Das Wirken der Apostel
Kapitel 49: Paulus schreibt seinen letzten Brief
Auf der Grundlage von 2.Timotheus.
Vom Gerichtshof des Kaisers kehrte Paulus in seine Zelle zurück. Er war sich darüber im klaren, daß er nur eine kurze Frist gewonnen hatte. Seine Feinde würden nicht eher ruhen, bis sie seinen Tod durchgesetzt hätten. Er wußte aber auch, daß zunächst die Wahrheit einen Sieg davongetragen hatte. Daß er den gekreuzigten und auferstandenen Heiland vor der aufmerksam zuhörenden Menge hatte verkündigen dürfen, war ein Sieg. An jenem Tage war ein Werk begonnen worden, das wachsen und erstarken sollte. Weder Nero noch alle Feinde Christi würden es jemals hindern noch zerstören können. WA 495.1
Während Paulus Tag für Tag in seiner dunklen Zelle saß und wußte, daß ein Wort oder auch nur ein Wink Neros genügten, um seinem Leben ein Ende zu machen, weilten seine Gedanken oft bei Timotheus, und er beschloß, ihn zu sich zu rufen. Er hatte ihm die Sorge für die Gemeinde Ephesus übertragen und ihn um ihretwillen dort zurückgelassen, ehe er seine letzte Reise nach Rom antrat. Paulus und Timotheus waren einander durch starke und tiefe Zuneigung verbunden. Seit seiner Bekehrung hatte Timotheus die Arbeit und die Leiden des Apostels geteilt. Die Freundschaft zwischen beiden war immer stärker, tiefer und unverletzlicher geworden, bis Timotheus dem im Dienst ergrauten Apostel alles geworden war, was ein Sohn einem geliebten und verehrten Vater sein konnte. Darum war es auch verständlich, daß sich Paulus in seiner Einsamkeit und Verlassenheit darnach sehnte, ihn zu sehen. WA 495.2
Aber selbst unter günstigsten Umständen mußten Monate vergehen, ehe Timotheus von Kleinasien aus Rom erreichen konnte. Paulus wußte, daß die Tage seines Lebens gezählt waren, und so fürchtete er, Timotheus könnte zu spät eintreffen, um ihn noch zu sehen. Da auf dem jungen Mann große Verantwortung lag, wollte er ihm unbedingt einige wichtige Ratschläge und Unterweisungen erteilen. Obwohl er ihn dringend bat, ohne jede Verzögerung zu kommen, ließ er für den Fall, daß er seinen letzten Willen Timotheus nicht mehr persönlich würde mitteilen können, ihn niederschreiben. Paulus war liebevoll besorgt um Timotheus, seinen Sohn im Evangelium, sowie um die ihm anbefohlene Gemeinde. Deshalb legte er ihm besonders ans Herz, treu in seinem Amt auszuharren. WA 496.1
Paulus begann seinen Brief mit dem Gruß: “Meinem lieben Sohn Timotheus: Gnade, Barmherzigkeit, Friede von Gott, dem Vater, und Christus Jesus, unsrem Herrn! Ich danke Gott, dem ich diene von meinen Voreltern her in reinem Gewissen, wenn ich ohne Unterlaß dein gedenke in meinem Gebet Tag und Nacht.” 2.Timotheus 1,2.3. WA 496.2
Dann zeigte der Apostel dem Timotheus, wie notwendig es ist, sich im Glauben standhaft zu erweisen. “Um solcher Ursache willen erinnere ich dich”, schrieb er, “daß du erweckest die Gabe Gottes, die in dir ist durch die Auflegung meiner Hände. Denn Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Zucht. Darum so schäme dich nicht des Zeugnisses von unserem Herrn noch auch meiner, der ich sein Gebundener bin, sondern leide mit mir für das Evangelium nach der Kraft Gottes.” 2.Timotheus 1,6-8. Dann bat Paulus ihn, nicht zu vergessen, daß er “mit einem heiligen Ruf” berufen worden sei, die Macht dessen zu verkündigen, der “das Leben und ein unvergänglich Wesen ans Licht gebracht durch das Evangelium”. Von sich selbst erklärte er: “Für welches ich gesetzt bin als Prediger und Apostel und Lehrer. Um dieser Ursache willen leide ich auch solches; aber ich schäme mich dessen nicht; denn ich weiß, an wen ich glaube, und bin gewiß, er kann mir bewahren, was mir anvertraut ist, bis an jenen Tag.” 2.Timotheus 1,9-12. WA 496.3
