Propheten und Könige
Kapitel 37: Gefangen nach Babel
“Im neunten Jahr seiner Herrschaft ... zog heran Nebukadnezar, der König von Babel, mit seiner ganzen Macht gegen Jerusalem”, um die Stadt zu belagern. 2.Könige 25,1. Die Aussichten für Juda waren hoffnungslos. “Siehe, ich will an dich”, verkündete der Herr durch Hesekiel; “ich will mein Schwert aus der Scheide ziehen ... es soll nicht wieder eingesteckt werden.” Es “werden alle Herzen verzagen und alle Hände sinken, allen der Mut entfallen und alle Knie weich werden”. Hesekiel 21,8.10-12. PK 316.1
Die Ägypter wollten die belagerte Stadt befreien; um sie zurückzuhalten, gaben die Chaldäer einige Zeit die Belagerung der judäischen Hauptstadt auf. Hoffnung regte sich im Herzen Zedekias, und er sandte einen Boten zu Jeremia mit der Bitte, für das jüdische Volk zu beten. PK 316.2
Die furchterregende Antwort des Propheten lautete, daß die Chaldäer zurückkehren und die Stadt zerstören würden. Der Urteilsspruch war ergangen; das unbußfertige Volk konnte die göttlichen Strafgerichte nicht mehr abwenden. “Betrügt euch nicht ...”, warnte der Herr sein Volk, “die Chaldäer ... werden nicht abziehen. Und wenn ihr auch das ganze Heer der Chaldäer schlüget, die gegen euch kämpfen, und es blieben von ihnen nur etliche Verwundete übrig, so würde doch ein jeder in seinem Zelt aufstehen und diese Stadt mit Feuer verbrennen.” Jeremia 37,9.10. Der Überrest Judas sollte in die Gefangenschaft gehen, um durch Not das zu lernen, was er unter günstigeren Verhältnissen nicht lernen wollte. Gegen diesen Erlaß des heiligen Wächters gab es keine Berufung. PK 316.3
Einige der Rechtschaffenen, die es noch in Jerusalem gab, und denen die göttliche Absicht klargemacht worden war, beschlossen, die heilige Bundeslade dem Zugriff roher Hände zu entziehen, enthielt sie doch die Steintafeln, auf denen die Zehn Gebote aufgezeichnet waren. Diesen Plan führten sie aus. Traurig und betrübt verbargen sie die Bundeslade in einer Höhle, wo sie vor dem Volk Israel und vor Juda wegen deren Sünden verborgen bleiben und nicht mehr an sie zurückgegeben werden sollte. Die Bundeslade ist immer noch in ihrem Versteck. Seit dieser Zeit wurde sie nie mehr in ihrer Ruhe gestört. PK 316.4
Viele Jahre lang hatte Jeremia als treuer Zeuge für Gott vor dem Volk gestanden. Als nun die dem Untergang geweihte Stadt bald in die Hände der Heiden fallen sollte, betrachtete er sein Werk als getan und wollte sie verlassen. Daran wurde er jedoch durch den Sohn eines falschen Propheten gehindert, der das Gerücht verbreitete, Jeremia sei im Begriff, zu den Babyloniern überzulaufen; er habe die Männer von Juda ja wiederholt dazu gedrängt, sich diesen zu unterwerfen. Der Prophet wies die erlogene Beschuldigung zwar zurück, “die Oberen wurden [dennoch] zornig über Jeremia und ließen ihn schlagen und warfen ihn ins Gefängnis”. Jeremia 37,15. PK 317.1
Die Hoffnung, die bei Fürsten und Volk aufgekommen war, als sich Nebukadnezars Heere nach Süden gewandt hatten um den Ägyptern entgegenzutreten, erwies sich bald als grundlos. Das Wort des Herrn hatte gelautet: “Siehe, ich will an dich, Pharao, du König von Ägypten.” Hesekiel 39,3. Die Macht Ägyptens glich nur einem zerbrochenen Schilfrohr. “Dann werden alle Bewohner Ägyptens erkennen, daß ich der Herr bin, weil du für das Haus Israel nur eine Stütze von Schilfrohr gewesen bist.” Hesekiel 29,6 (Bruns). “Ja, ich will die Arme des Königs von Babel stärken, aber die Arme des Pharao sollen sinken, damit sie erfahren, daß ich der Herr bin, wenn ich mein Schwert dem König von Babel in die Hand gebe, damit er’s gegen Ägyptenland zücke.” Hesekiel 30,25.26. PK 317.2
