Das Wirken der Apostel
Kapitel 26: Apollos in Korinth
Auf der Grundlage von Apostelgeschichte 18,18-28.
Nachdem Paulus Korinth verlassen hatte, wurde Ephesus sein nächstes Arbeitsfeld. Da er sich auf dem Wege nach Jerusalem befand, um dort dem bevorstehenden Fest beizuwohnen, konnte er nur kurz in Ephesus bleiben. In einem Gespräch mit den Juden in der Synagoge machte er einen so vorteilhaften Eindruck auf sie, daß sie ihn baten, seine Arbeit unter ihnen fortzusetzen. Doch seine Absicht, Jerusalem zu besuchen, ließ ein längeres Verweilen nicht zu. Er versprach aber, so es Gottes Wille sei, zu ihnen zurückzukehren. Aquila und Priscilla, die ihn nach Ephesus begleitet hatten, ließ er dort zurück, damit sie das von ihm begonnene Werk fortsetzten. WA 269.1
Damals kam “nach Ephesus ein Jude mit Namen Apollos, von Geburt aus Alexandrien, ein beredter Mann und mächtig in der Schrift”. Apostelgeschichte 18,24. Er hatte Johannes den Täufer predigen gehört, hatte die Taufe der Buße empfangen und war ein lebendiger Zeuge dafür, daß das Wirken des Propheten nicht vergeblich gewesen war. Die Schrift berichtet von Apollos, daß er war “unterwiesen in der Lehre des Herrn und redete brennend im Geist und lehrte richtig von Jesus, wußte aber nur von der Taufe des Johannes”. Apostelgeschichte 18,25. WA 269.2
Während seines Aufenthaltes in Ephesus begann Apollos “frei öffentlich zu predigen in der Synagoge”. Unter seinen Zuhörern waren auch Aquila und Priscilla. Als sie bemerkten, daß er noch nicht das volle Licht des Evangeliums empfangen hatte, “nahmen sie ihn zu sich und legten ihm die Lehre Gottes noch genauer aus”. Apostelgeschichte 18,26. Durch ihre Unterweisung erlangte er ein klareres Verständnis der Schrift und wurde einer der tüchtigsten Verteidiger des christlichen Glaubens. WA 269.3
Apollos wollte weiter nach Achaja ziehen. “Da ... bestärken ihn die Brüder und schrieben an die Jünger, daß sie ihn aufnähmen” als einen Lehrer, der mit der Gemeinde Christi völlig übereinstimme. So kam er nach Korinth, wo er die Juden durch öffentliche Verkündigung und auch durch Arbeit von Haus zu Haus überzeugte. “Durch die Schrift” bewies er ihnen, “daß Jesus der Christus sei”. Apostelgeschichte 18,27.28. Paulus hatte den Samen der Wahrheit ausgestreut, Apollos begoß ihn jetzt. Der Erfolg, den Apollos mit der Predigt des Evangeliums erzielte, führte dazu, daß einige Gläubige seine Arbeit höher bewerteten als die des Paulus. Dieser Vergleich des einen mit dem anderen brachte einen Geist der Parteilichkeit in die Gemeinde, der den Fortschritt der Evangeliumsverkündigung erheblich zu hindern drohte. WA 270.1
Während der anderthalb Jahre, die Paulus in Korinth verbrachte, hatte er ganz bewußt das Evangelium in seiner Einfachheit verkündigt. “Nicht mit hohen Worten und hoher Weisheit” war er zu den Korinthern gekommen, sondern mit Furcht und Zittern. “In Erweisung des Geistes und der Kraft” hatte er “die göttliche Predigt” verkündigt, damit ihr “Glaube bestehe nicht auf Menschenweisheit, sondern auf Gottes Kraft”. 1.Korinther 2,1.4.5. WA 270.2