Während der vielen Jahre seines Dienstes hatte Paulus nie in seiner Treue zu seinem Heiland gewankt. Wo er auch gewesen war — ob vor drohend dreinblickenden Pharisäern oder römischen Machthabern, vor der wütenden Volksmenge zu Lystra oder den Übeltätern im mazedonischen Kerker; ob er mit den vor panischer Angst zitternden Seeleuten auf dem sturmgeschädigten Schiff verhandelt oder alleingelassen sich vor Nero zu verantworten hatte —, nie hatte er sich der Sache geschämt, die er vertrat. Das eine große Ziel seines Christenlebens war immer gewesen, dem zu dienen, dessen Namen er einst verachtet hatte. Von diesem Ziel konnte ihn weder Widerstand noch Verfolgung abbringen. Sein Glaube, der durch Erfahrungen gefestigt und durch Opfer geläutert worden war, hatte ihn gestützt und ihm Kraft verliehen. WA 497.1
“So sei nun stark, mein Sohn”, fuhr Paulus fort, “durch die Gnade in Christus Jesus. Und was du von mir gehört hast vor vielen Zeugen, das befiehl treuen Menschen an, die da tüchtig sind, auch andere zu lehren. Leide mit als ein guter Streiter Christi Jesu.” 2.Timotheus 2,1-3. WA 497.2
Der wahre Diener Gottes wird weder Mühsal noch Verantwortung scheuen. Aus der Quelle, die denen nie versiegt, die ernstlich nach göttlicher Kraft verlangen, gewinnt er die Stärke, die ihn befähigt, Versuchungen zu begegnen und zu bestehen und die ihm von Gott auferlegten Pflichten zu erfüllen. Die Gnade, die er empfängt, ermöglicht es ihm, Gott und Gottes Sohn besser zu erkennen. Von ganzem Herzen sehnt er sich danach, seinem Meister im Dienst zur Verfügung zu stehen. Je länger er auf dem Weg der Nachfolge voranschreitet, desto mehr wird er gestärkt “durch die Gnade in Christus Jesus”. Diese Gnade läßt ihn treu bezeugen, was er gehört hat. Die von Gott empfangene Erkenntnis verachtet und vernachlässigt er nicht, sondern vertraut sie treuen Menschen an, die wieder andere lehren. WA 497.3
In diesem seinem letzten Brief an Timotheus hielt Paulus dem jüngeren Mitarbeiter das hohe Ziel vor Augen und wies auf die Pflichten hin, die einem Diener Christi aufgetragen sind. Er schreibt: “Befleißige dich, vor Gott dich zu erzeigen als einen rechtschaffenen und unsträflichen Arbeiter, der da recht austeilt das Wort der Wahrheit ... Fliehe die Lüste der Jugend; jage aber nach der Gerechtigkeit, dem Glauben, der Liebe, dem Frieden mit allen, die den Herrn anrufen aus reinem Herzen. Aber die törichten und unnützen Fragen weise ab; denn du weißt, daß sie nur Zank erzeugen. Ein Knecht aber des Herrn soll nicht zänkisch sein, sondern freundlich gegen jedermann, zum Lehren geschickt, der Böses ertragen kann und mit Sanftmut zurechtweise die Widerspenstigen, ob ihnen Gott etwa Buße gebe, die Wahrheit zu erkennen.” 2.Timotheus 2,15.22-25. WA 498.1
Der Apostel warnte Timotheus auch vor den Irrlehrern, die sich Eingang in die Gemeinde zu verschaffen suchen: “Das sollst du aber wissen, daß in den letzten Tagen werden greuliche Zeiten kommen. Denn es werden die Menschen viel von sich halten, geldgierig sein, ruhmredig, hoffärtig, Lästerer, den Eltern ungehorsam, undankbar, gottlos ... die da haben den Schein eines gottesfürchtigen Wesens, aber seine Kraft verleugnen sie; solche meide.” 2.Timotheus 3,1-5. WA 498.2
“Mit den Bösen Menschen aber”, fuhr er fort, “und Betrügern wid’s je länger, je ärger: sie verführen und werden verführt. Du aber bleibe in dem, was du gelernt hast und dir vertraut ist, da du ja weißt, von wem du gelernt hast, und weil du von Kind auf die heilige Schrift weißt, die dich unterweisen kann zur Seligkeit durch den Glauben an Jesus Christus. Denn alle Schrift, Gott eingegeben, ist nütze zur Lehre, zur Aufdeckung der Schuld, zur Besserung, zur Erziehung in der Gerechtigkeit, daß ein Mensch Gottes sei vollkommen, zu allem guten Werk geschickt.” 2.Timotheus 3,13-17. Gott hat ausreichend Vorsorge getroffen, daß der Kampf gegen das Böse in der Welt erfolgreich geführt werden kann. Die Bibel ist die Rüstkammer, die uns die “Waffenrüstung Gottes” für den Kampf liefert. Unsere Lenden müssen mit Wahrheit umgürtet sein. Gerechtigkeit muß unser Brustharnisch sein. Den “Schild des Glaubens” müssen wir in den Händen, den “Helm des Heils” auf unserem Haupt haben, und mit dem “Schwert des Geistes” in der Hand, “welches ist das Wort Gottes”, können wir uns den Weg durch alle Hindernisse und Wirrsale der Sünde bahnen. (Epheser 6,13-17). WA 498.3