Während die Fürsten Judas noch vergeblich hilfesuchend nach Ägypten blickten, dachte König Zedekia mit banger Ahnung an den Propheten Gottes, den man ins Gefängnis geworfen hatte. Nach vielen Tagen sandte er nach ihm und fragte ihn heimlich: “Ist wohl ein Wort vom Herrn vorhanden?” Jeremia antwortete: “Ja! Du wirst dem König von Babel in die Hände gegeben werden. PK 317.3
Und Jeremia sprach zum König Zedekia: Was hab ich gegen dich, gegen deine Großen und gegen dies Volk gesündigt, daß sie mich in den Kerker geworfen haben? Wo sind nun eure Propheten, die euch weissagten und sprachen: Der König von Babel wird nicht über euch noch über dies Land kommen? Und nun, mein Herr und König, höre mich und laß meine Bitte vor dir gelten! Laß mich nicht wieder in Jonathans, des Schreibers Haus, bringen, daß ich dort nicht sterbe. Da befahl der König Zedekia, daß man Jeremia im Wachthof behalten sollte, und ließ ihm täglich aus der Bäckergasse einen Laib Brot geben, bis alles Brot in der Stadt aufgezehrt war. So blieb Jeremia im Wachthof.” Jeremia 37,17-21. PK 317.4
Der König wagte es nicht, öffentlich Vertrauen zu Jeremia zu zeigen. Obwohl seine Angst ihn dazu trieb, insgeheim Auskunft bei ihm zu suchen, war er doch zu schwach, der Mißbilligung seiner Fürsten und des Volkes zu trotzen und sich dem Willen Gottes zu fügen, wie ihn der Prophet verkündigt hatte. PK 318.1
Vom Gefängnishof aus riet Jeremia weiterhin zur Unterwerfung unter die babylonische Herrschaft. Widerstand bedeute sicheren Tod. Die Botschaft des Herrn für Juda lautete: “Wer in dieser Stadt bleibt, der wird durch Schwert, Hunger und Pest sterben müssen; wer aber hinausgeht zu den Chaldäern, der soll am Leben bleiben und wird sein Leben wie eine Beute davonbringen.” Die Worte des Propheten waren klar und deutlich. Kühn erklärte er im Namen des Herrn: “Diese Stadt soll übergeben werden dem Heer des Königs von Babel, und es soll sie einnehmen.” Jeremia 38,2.3. PK 318.2
Wütend über die wiederholten Ratschläge Jeremias, die ihrer eigenen Widerstandspolitik zuwiderliefen, legten die Fürsten schließlich heftigen Protest beim König ein. Dabei behaupteten sie, der Prophet sei ein Volksfeind und seine Reden hätten das Volk geschwächt und ins Unglück gestürzt; deshalb solle er hingerichtet werden. PK 318.3
Der feige König wußte, daß die Beschuldigungen falsch waren; um jedoch die Großen und Einflußreichen im Volk günstig zu stimmen, tat er so, als glaubte er ihren Lügen, und übergab ihnen Jeremia, damit sie nach ihrem Gutdünken mit ihm verfahren könnten. “Da nahmen sie Jeremia und warfen ihn in die Zisterne Malkias, des Königssohnes, die am Wachthof war, und ließen ihn an Seilen hinab. In der Zisterne aber war kein Wasser, sondern Schlamm, und Jeremia sank in den Schlamm.” Jeremia 38,6. Aber Gott erweckte ihm Freunde, die seinetwegen ein Gesuch an den König richteten. Daraufhin wurde er in den Wachthof zurückgebracht. PK 318.4
Noch einmal schickte der König heimlich zu Jeremia und forderte ihn auf, ihm Gottes Absicht mit Jerusalem treulich zu berichten. Jeremia antwortete: “Sage ich dir etwas, so tötest du mich doch; gebe ich dir aber einen Rat, so gehorchst du mir nicht.” Der König schloß daraufhin einen geheimen Vertrag mit dem Propheten. “So wahr der Herr lebt, der uns dies Leben gegeben hat: ich will dich nicht töten noch den Männern in die Hände geben, die dir nach dem Leben trachten.” Jeremia 38,15.16. PK 319.1