Paulus hatte es als notwendig angesehen, sich in seiner Lehrweise dem Zustand der Gemeinde anzupassen. “Ich, liebe Brüder”, erklärte er später, “konnte auch mit euch nicht reden als mit geistlichen Menschen, sondern als mit fleischlichen, wie mit jungen Kindern in Christus. Milch habe ich euch zu trinken gegeben und nicht feste Speise; denn ihr konntet sie noch nicht vertragen. Auch jetzt könnt ir’s noch nicht.” 1.Korinther 3,1.2. Viele der Gläubigen zu Korinth hatten nur nach und nach die Lehren erfaßt, die er ihnen beizubringen suchte. Ihr Fortschritt in geistlicher Erkenntnis stand in keinem rechten Verhältnis zu dem, was ihnen an Gnadenerweisungen und Gelegenheiten geboten wurde. Obwohl sie schon längst in der christlichen Erfahrung hätten vorankommen können und befähigt sein sollten, die Wahrheit des Wortes in ihrer ganzen Tiefe zu erfassen und auszuleben, standen sie noch immer an der gleichen Stelle, an der die Jünger gestanden hatten, als Christus ihnen erklärte: “Ich habe euch noch viel zu sagen; aber ihr könnt es jetzt nicht tragen.” Johannes 16,12. Eifersucht, Argwohn und Beschuldigungen hatten die Herzen vieler Gläubigen in Korinth dem umfassenden Wirken des Heiligen Geistes verschlossen, der “alle Dinge, auch die Tiefen der Gottheit” (1.Korinther 2,10), erforscht. Wie gründlich sie auch in weltlichen Dingen Bescheid wußten, so waren sie in der Erkenntnis Christi doch nur Kinder. WA 270.3
Paulus hatte es für seine Aufgabe gehalten, die Bekehrten zu Korinth in den Anfangsgründen, dem Abc des christlichen Glaubens, zu unterweisen. Er hatte sie unterrichten müssen, als wüßten sie nichts von dem Einwirken der göttlichen Kraft auf das Herz. Zu jener Zeit vermochten sie noch nicht das Geheimnis der Erlösung zu erfassen, denn “der natürliche Mensch ... vernimmt nichts vom Geist Gottes; es ist ihm eine Torheit, und er kann es nicht erkennen; denn es muß geistlich verstanden sein”. 1.Korinther 2,14. Paulus hatte sich bemüht, den Samen zu säen, den nun andere begießen mußten. Seine Nachfolger mußten die Arbeit dort fortsetzen, wo er aufgehört hatte. Sie mußten der Gemeinde schrittweise geistliches Licht und geistliche Erkenntnis vermitteln, so weit sie es ertragen konnte. WA 271.1
Als der Apostel seine Arbeit in Korinth aufnahm, erkannte er recht bald, daß er bei der Einführung der bedeutsamen Wahrheiten, die er lehren wollte, sehr vorsichtig sein mußte. Er wußte, daß unter seinen Zuhörern dünkelhafte Verfechter philosophischer Theorien und Anhänger falscher Religionssysteme waren, die blind einhertappten und hofften, im Buche der Natur Anhaltspunkte dafür zu finden, die dem Vorhandensein geistlichen und unvergänglichen Lebens, wie es die Schrift offenbart, widersprachen. Er wußte auch, daß Kritiker sich bemühen würden, der christlichen Auslegung des offenbarten Gotteswortes zu widersprechen, und daß Zweifler dem Evangelium von Christus mit Hohn und Spott entgegentreten würden. WA 271.2
Da es Paulus darum ging, Menschen zum Kreuz zu führen, ließ er sich nicht darauf ein, diejenigen, die zuchtlos lebten, offen zu tadeln oder ihnen zu zeigen, wie häßlich ihre Sünden in den Augen eines heiligen Gottes waren. Er wies sie vielmehr auf den wahren Sinn des Lebens hin und versuchte, ihnen die Weisungen des göttlichen Lehrers einzuprägen, die sie, wenn sie sie annähmen, aus Weltlichkeit und Sünde zu Reinheit und Gerechtigkeit emporhöben. Besonderen Nachdruck legte er auf Gottseligkeit und Heiligung, die alle erlangen müssen, die eines Platzes im Reiche Gottes für würdig erachtet werden wollen. Ihn verlangte danach, mitzuerleben, wie das Licht des Evangeliums Christi die Finsternis ihres Geistes durchdringt, damit sie erkennen, wie anstößig ihr unsittliches Tun in den Augen Gottes war. Deshalb war Christus, der Gekreuzigte, das Hauptmotiv seiner Belehrungen. Er wünschte ihnen darzulegen, daß die wunderbare Wahrheit von der Erlösung durch Buße vor Gott und durch den Glauben an den Herrn Jesus Christus ihr wichtigstes Ziel und ihre größte Freude sein müsse. WA 272.1