Paulus wußte, daß der Gemeinde eine Zeit ernster Gefahr bevorstand und daß diejenigen, die Verantwortung in den Gemeinden trugen, treue und gewissenhafte Arbeit würden tun müssen. Der Apostel schrieb deshalb an Timotheus: “So ermahne ich dich inständig vor Gott und Christus Jesus, der da kommen wird, zu richten die Lebendigen und die Toten, und bei seiner Erscheinung und seinem Reich: Predige das Wort, stehe dazu, es sei zur Zeit oder zur Unzeit; weise zurecht, drohe, ermahne mit aller Geduld und Lehre.” 2.Timotheus 4,1.2. WA 499.1
Diese ernste Aufforderung an einen so eifrigen und treuen Menschen wie Timotheus ist ein klares Zeugnis dafür, wie wichtig und verantwortungsvoll der Dienst eines Evangeliumspredigers ist. Paulus stellte Timotheus vor die Schranken des göttlichen Gerichts und gebot ihm, das Wort zu predigen und nicht Meinungen oder Lehrsätze von Menschen. Er sollte bereit sein, für Gott zu zeugen, wo immer sich dazu Gelegenheit böte, sei es vor großen Versammlungen oder im kleinen Kreise, unterwegs oder im Hause, vor Freunden oder vor Feinden, unter gesicherten Verhältnissen, sowie in Schwierigkeiten und Gefahren, trotz Spott und Schaden. WA 499.2
Paulus fürchtete, daß Timotheus sich durch seine sanfte und nachgiebige Veranlagung dazu verleiten lassen könnte, einem wesentlichen Teil seiner Arbeit auszuweichen. Deshalb empfahl er ihm dringend, in aller Treue die Sünde zu rügen und mit aller Schärfe jene zurechtzuweisen, die sich grober Übertretungen schuldig machten. Jedoch er sollte das “mit aller Geduld und Lehre” tun. Die Geduld und Liebe Christi sollte er dadurch beweisen, daß er seine Ermahnungen durch die Wahrheit des Wortes begründete und bekräftigte. WA 500.1
Sünde zu hassen und zu strafen, zugleich aber dem Sünder Mitleid und Rücksicht entgegenzubringen, ist eine schwierige Aufgabe. Je ernster wir danach streben, in unserem Herzen und Wandel geheiligt zu werden, desto klarer werden wir die Sünde erkennen und desto entschiedener jedes Abweichen vom Rechten mißbilligen. Vor ungebührlicher Strenge dem Sünder gegenüber müssen wir uns in acht nehmen, andererseits aber dürfen wir nicht die Augen vor dem verabscheuungswürdigen Wesen der Sünde verschließen. So ist es einerseits notwendig, dem Irrenden christliche Geduld und Liebe entgegenzubringen; andererseits aber besteht die Gefahr, eine zu große Duldsamkeit zu bekunden, was ihn zu der Ansicht verleiten könnte, er habe keinen Tadel verdient und dürfe jeden Tadel als unangebracht und ungerechtfertigt zurückweisen. WA 500.2
Prediger des Evangeliums richten zuweilen großen Schaden dadurch an, daß sie in ihrer Nachsicht den Irrenden gegenüber auch die Sünde dulden oder selbst an ihr teilhaben. So lassen sie sich verleiten, zu entschuldigen und zu beschönigen, was Gott verdammt. Mit der Zeit werden sie derart verblendet, daß sie diejenigen noch loben, die sie nach Gottes Willen tadeln sollten. Wer sein geistliches Urteilsvermögen dadurch abstumpft, daß er in sündhafter Milde über das hinwegsieht, was Gott verurteilt, wird sich bald noch mehr versündigen, weil er streng und hart zu denen wird, die Gott annimmt. WA 500.3