Noch gab es eine Gelegenheit für den König, zu zeigen, daß er bereit war, die Warnungen des Herrn zu beachten und dadurch die Strafgerichte, die jetzt über Stadt und Volk hereinbrachen, durch Gnade zu mildern. Die Botschaft an den König lautete: “Wirst du hinausgehen zu den Obersten des Königs von Babel, so sollst du am Leben bleiben, und diese Stadt soll nicht verbrannt werden, sondern du und dein Haus sollen am Leben bleiben; wirst du aber nicht hinausgehen zu den Obersten des Königs von Babel, so wird diese Stadt den Chaldäern in die Hände gegeben, und sie werden sie mit Feuer verbrennen, und auch du wirst ihren Händen nicht entrinnen. PK 319.2
Der König Zedekia sprach zu Jeremia: Ich habe aber die Sorge, daß ich den Judäern, die zu den Chaldäern übergelaufen sind, übergeben werden könnte, daß sie mir übel mitspielen. Jeremia sprach: Man wird dich nicht übergeben!” Und er fügte die ernste Bitte hinzu: “Gehorche doch der Stimme des Herrn, die ich dir verkünde, so wird dir’s wohlgehen, und du wirst am Leben bleiben.” Jeremia 38,17-20. PK 319.3
So machte Gott sogar noch in letzter Stunde deutlich, daß er bereit war, denen Gnade zu erweisen, die sich seinen gerechten Forderungen unterwerfen wollten. Hätte der König gehorcht, wäre das Leben des Volkes womöglich verschont geblieben, und die Stadt wäre dem Feuer entgangen. Aber Zedekia dachte, er sei zu weit gegangen, als daß er das Geschehene rückgängig machen könne. Er hatte Angst vor den Juden, Angst vor Spott, Angst um sein Leben. Nach Jahren der Auflehnung gegen Gott hielt er es für zu demütigend, seinem Volk zu sagen: Ich beuge mich dem Wort des Herrn, wie es der Prophet Jeremia ausgesprochen hat. Angesichts all dieser Warnungen wage ich keinen Krieg mit dem Feind. PK 319.4
Unter Tränen bat Jeremia den König, sich und sein Volk zu retten. Voller Herzensangst versicherte er, daß Zedekia nicht mit dem Leben davonkommen könne, wenn er den Rat Gottes mißachte. Außerdem werde dann all sein Besitz an die Babylonier fallen. Aber der König hatte den falschen Weg eingeschlagen und wollte nicht umkehren. Er entschied sich, dem Rat der falschen Propheten und jener Männer zu folgen, die er eigentlich verachtete und die ihn verspotteten, weil er aus Schwäche bereitwillig auf ihre Wünsche einging. So opferte er seine kostbare Freiheit der menschlichen Natur und duckte sich sklavisch vor der öffentlichen Meinung. Gewiß wollte er nicht absichtlich Böses tun, er hatte jedoch nicht den Mut, kühn für das Rechte einzutreten. Obwohl er überzeugt war, daß Jeremia ihm einen wertvollen Rat erteilt hatte, verfügte er doch nicht über die Charakterstärke, ihn zu befolgen; die Folge war, daß er ständig die falsche Richtung einschlug. PK 319.5
Der König war sogar zu schwach, seine Höflinge und sein Volk wissen zu lassen, daß er eine Unterredung mit Jeremia gehabt hatte; so sehr war er der Menschenfurcht verfallen. Welch Elend hätte abgewendet werden können, wenn Zedekia tapfer standgehalten und erklärt hätte, er glaube an die Worte des Propheten, die schon halb erfüllt waren! Er hätte sagen sollen: “Ich will dem Herrn gehorchen und die Stadt vor dem völligen Untergang retten. Menschenfurcht oder Menschengunst sollen mich nicht dazu verleiten, die Befehle Gottes zu mißachten. Ich liebe die Wahrheit, hasse die Sünde und will dem Rat des Mächtigen in Israel folgen.” Einen solchen Mut hätte das Volk geachtet, und die Zweifelnden hätten sich fest auf die Seite des Rechts gestellt. Gerade die Unerschrockenheit und Rechtlichkeit eines solchen Verhaltens hätte seine Untertanen mit Bewunderung erfüllt und sie bewogen, treu zu ihm zu stehen. Er wäre weitgehend unterstützt worden; und Juda wäre das unermeßliche Leid des Blutbades, der Hungersnot und der Feuersbrunst erspart geblieben. PK 320.1