Der Weltweise wendet sich von dem Licht des Heils ab, weil es seine stolzen Theorien zunichte macht; der nur irdisch Gesinnte wiederum weigert sich, es anzunehmen, weil es ihn von seinen irdischen Götzen trennen würde. Paulus erkannte, daß die Menschen das Wesen Christi verstehen müssen, ehe sie ihn lieben oder das Kreuz mit den Augen des Glaubens betrachten können. Hier schon muß man sich dem zuwenden, was alle Ewigkeit hindurch Gegenstand des Forschens und des Lobpreises der Erlösten sein wird. Allein im Licht des Kreuzes kann die menschliche Seele nach ihrem wahren Wert beurteilt werden. WA 272.2
Der veredelnde Einfluß der Gnade Gottes verändert das natürliche Wesen des Menschen. Irdisch Gesinnten würde der Himmel nicht begehrenswert erscheinen; ihre natürlichen, ungeheiligten Herzen würden sich nicht hingezogen fühlen zu jener reinen, heiligen Stätte. Selbst wenn sie hingelangen könnten, fänden sie dort nichts, was ihnen zusagt. Die Neigungen, die das natürliche Herz beherrschen, müssen durch die Gnade Christi überwunden werden, ehe der in Sünde gefallene Mensch den Himmel zu betreten und sich der Gemeinschaft reiner, heiliger Engel zu erfreuen vermag. Stirbt aber der Mensch der Sünde ab, so wird er zu neuem Leben in Christus erweckt. Dann erfüllt göttliche Liebe sein Herz, sein Verständnis wird geheiligt, und er trinkt aus einer nie versiegenden Quelle der Freude und Erkenntnis. Das Licht der Ewigkeit scheint auf seinen Pfad; denn allezeit umgibt ihn das Licht des Lebens. WA 273.1
Paulus hatte seine Brüder zu Korinth davon zu überzeugen versucht, daß er und seine Mitarbeiter am Evangelium auch nur Menschen seien, die aber Gott beauftragt habe, die Wahrheit zu verkündigen. Sie alle seien an dem gleichen Werk tätig und hingen auch im Erfolg ihrer Arbeit gleicherweise von Gott ab. Die Streitfrage, die in der Gemeinde über die Verdienste der einzelnen Mitarbeiter aufgekommen war, entsprach nicht dem Willen Gottes, sondern war die Folge davon, daß man den Neigungen des natürlichen Herzens Raum gab. “So einer sagt: Ich bin paulisch, der andere aber: Ich bin apollisch, ist das nicht menschlich geredet? Wer ist nun Apollos? Wer ist Paulus? Diener sind sie, durch welche ihr seid gläubig geworden, und das, wie es der Herr einem jeglichen gegeben hat. Ich habe gepflanzt, Apollos hat begossen; aber Gott hat das Gedeihen gegeben. So ist nun weder der da pflanzt noch der da begießt etwas, sondern Gott, der das Gedeihen gibt.” 1.Korinther 3,4-7. WA 273.2
Paulus hatte als erster das Evangelium in Korinth gepredigt und auch die dortige Gemeinde gegründet; dies Werk hatte ihm der Herr aufgetragen. Später wurden nach Gottes Anweisung andere Mitarbeiter dorthin gesandt, um ihre Aufgabe an diesem Platz zu erfüllen. Der Same mußte begossen werden, und das sollte Apollos tun. Er nahm die Arbeit des Paulus auf, gab weitere Unterweisungen und half, daß der ausgestreute Same sich entfaltete. Er gewann die Herzen der Menschen, Gott aber war es, der das Gedeihen gab. Nicht durch menschliche, sondern durch göttliche Kraft geschieht die Umwandlung des Charakters. Weder die da pflanzen noch die da begießen können den Samen wachsen lassen. Sie alle arbeiten nur als Werkzeuge unter Gottes Leitung, sind nur Mitarbeiter in seinem Werk. Dem Meister allein gebührt die Ehre und der Ruhm für den Erfolg. WA 274.1