Durch die Überheblichkeit menschlicher Weisheit, durch Mißachtung des Einflusses des Heiligen Geistes und durch Abneigung den Wahrheiten des Wortes Gottes gegenüber lassen sich viele, die vorgeben, Christen zu sein und sich berufen fühlen, andere zu lehren, zur Abkehr von Gottes Forderungen verleiten. Paulus erklärte Timotheus: “Es wird eine Zeit sein, da sie die gesunde Lehre nicht leiden werden; sondern nach ihren eigenen Lüsten werden sie sich selbst Lehrer aufladen, wonach ihnen die Ohren jucken, und werden die Ohren von der Wahrheit wenden und sich zu den Fabeln kehren.” 2.Timotheus 4,3.4. WA 501.1
Der Apostel bezieht sich hier nicht auf jene, die offen gottlos sind, sondern auf jene, die sich zwar Christen nennen, sich aber von ihren Neigungen leiten lassen und dadurch von ihrem eigenen Ich versklavt werden. Sie wollen nur den Lehren Gehör schenken, die weder ihre Sünden strafen noch ihren genußsüchtigen Wandel verdammen. Da sie sich von dem eindeutigen Wort der treuen Diener Christi verletzt fühlen, suchen sie sich Lehrer, von denen sie gelobt werden und die ihnen schmeicheln. Leider gibt es auch Prediger, die statt des Wortes Gottes menschliche Meinungen predigen. Entgegen ihrer Verantwortung führen sie diejenigen in die Irre, die in ihnen ihre geistlichen Führer sehen. WA 501.2
In den Weisungen seines heiligen Gesetzes gab uns Gott eine vollkommene Lebensregel und hat erklärt, daß dies Gesetz unverändert für alle gültig ist, ja, nicht einmal der kleinste Buchstabe wird bis zum Ende der Zeiten vergehen. Christus kam, um das Gesetz herrlich und groß zu machen. Er zeigte, daß es sich auf der Liebe zu Gott und zum Nächsten gründet und daß alle sittlichen Pflichten im Gehorsam gegenüber diesen Weisungen zusammengefaßt sind. In seinem Leben gab uns Christus selbst ein Beispiel solchen Gehorsams gegenüber dem Gesetz Gottes. In der Bergpredigt zeigte er, wie die Forderungen des Gesetzes sich nicht nur auf äußerliche Handlungen, sondern darüber hinaus auch auf Gedanken und Absichten erstrecken. WA 501.3
Gehorchen wir den Geboten Gottes, so können wir “das ungöttliche Wesen und die weltlichen Lüste” verleugnen und “züchtig, gerecht und gottselig leben in dieser Welt”. Titus 2,12. Aber der Feind aller Gerechtigkeit hat die Welt betört und die Menschen dazu verleitet, dem Gesetz ungehorsam zu sein. Tausende und aber Tausende haben sich, wie Paulus voraussah, von den leicht verständlichen, durchdringenden Wahrheiten des Wortes Gottes abgewandt und sich Lehrer erwählt, die ihnen solche Fabeln darbieten, die sie gern hören wollen. So werden Gottes Gebote sowohl von Predigern als auch von Gemeindegliedern mit Füßen getreten. Dadurch wird der Schöpfer der Welt geschmäht, und Satan frohlockt über den Erfolg seiner Verführungen. WA 502.1
Mit der wachsenden Mißachtung des Gesetzes Gottes nimmt auch die Abneigung gegen alles Religiöse zu, ferner Stolz, Vergnügungssucht, Ungehorsam den Eltern gegenüber und zügellose Genußsucht. Allenthalben werfen denkende Menschen besorgt die Frage auf: “Was kann getan werden, um diesen erschreckenden Übeln zu steuern?” Die Antwort gibt Paulus in seiner Ermahnung an Timotheus: “Predige das Wort.” In der Bibel finden wir die einzigen zuverlässigen Richtlinien für unser Handeln. Sie ist eine Niederschrift des göttlichen Willens, ein Ausdruck himmlischer Weisheit. Sie öffnet dem Menschen das Verständnis für die wichtigen Fragen des Lebens. Alle, die ihre Weisungen beachten, finden in ihr einen nie irrenden Führer, der sie davor bewahrt, ihr Leben mit irregeleiteten Bemühungen zu vergeuden. WA 502.2
Gott hat seinen Willen kundgetan; deshalb ist es töricht, wenn der Mensch bezweifelt, was des Ewigen Mund gesagt hat. Wo die ewige Weisheit gesprochen hat, gibt es für den Menschen keine Zweifelsfragen zu klären, keine ungewissen Möglichkeiten zu bedenken. Er hat nur noch dem deutlich ausgesprochenen Gotteswillen frei und offen zuzustimmen. Gehorsam ist die höchste Forderung der Vernunft und des Gewissens. WA 502.3