Die Schwäche Zedekias war eine Sünde, für die er furchtbar bezahlen mußte. Der Feind fegte wie eine unwiderstehliche Lawine daher und verwüstete die Stadt. Die Heere der Hebräer wurden in völligem Durcheinander zurückgeschlagen. Das Volk wurde besiegt. König Zedekia wurde gefangengenommen, und seine Söhne wurden vor seinen Augen erschlagen. Ihn selbst führte man als Gefangenen und geblendet aus Jerusalem weg. In Babel angekommen, ging er elend zugrunde. Der herrliche Tempel, der über vier Jahrhunderte den Gipfel des Berges Zion gekrönt hatte, wurde von den Chaldäern nicht verschont. “Sie verbrannten das Haus Gottes und rissen die Mauer Jerusalems ein, und alle ihre Burgtürme brannten sie mit Feuer aus, so daß alle ihre kostbaren Geräte zunichte wurden.” 2.Chronik 36,19. PK 320.2
Zur Zeit des endgültigen Falles Jerusalems durch Nebukadnezar waren viele den Schrecken der langen Belagerung nur entgangen, um durch das Schwert umzukommen. Einige der Übriggebliebenen — vor allem die Oberen der Priester und Beamten sowie die Fürsten des Reiches — wurden nach Babylon gebracht und dort als Verräter hingerichtet. Andere ließ Nebukadnezar gefangen mitführen, “und sie wurden seine und seiner Söhne Knechte, bis das Königtum der Perser zur Herrschaft kam, damit erfüllt würde das Wort des Herrn durch den Mund Jeremias”. 2.Chronik 36,20.21. PK 321.1
Von Jeremia selbst wird berichtet: “Nebukadnezar, der König von Babel, hatte Nebusaradan, dem Obersten der Leibwache, Befehl gegeben wegen Jeremia und gesagt: Nimm ihn und laß ihn dir befohlen sein und tu ihm kein Leid, sondern wie er’s von dir begehrt, so mach’s mit ihm.” Jeremia 39,11.12. PK 321.2
Nachdem ihn die babylonischen Offiziere aus dem Gefängnis entlassen hatten, zog es der Prophet vor, sein Los mit dem schwachen Überrest, einigen kleinen Leuten in Juda, zu teilen, die von den Chaldäern als Winzer und Landwirte zurückgelassen worden waren. Über diese setzten die Babylonier Gedalja als Statthalter ein. Nur einige Monate vergingen, da wurde der neuernannte Statthalter auf verräterische Weise erschlagen. Nachdem das bedauernswerte Volk nun durch viele Heimsuchungen gegangen war; wurde es schließlich von seinen Führern überredet, in Ägypten Zuflucht zu nehmen. Gegen diesen Plan erhob Jeremia seine Stimme: “Ihr sollt nicht nach Ägypten ziehen!” Aber man hörte nicht auf den vom Geiste Gottes eingegebenen Rat, und “alle Übriggebliebenen von Juda ... nämlich Männer, Frauen und Kinder ... zogen nach Ägyptenland; denn sie wollten der Stimme des Herrn nicht gehorchen, und kamen nach Tachpanches”. Jeremia 43,2.5-7. PK 321.3
Die Gerichtsweissagungen des Propheten Jeremia über den Volksrest, der sich durch seine Flucht nach Ägypten gegen Nebukadnezar aufgelehnt hatte, waren mit Verheißungen der Vergebung vermischt. Sie galten denen, die ihre Torheit bereuten und zur Rückkehr bereit waren. Während der Herr die nicht verschonen wollte, die sich entgegen seinem Rat den verführerischen Einflüssen des ägyptischen Götzendienstes zuwandten, wollte er den Treuen und Zuverlässigen gnädig sein. “Die aber dem Schwert entrinnen, werden aus Ägyptenland ins Land Juda zurückkommen als ein geringes Häuflein”, so erklärte er. “So werden dann alle, die übriggeblieben sind von Juda und die nach Ägyptenland gezogen waren, dort zu wohnen, erkennen, wessen Wort wahr geworden ist, meines oder ihres.” Jeremia 44,28. PK 321.4
