Für die Gemeinde geschrieben — Band 1

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Kapitel 32: Die Gerechtigkeit Christi im Gesetz*

Die größten Schwierigkeiten, denen Paulus begegnete, kamen von judaisierenden Lehrern. Sie machten ihm viel Mühe, weil sie in der Gemeinde in Korinth Streitereien anzettelten. Sie kehrten ständig heraus, wie wertvoll die vom Gesetz geforderten Zeremonien seien, überhöhten diese Zeremonien über das Evangelium Christi und verdammten Paulus, weil er von den Neubekehrten nicht deren strenge Einhaltung verlangte. FG1 250.1

Paulus schlug sie mit ihren eigenen Waffen: “Wenn aber schon das Amt, das den Tod bringt und das mit Buchstaben in Stein gehauen war, Herrlichkeit hatte, so daß die Israeliten das Angesicht des Mose nicht ansehen konnten wegen der Herrlichkeit auf seinem Angesicht, die doch aufhörte, wie sollte nicht viel mehr das Amt, das den Geist gibt, Herrlichkeit haben? Denn wenn das Amt, das zur Verdammnis führt, Herrlichkeit hatte, wieviel mehr hat das Amt, das zur Gerechtigkeit führt, überschwengliche Herrlichkeit.” 2.Korinther 3,7-9. FG1 250.2

Das Gesetz Gottes, in ehrfurchtsgebietender Erhabenheit am Sinai verkündet, bedeutete das Verdammungsurteil für den Sünder. Das Gesetz hat die Aufgabe zu verdammen; es enthält jedoch keinerlei Macht zu vergeben oder zu erlösen. Es soll dem Leben dienen; wer immer in Übereinstimmung mit seinen Regeln lebt, wird den Lohn des Gehorsams erhalten. Es bringt jedoch all jenen Unfreiheit und Tod, die seiner Verdammnis ausgeliefert bleiben. FG1 250.3

Wie heilig und herrlich das Gesetz ist, macht das Folgende deutlich: Als Mose vom heiligen Berg zurückkehrte, wo er mit Gott zusammengewesen war und aus dessen Hand die Steintafeln erhalten hatte, strahlte sein Gesicht solch eine Herrlichkeit aus, daß das Volk sie nicht ertragen konnte. Man bat Mose, sein Gesicht mit einem Schleier zu bedecken. FG1 250.4

Die Herrlichkeit, die von Moses Gesicht ausstrahlte, war ein Widerschein der Gerechtigkeit Christi im Gesetz. Das Gesetz an sich besitzt keine Herrlichkeit außer der, daß in ihm Christus verkörpert wird. Es hat keine Macht zu erlösen. Es ist ohne Glanz, außer dem, daß in ihm Christus als voller Gerechtigkeit und Wahrheit dargestellt wird. FG1 251.1

Die Gleichnisse und Sinnbilder des Opferdienstes in Verbindung mit den Prophezeiungen gaben den Israeliten einen verhüllten, ungenauen Eindruck von dem Erbarmen und der Gnade, die durch Christus auf dieser Welt offenbart werden sollte. Mose wurde die Bedeutung der Gleichnisse und Sinnbilder erklärt, die auf Christus hinwiesen. Er sah, was am Ende abgelöst werden mußte, als, beim Tode Christi, das Gleichnis auf das Original traf. Er erkannte, daß der Mensch nur durch Christus das Sittengesetz halten kann. Mit der Übertretung dieses Gesetzes brachten die Menschen die Sünde in die Welt, und die Sünde zog den Tod nach sich. In Christus wurde die Sünde der Menschen gesühnt. Er bot seinen vollkommenen Charakter an Stelle der Sündhaftigkeit des Menschen. Er nahm den Fluch des Ungehorsams auf sich. Die Schuld- und Sündopfer deuteten auf das Opfer Christi hin. Das erschlagene Lamm war ein Symbol des Lammes, das die Sünden der Welt auf sich nehmen sollte. FG1 251.2

Mose sah den Sinn hinter all dem, was abgetan werden mußte; er sah im Gesetz Christus offenbart, und das erleuchtete sein Antlitz. Der Dienst, den das in Stein eingeschriebene und eingravierte Gesetz leistete, war ein Dienst zum Tode. Ohne Christus blieb der Gesetzesübertreter seinem Fluch unterworfen ohne Hoffnung auf Vergebung. Der Dienst an sich besaß keine Herrlichkeit. Allein der versprochene Erlöser, der in den Gleichnissen und Sinnbildern des Zeremonialgesetzes offenbart wurde, verherrlichte das Sittengesetz. FG1 251.3

Paulus wünschte seinen Glaubensgeschwistern die Erkenntnis, daß erst die Herrlichkeit eines sündenvergebenden Erlösers der gesamten jüdischen Heilsordnung Bedeutung verleiht. Er wünschte ihnen auch die Erkenntnis, daß das Gleichnis auf das Original traf, als Christus auf diese Welt kam und als Schuldopfer für die Menschen starb. FG1 251.4

