihre Kinder zu helfen. Die Tür steht für jede Mutter offen, die ihre Lasten dem Heiland zu Füßen legen möchte. Er, der gesagt hat: “Laßt die Kinder zu mir kommen und wehret ihnen nicht” (Markus 10,14), lädt auch heute noch Mütter ein, ihre Kinder zu ihm zu bringen, um sie segnen zu lassen. SGA 27.1

Jesus sah in den Kindern, die zu ihm gebracht wurden, Männer und Frauen, Erben seiner Gnade und Bürger seines Reichs. Einige von ihnen würden um seinetwillen Märtyrer werden. Er wußte, daß diese Kinder ihm weitaus bereitwilliger zuhören und ihn als ihren Erlöser annehmen würden als Erwachsene, von denen viele mit Vorurteilen belastet und hartherzig waren. Wenn er lehrte, tat er das auf ihrer Verständnisebene. Er, die Majestät des Himmels, gab ihnen Antwort auf ihre Fragen und vereinfachte seine wichtigen Lehren ihrem kindlichen Verständnis entsprechend. Er pflanzte die Saat der Wahrheit in ihre Seelen, die in späteren Jahren aufgehen und Frucht für das ewige Leben tragen würde. SGA 27.2

Als Jesus den Jüngern gebot, den Kindern nicht zu verwehren, zu ihm zu kommen, sprach er zugleich zu seinen Nachfolgern aller Zeiten — zu Amtsträgern in den Gemeinden, Predigern, Helfern, zu allen Christen. Jesus ist es, der die Kinder zu sich zieht, und er bittet uns: “Laßt sie zu mir kommen”, als wollte er sagen: “Sie werden kommen, wenn ihr sie nicht daran hindert.” SGA 27.3

Achte darauf, daß dein Charakter Christus nicht falsch darstellt. Halte mit deiner gleichgültigen und harten Wesensart die Kinder nicht von Jesus ab. Gib ihnen nie Anlaß zu der Annahme, der Himmel sei für sie kein angenehmer Ort, wenn du auch dort bist. Sprich von Religion nicht als etwas, das Kinder noch nicht verstehen können; handle auch nicht so, als ob gar nicht erwartet wird, daß sie sich schon in ihrer Kindheit für Christus entscheiden. Vermittle ihnen nicht den falschen Eindruck, daß die Religion von Christus etwas Düsteres sei, daß zum Heiland zu kommen bedeutet, auf alles verzichten zu müssen, was das Leben schön macht. SGA 27.4

Wenn der Heilige Geist die Herzen der Kinder beeinflußt, dann unterstützt sein Werk. Lehrt sie, daß der Heiland auch Kinder ruft und daß ihm nichts größere Freude bereiten kann, als wenn sie sich — zu ihrem Besten — ihm schon in jungen Jahren übergeben. SGA 27.5