Der Kummer des Propheten über die tiefe Verderbtheit derer, die das Licht der Welt hätten sein sollen, sein Schmerz über das Schicksal Zions und des nach Babel geführten Volkes wird in den Klageliedern offenbar. Sie sollen immer daran erinnern, wie töricht es ist, sich um menschlicher Weisheit willen vom Rat des Herrn abzuwenden. Trotz des Unterganges konnte Jeremia noch sagen: “Die Güte des Herrn ist’s, daß wir nicht gar aus sind.” Und sein beständiges Gebet lautete: “Laßt uns erforschen und prüfen unsern Wandel und uns zum Herrn bekehren.” Klagelieder 3,22. 40. Als Juda noch ein Königreich unter den Völkern war, hatte er seinen Gott gefragt: “Hast du denn Juda verworfen oder einen Abscheu gegen Zion?” Und er hatte sich die Freiheit genommen zu bitten: “Aber um deines Namens willen verwirf uns nicht!” Jeremia 14,19.21. Weil der Prophet bedingungslos glaubte, daß es Gottes ewiger Ratschluß sei, aus Verwirrung Ordnung zu schaffen und den Nationen der Erde sowie dem ganzen Weltall seine Eigenschaften Gerechtigkeit und Liebe darzutun, trat er vertrauensvoll für die ein, die sich vielleicht von der Sünde zur Rechtschaffenheit bekehren würden. PK 322.1
Nun aber war Zion völlig zerstört; das Volk Gottes war in Gefangenschaft. Von Kummer überwältigt, rief der Prophet aus: “Wie liegt die Stadt so verlassen, die voll Volks war! Sie ist wie eine Witwe, die Fürstin unter den Völkern, und die eine Königin in den Ländern war, muß nun dienen. Sie weint des Nachts, daß ihr die Tränen über die Backen laufen. Es ist niemand unter allen ihren Liebhabern, der sie tröstet. Alle ihre Freunde sind ihr untreu und ihre Feinde geworden. Juda ist gefangen in Elend und schwerem Dienst, es wohnt unter den Heiden und findet keine Ruhe; alle seine Verfolger kommen heran und bedrängen es. Die Straßen nach Zion liegen wüst, weil niemand auf ein Fest kommt. Alle Tore der Stadt stehen öde, ihre Priester seufzen, ihre Jungfrauen sehen jammervoll drein, und sie ist betrübt. Ihre Widersacher sind obenauf, ihren Feinden geht’s gut; denn der Herr hat über die Stadt Jammer gebracht um ihrer großen Sünden willen, und ihre Kinder sind gefangen vor dem Feind dahingezogen.” Klagelieder; Jeremia 1,1-5. PK 322.2
“Wie hat der Herr die Tochter Zions mit seinem Zorn überschüttet! Er hat die Herrlichkeit Israels vom Himmel auf die Erde geworfen; er hat nicht gedacht an seinen Fußschemel am Tage seines Zorns. Der Herr hat alle Wohnungen Jakobs ohne Erbarmen vertilgt, er hat die Burgen der Tochter Juda abgebrochen in seinem Grimm und geschleift. Er hat entweiht ihr Königreich und ihre Fürsten. Er hat alle Macht Israels in seinem grimmigen Zorn zerbrochen, er hat seine rechte Hand zurückgezogen, als der Feind kam, und hat in Jakob gewütet wie ein flammendes Feuer, das alles ringsum verzehrt. Er hat seinen Bogen gespannt wie ein Feind; seine rechte Hand hat er geführt wie ein Widersacher und hat alles getötet, was lieblich anzusehen war im Zelt der Tochter Zion, und hat seinen Grimm wie Feuer ausgeschüttet.” Klagelieder; Jeremia 2,1-4. PK 323.1
“Ach du Tochter Jerusalem, wem soll ich dich vergleichen, und wie soll ich dir zureden? Du Jungfrau, Tochter Zion, wem soll ich dich vergleichen, damit ich dich tröste? Denn dein Schaden ist groß wie das Meer. Wer kann dich heilen?” Klagelieder; Jeremia 2,13. PK 323.2
“Gedenke, Herr, wie es uns geht; schau und sieh an unsre Schmach! Unser Erbe ist den Fremden zuteil geworden und unsre Häuser den Ausländern. Wir sind Waisen und haben keinen Vater; unsre Mütter sind wie Witwen ... Unsere Väter haben gesündigt und leben nicht mehr, wir aber müssen ihre Schuld tragen. Knechte herrschen über uns, und niemand ist da, der uns von ihrer Hand errettet ... Darum ist auch unser Herz krank, und unsre Augen sind trübe geworden ... PK 323.3
Aber du, Herr, der du ewiglich bleibest und dein Thron von Geschlecht zu Geschlecht, warum willst du uns so ganz vergessen und uns lebenslang so ganz verlassen? Bringe uns, Herr, zu dir zurück, daß wir wieder heimkommen; erneue unsre Tage wie vor alters!” Klagelieder 5,1-3.7.8.17.19-21. PK 323.4