Paulus fuhr mit seinen Ermahnungen fort: “Du aber sei nüchtern allenthalben, leide willig, tu das Werk eines Predigers des Evangeliums, richte dein Amt redlich aus.” 2.Timotheus 4,5. Er stand vor der Vollendung seines Laufes und wünschte, daß Timotheus seine Stelle einnähme und die Gemeinden vor den mannigfachen Fabeln und Irrlehren bewahrte, durch die der Feind versuchen würde, sie vom schlichten Evangelium abwendig zu machen. Deshalb ermahnte er ihn, alle weltlichen Unternehmungen und Verbindungen zu meiden, die ihn hindern könnten, sich uneingeschränkt dem Werk Gottes hinzugeben und mit Freudigkeit Widerspruch, Tadel und Verfolgung zu ertragen, denen er sich durch seine Treue aussetzen würde. Sein Predigtamt würde er dann recht ausrichten, wenn er mit all seinen Kräften denen Gutes täte, für die Christus starb. WA 503.1
Paulus stellte mit seinem Leben die Wahrheiten dar, die er lehrte, und darauf beruhte seine Kraft. Er war sich jederzeit seiner Verantwortung bewußt und wirkte in enger Verbindung mit dem, der die Quelle der Gerechtigkeit, Gnade und Wahrheit ist. Er klammerte sich an Christi Kreuz, die einzige Bürgschaft des Sieges. Die Liebe des Heilandes war die unvergängliche Triebkraft, die ihn in seinen inneren Konflikten und in seinem Ringen gegen das Böse aufrechterhielt, wenn er im Dienst für Christus ungeachtet der Unfreundlichkeit der Welt und des Widerstandes seiner Feinde voranging. WA 503.2
In den gegenwärtigen gefahrvollen Zeiten braucht die Gemeinde ein Heer von Mitarbeitern, die sich selbst wie Paulus zu nützlichem Dienst erzogen haben, eine reiche Erfahrung mit Gott besitzen und mit Eifer und Hingabe erfüllt sind. Geheiligte, opferwillige Männer werden benötigt, die weder vor Schwierigkeiten noch vor der Verantwortung zurückschrecken, die tapfer und treu sind, Christus als “Hoffnung der Herrlichkeit” (Kolosser 1,27) in ihre Herzen aufgenommen haben und das Wort predigen mit Lippen, die von heiliger Glut berührt wurden. (Jesaja 6,6.7). Aus Mangel an solchen Mitarbeitern liegt das Werk Gottes darnieder, und unheilvolle Irrtümer verderben, einem tödlichen Gifte gleich, die Moral und ersticken die Hoffnung vieler Menschen. WA 503.3
Wer wird an die Stelle unserer alt gewordenen, bewährten Bannerträger treten, die ihre Kräfte um der Wahrheit willen aufzehren? Werden unsere jungen Leute das heilige Vermächtnis aus den Händen ihrer Väter entgegennehmen? Bereiten sie sich darauf vor, die Lücken auszufüllen, die durch den Tod der Getreuen entstehen? Werden sie den Auftrag des Apostels beachten, den Ruf der Pflicht ernst nehmen trotz aller Versuchungen zu Selbstsucht und Ehrgeiz, wie sie an Jugendliche herantreten? WA 504.1
Paulus schloß seinen Brief mit persönlichen Botschaften an verschiedene Gemeindeglieder. Noch einmal wiederholte er die dringende Bitte, daß Timotheus bald, möglichst noch vor dem Winter zu ihm kommen möge. Er sprach von seiner Einsamkeit, die dadurch verursacht worden war, daß einige seiner Freunde ihn verlassen hatten und andere aus dringenden Gründen abwesend waren. Damit Timotheus ja nicht zögere aus Sorge, die Gemeinde Ephesus benötige ihn dringend, schrieb ihm Paulus, daß er Tychikus bereits abgesandt habe, um seinen Platz dort einzunehmen. WA 504.2
Er erwähnte noch, daß er vor Nero verhört worden sei, daß seine Brüder ihn verlassen hätten und daß ihm allein der gnädige Gott beigestanden habe. Dann schloß Paulus seinen Brief, wobei er seinen geliebten Timotheus der Fürsorge des Oberhirten anempfahl, der weiterhin für seine Herde sorgen würde, wenn auch die Unterhirten den Tod erleiden müßten. WA 504.3