Gottes Diener besitzen zwar nicht alle die gleichen Gaben, aber alle sind seine Arbeitsleute. Jeder muß von dem großen Lehrer lernen und das Gelernte dann weiterreichen. Jedem seiner Boten hat Gott ein besonderes Werk aufgetragen. Zwar sind die Gaben unterschiedlicher Art; dennoch sollen alle Arbeiter untereinander eins sein, gelenkt von dem heiligenden Einfluß des Geistes Gottes. Wenn sie das Evangelium des Heils verkündigen, werden viele durch die Kraft Gottes überzeugt und bekehrt. Das menschliche Werkzeug ist dann mit Christus verborgen in Gott, und Christus selbst wird unter den Zehntausenden als der Auserkorene, als der Eine, der allen lieblich ist, hervorleuchten. WA 274.2
“Der aber pflanzt und der da begießt, die sind einer wie der andere. Ein jeglicher aber wird seinen Lohn empfangen nach seiner Arbeit. Denn wir sind Gottes Mitarbeiter; ihr seid Gottes Ackerfeld und Gottes Bau.” 1.Korinther 3,8.9. In diesem Schriftwort vergleicht der Apostel die Gemeinde mit einem bestellten Felde, auf dem die Landleute arbeiten, wobei sie die Weinstöcke in der Pflanzung des Herrn pflegen; oder mit einem Bauwerk, das zu einem heiligen Tempel des Herrn heranwachsen soll. Gott ist der Meister und hat jedem seine Arbeit zugewiesen. Alle sollen unter seiner Aufsicht arbeiten und ihn für und durch seine Arbeiter wirken lassen. Er verleiht ihnen Fähigkeit und Geschick, und wenn sie seine Weisungen beachten, krönt er ihre Bemühungen mit Erfolg. WA 274.3
Gottes Diener sollen freundlich und höflich zusammenarbeiten. Da gilt: “Einer komme dem andern mit Ehrerbietung zuvor.” Römer 12,10. Unter ihnen sollte es keine unfreundliche Kritik, kein Abwerten der Arbeit des andern, auch keine Spaltung in verschiedene Parteien geben. Jeder, dem Gott eine Botschaft anvertraut hat, muß seine besondere Aufgabe erfüllen. Dabei hat jeder sein ganz persönliches Gepräge, das er allen andern gegenüber bewahren sollte. Dennoch sollte jeder in Eintracht mit seinen Brüdern arbeiten. In ihrem Dienst müssen Gottes Arbeiter unbedingt eins sein. Keiner darf sich zum Maßstab des andern machen, von seinen Mitarbeitern geringschätzig reden oder sie als zweitrangig behandeln. Unter Gottes Leitung soll jeder das ihm zugewiesene Werk verrichten und dabei von den andern geachtet, geliebt und ermutigt werden. Gemeinsam sollen sie das Werk zum Abschluß bringen. WA 275.1
Diese Grundsätze betont Paulus ausführlich in seinem ersten Brief an die Gemeinde zu Korinth. Der Apostel wendet sich an “Christi Diener” als “Haushalter über Gottes Geheimnisse”. Von ihrer Arbeit sagt er: “Nun sucht man nicht mehr an den Haushaltern, als daß sie treu erfunden werden. Mir aber it’s ein Geringes, daß ich von euch gerichtet werde oder von einem menschlichen Tage; auch richte ich mich selbst nicht. Ich bin mir nichts bewußt, aber darin bin ich nicht gerechtfertigt; der Herr it’s aber, der mich richtet. Darum richtet nicht vor der Zeit, bis der Herr kommt, welcher wird ans Licht bringen, auch was im Finstern verborgen ist, und wird das Trachten der Herzen offenbar machen. Alsdann wird einem jeglichen von Gott sein Lob widerfahren.” 1.Korinther 4,1-5. WA 275.2
Es kommt keinem Menschen zu, die verschiedenen Diener Gottes zu beurteilen. Der Herr allein ist Richter über das Werk der Menschen, er wird jedem den ihm gebührenden Lohn austeilen. WA 276.1