Nachdem Christus als Sündopfer am Kreuz gestorben war, konnte das Zeremonialgesetz keine Macht mehr ausüben. Und doch war es mit dem Sittengesetz verbunden und voller Schönheit. Das Ganze trug den Stempel der Göttlichkeit und war Ausdruck der Heiligkeit und Gerechtigkeit Gottes. Wenn schon der Dienst dieser Heilsordnung, die abgeschafft werden sollte, herrlich war, wieviel herrlicher muß dann die Wirklichkeit sein, als Christus offenbart wurde und jenen, die an ihn glaubten, seinen lebenschenkenden, heiligenden Geist gab? FG1 252.1

Die Verkündigung der Zehn Gebote war eine großartige Veranschaulichung der Herrlichkeit und Majestät Gottes. Welchen Eindruck hat diese Offenbarung der Macht auf das Volk gehabt? Sie fürchteten sich. “Alles Volk wurde Zeuge von dem Donner und Blitz und dem Ton der Posaune und dem Rauchen des Berges. Als sie aber solches sahen, flohen sie und blieben in der Ferne stehen und sprachen zu Mose: Rede du mit uns, wir wollen hören, aber laß Gott nicht mit uns reden, wir könnten sonst sterben.” 2.Mose 20,18.19. Sie wünschten sich Mose als Mittler. Sie verstanden nicht, daß Christus ihr berufener Mittler war und daß sie ohne seine Vermittlung ganz sicher gestorben wären. FG1 252.2

“Mose aber sprach zum Volk: Fürchtet euch nicht, denn Gott ist gekommen, euch zu versuchen, damit ihr’s vor Augen habt, wie er zu fürchten sei, und ihr nicht sündigt. So stand das Volk von ferne, aber Mose nahte sich dem Dunkel, darinnen Gott war.” 2.Mose 20,20.21. FG1 252.3

Die Vergebung der Sünden, die Rechtfertigung durch den Glauben an Jesus Christus, den Zugang zu Gott allein durch einen Mittler, weil sie verloren, schuldig und sündig waren von all diesen Wahrheiten hatte das Volk nur eine geringe Vorstellung. Sie hatten weitgehend das Wissen über Gott und über den einzigen Weg, sich ihm zu nähern, verloren. Sie verstanden kaum, was die Sünde ausmacht und was Gerechtigkeit bedeutet. Die Vergebung der Sünden durch Christus, den prophezeiten Messias, den ihre Opfer symbolisierten, war ihnen unklar. FG1 252.4

Paulus stellte fest: “Weil wir nun solche Hoffnung haben, sind wir voll großer Zuversicht und tun nicht wie Mose, der eine Decke vor sein Angesicht hängte, damit die Israeliten nicht sehen konnten das Ende der Herrlichkeit, die aufhört. Aber ihre Sinne wurden verstockt. Denn bis auf den heutigen Tag bleibt diese Decke unaufgedeckt über dem Alten Testament, wenn sie es lesen, weil sie nur in Christus abgetan wird. Aber bis auf den heutigen Tag, wenn Mose gelesen wird, hängt die Decke vor ihrem Herzen. Wenn Israel aber sich bekehrt zu dem Herrn, so wird die Decke abgetan.” 2.Korinther 3,12-16. FG1 252.5

Die Juden lehnten es ab, Christus als Messias anzunehmen. Sie erkennen aber nicht, daß ihre Zeremonien bedeutungslos sind und ihre Schuld- und Sündopfer ihren Sinn verloren haben. Der Schleier, den sie sich selbst in halsstarrigem Unglauben vorgezogen haben, umhüllt noch immer ihren Verstand. Dieser Schleier würde weggezogen, wenn sie Christus, die Gerechtigkeit des Gesetzes, akzeptierten. FG1 253.1

Viele Menschen der christlichen Welt haben gleichfalls einen Schleier vor ihren Augen und Herzen. Sie erkennen nicht völlig, was überflüssig wurde. Sie sehen nicht, daß nur das Zeremonialgesetz durch den Tod Christi aufgehoben wurde. Sie behaupten, das Sittengesetz sei ans Kreuz genagelt worden. Der Schleier, der ihr Verständnis verdunkelt, wiegt schwer. Die Herzen vieler befinden sich im Krieg gegen Gott. Sie sind nicht seinem Gesetz untertan. Nur wenn sie zur Übereinstimmung mit den Regeln seiner Herrschaft kommen, kann Christus für sie von Nutzen sein. Sie mögen von Christus als ihrem Erlöser sprechen, doch letztlich wird er zu ihnen sagen: Nein, ich kenne euch nicht. Ihr habt keine wirkliche Reue gegenüber Gott für die Übertretung seines Gesetzes gezeigt, und ihr könnt kein echtes Vertrauen in mich haben; denn es war meine Aufgabe, das Gesetz Gottes zu verherrlichen. FG1 253.2