Der Apostel weist nunmehr unmittelbar auf die Vergleiche hin, die zwischen seinem und des Apollos Wirken angestellt worden waren: “Solches aber, liebe Brüder, habe ich auf mich und Apollos gedeutet um euretwillen, damit ihr an uns lernet, was das heißt: Nicht über das hinaus, was geschrieben steht! auf daß sich nicht einer wider den andern um jemandes willen aufblase. Denn wer gibt dir einen Vorzug? Was hast du, das du nicht empfangen hast? Wenn du es aber empfangen hast, was rühmest du dich denn, als hättest du es nicht empfangen?” 1.Korinther 4,6.7. WA 276.2
Deutlich führte Paulus der Gemeinde die Gefahren und Mühsale vor Augen, die er und seine Mitarbeiter in ihrem Dienst für Christus geduldig ertragen hatten. “Bis auf diese Stunde”, so erklärte er, “leiden wir Hunger und Durst und Blöße und werden geschlagen und haben keine sichere Stätte und arbeiten und wirken mit unsren eigenen Händen. Man schilt uns, so segnen wir; man verfolgt uns, so dulden wir’s; man lästert uns, so reden wir freundlich. Wir sind geworden wie der Abschaum der Welt, jedermanns Kehricht, bis heute. Nicht schreibe ich solches, daß ich euch beschäme; sondern ich vermahne euch als meine lieben Kinder. Denn ob ihr gleich zehntausend Zuchtmeister hättet in Christus, so habt ihr doch nicht viele Väter; denn ich habe euch gezeugt in Christus Jesus durchs Evangelium.” 1.Korinther 4,11-15. WA 276.3
Christus, der die Verkündiger des Evangeliums als seine Botschafter in die Welt hinaussendet, wird entehrt, wenn die Hörer des Wortes eine so starke Anhänglichkeit an einen bestimmten “Lieblings” — Prediger bekunden, daß sie nicht bereit sind, die Arbeit eines anderen Lehrers anzuerkennen. Der Herr sendet seinen Kindern Hilfe, doch nicht immer nach ihren Wünschen, sondern nach ihren Bedürfnissen; denn die Menschen sind kurzsichtig und können nicht beurteilen, was wirklich zu ihrem Besten dient. Selten bringt ein Prediger sämtliche Voraussetzungen mit, um eine Gemeinde in allen Erfordernissen des christlichen Lebens zur Vollkommenheit zu führen. Deshalb sendet Gott ihr oft neue Prediger mit Fähigkeiten, die den andern fehlen. WA 276.4
Die Gemeinde sollte diese Diener Christi genauso herzlich aufnehmen, wie sie den Meister selbst aufnehmen würde. Sie sollte darauf bedacht sein, möglichst viel Gutes den Belehrungen zu entnehmen, die jeder Prediger ihnen aus dem Worte Gottes zu geben vermag. Die Wahrheiten, die Gottes Diener bringen, sollten in großer Demut angenommen und geschätzt werden, aber kein Prediger sollte vergöttert werden. WA 277.1
Allein durch Christi Gnade werden Gottes Diener zu Boten des Lichts und des Segens. Wenn sie durch ernstes, anhaltendes Gebet die Gabe des Heiligen Geistes empfangen und hinausziehen, beseelt von dem Wunsch, Menschen zu retten und den Ruhm des Kreuzes auszubreiten, dann werden sie die Frucht ihrer Arbeit sehen. Widerstehen sie der Versuchung, menschliche Weisheit zur Schau zu stellen oder sich selbst zu erhöhen, dann werden sie ein Werk verrichten, das allen Angriffen Satans standhalten wird. Dann werden sich viele Menschen von der Finsternis weg zum Licht hinwenden, und viele Gemeinden werden gegründet werden. Diese Menschen werden sich dann nicht zu den menschlichen Werkzeugen, sondern zu Christus bekehren. Das eigene Ich wird in den Hintergrund treten, und nur Jesus, der Mann von Golgatha, wird sichtbar sein. WA 277.2
Wer heute für Christus wirkt, kann die gleichen vortrefflichen Eigenschaften aufweisen wie jene, die in apostolischer Zeit das Evangelium verkündigten. Gott ist heute ebenso bereit, seinen Dienern Kraft zu geben, wie er damals Paulus und Apollos, Silas und Timotheus, Petrus, Jakobus und Johannes mit Kraft ausrüstete. WA 277.3
Auch in den Tagen der Apostel gab es irregeleitete Menschen, die angeblich an Christus glaubten, sich aber weigerten, seinen Boten mit Ehrerbietung zu begegnen. Sie behaupteten, keinem menschlichen Lehrer zu folgen, sondern ihre Unterweisung unmittelbar von Christus zu erhalten, ohne Hilfe der Boten des Evangeliums. Sie hielten sich für völlig unabhängig und waren nicht bereit, der Stimme der Gemeinde zu gehorchen. Solche Leute standen in ernster Gefahr, verführt zu werden. WA 278.1
Gott hat Männer mit verschiedenen Gaben als seine berufenen Helfer in die Gemeinde gesetzt, damit sie durch gemeinsames Überlegen der Absicht des Heiligen Geistes entsprechen. Männer, die nur ihren eigenen Kopf durchsetzen wollen und sich weigern, mit andern, die schon reiche Erfahrungen im Werke Gottes gesammelt haben, zusammenzuwirken, werden so sehr durch Selbstvertrauen geblendet, daß sie Falsches und Wahres nicht voneinander zu unterscheiden vermögen. Es ist nicht ratsam, solche Leute zu Leitern der Gemeinde zu wählen; denn ohne Rücksicht auf das Urteil ihrer Brüder würden sie nur ihrem eigenen Urteil folgen und ihren Plänen gemäß handeln. Der Feind kann leicht durch solche Männer wirken, die selbst für jeden Schritt des Rates bedürfen, von Christus weder Sanftmut noch Demut gelernt haben und dennoch aus eigener Kraft andere zu leiten wagen. WA 278.2
Gefühlseindrücke allein sind kein sicherer Führer zur Pflicht. Der Feind redet den Menschen oft ein, von Gott geführt zu werden, während sie in Wirklichkeit nur menschlichen Regungen folgen. Wachen wir aber sorgfältig und beraten uns mit unseren Brüdern, dann wird uns der Herr seinen Willen zu erkennen geben; denn die Verheißung lautet: “Er leitet die Elenden recht und lehrt die Elenden seinen Weg.” Psalm 25,9. WA 278.3
In den ersten Christengemeinden wollten einige Glieder weder Paulus noch Apollos anerkennen. Sie behaupteten, Petrus sei ihr Führer, weil er mit dem Meister bei dessen Erdenleben ein inniges Vertrauensverhältnis unterhalten hatte, während Paulus ein Verfolger der Gläubigen gewesen war. So waren sie in ihren Ansichten und Gefühlen von Vorurteilen befangen und zeigten nichts von jener Weitherzigkeit, Großmut und Güte, die ein Zeichen dafür sind, daß Christus im Herzen wohnt. WA 279.1
Es bestand die Gefahr, daß dieser Parteigeist großes Unglück über die Christengemeinde bringen würde. Deshalb wurde Paulus vom Herrn angewiesen, Worte ernster Ermahnung an die Korinther zu richten und feierlich Einspruch dagegen zu erheben. Die da sagten: “Ich bin paulisch ... Ich bin apollisch ... Ich bin kephisch ... Ich bin christisch”, fragte der Apostel daraufhin: “Wie? Ist Christus nun zertrennt? Ist denn Paulus für euch gekreuzigt? Oder seid ihr auf des Paulus Namen getauft?” 1.Korinther 1,12.13. “Darum”, so bat er, “rühme sich niemand eines Menschen; denn es ist alles euer: es sei Paulus oder Apollos oder Kephas, es sei Welt oder Leben oder Tod, es sei Gegenwärtiges oder Zukünftiges, alles ist euer, ihr aber seid Christi, Christus aber ist Gottes.” 1.Korinther 3,21-23. WA 279.2
Zwischen Paulus und Apollos bestand vollkommene Übereinstimmung. Apollos war enttäuscht und bekümmert über die Uneinigkeit in der Gemeinde zu Korinth. Er nutzte die ihm zuteil gewordene Bevorzugung nicht zu seinem Vorteil aus, er ermutigte auch nicht dazu, sondern verließ unverzüglich den Schauplatz des Streites. Als Paulus ihn später aufforderte, Korinth wieder zu besuchen, lehnte er es ab. Erst als die Gemeinde nach sehr langer Zeit eine bessere geistliche Haltung angenommen hatte, arbeitete er erneut dort. WA 279.3