Eine Beschreibung des Charakters Christi

Paulus stellte weder das Sitten- noch das Zeremonialgesetz so dar, wie es Prediger in unserer Zeit zu tun wagen. Manche hegen eine solche Abneigung gegen das Gesetz Gottes, daß sie sich besondere Mühe geben, es zu kritisieren und anzuprangern. Auf diese Weise schätzen sie die Majestät und Herrlichkeit Gottes gering und strafen sie mit Verachtung. FG1 253.3

Das Sittengesetz war niemals ein Gleichnis oder Sinnbild. Es existierte schon vor Schaffung des Menschen und wird so lange bestehen bleiben, wie Gottes Thron steht. Gott konnte nicht eine Vorschrift seines Gesetzes ändern, um den Menschen zu retten; denn das Gesetz ist die Grundlage seiner Herrschaft. Es ist unveränderlich, unermeßlich und ewig. Damit der Mensch gerettet werden konnte und zugleich die Hochachtung vor dem Gesetz erhalten blieb, war es nötig, daß sich der Sohn Gottes als Schuldopfer für die Sünden anbot. Er, der keine Sünde kannte, wurde für uns zur Sünde. Er starb für uns auf Golgatha. Sein Tod beweist die Liebe Gottes zu den Menschen und gleichzeitig die Unveränderbarkeit seines Gesetzes. FG1 254.1

In der Bergpredigt stellte Christus ausdrücklich fest: “Ihr sollt nicht meinen, daß ich gekommen bin, das Gesetz oder die Propheten aufzulösen; ich bin nicht gekommen aufzulösen, sondern zu erfüllen. Denn wahrlich, ich sage euch: Bis Himmel und Erde vergehen, wird nicht vergehen der kleinste Buchstabe noch ein Tüpfelchen vom Gesetz, bis es alles geschieht.” Matthäus 5,17.18. FG1 254.2

Christus ertrug den Fluch des Gesetzes, er erduldete die Strafe und brachte den Plan zum Abschluß, durch den die Menschen in die Lage versetzt wurden, Gottes Gesetz zu halten und durch die Verdienste des Erlösers angenommen zu werden; durch sein Opfer wurde zugleich das Gesetz verherrlicht. Dann konnten diejenigen, die verstanden, was abgetan worden war, die Herrlichkeit dessen sehen, was nicht abgeschafft werden kann: Gottes Gesetz der Zehn Gebote, sein Maßstab der Gerechtigkeit. FG1 254.3

“Nun aber schauen wir alle mit aufgedecktem Angesicht die Herrlichkeit des Herrn wie in einem Spiegel, und wir werden verklärt in sein Bild von einer Herrlichkeit zur andern vor dem Herrn, der der Geist ist.” 2.Korinther 3,18. Christus ist der Anwalt der Sünder. Alle, die sein Evangelium annehmen, sehen ihn mit unverhülltem Gesicht. Sie sehen den Zusammenhang von seiner Sendung und dem Gesetz, und sie erkennen die Weisheit und Herrlichkeit Gottes, wie sie im Erlöser offenbart wird. Die Herrlichkeit Christi wird im Gesetz sichtbar; es ist eine Umschreibung seines Charakters. Und seine umwandelnde Kraft wird in der Seele spürbar, bis die Menschen ihm gleich werden. Sie werden Teilhaber an der göttlichen Natur und werden ihrem Erlöser immer ähnlicher, indem sie mehr und mehr mit dem Willen Gottes übereinstimmen, bis sie Vollkommenheit erreichen. FG1 254.4

Das Gesetz und das Evangelium stehen völlig in Einklang. Eines unterstützt das andere. Mit Vollmacht redet uns das Gesetz ins Gewissen, so daß der Sünder spürt, daß er Christus zur Versöhnung seiner Sünden braucht. Das Evangelium anerkennt die Macht und Unveränderlichkeit des Gesetzes. Bei Paulus heißt es: “Aber die Sünde erkannte ich nicht außer durchs Gesetz.” Römer 7,7. Das vom Gesetz hervorgerufene Bewußtsein der Sünde treibt den Sünder zum Erlöser. In seiner Not kann er auf das mächtige Argument verweisen, das das Kreuz von Golgatha für ihn bedeutet. Er kann die Gerechtigkeit Christi in Anspruch nehmen; denn sie wird jedem reuigen Sünder zuteil. Gott hat versprochen: “Wer zu mir kommt, den werde ich nicht hinausstoßen.” Johannes 6,37. “Wenn wir aber unsere Sünden bekennen, so ist er treu und gerecht, daß er uns die Sünden vergibt und reinigt uns von aller Ungerechtigkeit.” 1.Johannes 1,9. FG1 255.1

MENSCHWERDUNG — DAS WESEN CHRISTI