Patriarchen und Propheten
Kapitel 23: Die Plagen Ägyptens
Auf die Weisung von Engeln machte sich Aaron auf, um seinem Bruder zu begegnen, von dem er schon so lange getrennt war. Sie trafen sich in der Wüste unweit des Horeb. Hier sprachen sie über alles miteinander, “und Mose tat Aaron kund alle Worte des Herrn, der ihn gesandt hatte, und alle Zeichen, die er ihm befohlen hatte”. 2.Mose 4,28. Zusammen wanderten sie dann nach Ägypten. Als sie in Gosen ankamen, versammelten sie bald die Ältesten Israels, und Aaron wiederholte ihnen alles, was Gott an Mose getan hatte. Dann ließen sie das Volk die Zeichen sehen, die Gott durch Mose tat. “Und das Volk glaubte. Und als sie hörten, daß der Herr sich der Kinder Israel angenommen und ihr Elend angesehen habe, neigten sie sich und beteten an.” 2.Mose 4,31. PP 234.1
Mose war auch mit einer Botschaft an den König beauftragt worden. Die beiden Brüder betraten daher den Palast der Pharaonen als Gesandte des Königs der Könige und verkündigten in seinem Namen: “So spricht der Herr, der Gott Israels: Laß mein Volk ziehen, daß es mir ein Fest halte in der Wüste.” 2.Mose 5,1. PP 234.2
“Wer ist der Herr, daß ich ihm gehorchen müsse und Israel ziehen lasse?” fragte der Herrscher, “Ich weiß nichts von dem Herrn, will auch Israel nicht ziehen lassen.” 2.Mose 5,2. PP 234.3
Ihre Antwort lautete: “Der Gott der Hebräer ist uns erschienen. So laß uns nun hinziehen drei Tagereisen weit in die Wüste und dem Herrn, unserm Gott, opfern, daß er uns nicht schlage mit Pest oder Schwert.” 2.Mose 5,3. PP 234.4
Die Kunde von diesen beiden Männern und von der Erregung, die sie beim Volk erweckt hatten, war schon bis zum König gedrungen. Zorn stieg in ihm hoch. “Mose und Aaron, warum wollt ihr das Volk von seiner Arbeit freimachen?” fragte er. “Gehet hin an eure Dienste!” 2.Mose 5,4. PP 234.5
Schon hatte das Reich durch die Einmischung dieser Fremden Einbuße erlitten. Bei dieser Überlegung fügte er hinzu: “Siehe, sie sind schon mehr als das Volk des Landes, und ihr wollt sie noch feiern lassen von ihrem Dienst!” 2.Mose 5,5. PP 235.1
In der Knechtschaft hatten die Israeliten das Verständnis für das göttliche Gesetz bis zu einem gewissen Grade verloren und waren davon abgewichen. Der Sabbat wurde allgemein vernachlässigt, und die Forderungen der Fronvögte machten seine Beobachtung, wie es schien, unmöglich. Aber Mose zeigte seinem Volk, daß Gehorsam gegenüber Gott die erste Bedingung für die Befreiung war. Und das Bestreben, den Sabbat wieder zu halten, war ihren Unterdrückern bekannt geworden. PP 235.2
Ganz erregt argwöhnte der König, die Israeliten planten Empörung gegen ihre Dienstpflicht. Da Unzufriedenheit meistens die Folge von Müßiggang sei, wollte er schon dafür sorgen, daß ihnen keine Zeit zu gefährlichen Plänen blieb. Schlagartig traf er Maßnahmen, die Zügel noch straffer anzuziehen und die Neigungen zur Unabhängigkeit zu unterdrücken. So erließ er noch am selben Tage Befehle, wodurch der Dienst der Hebräer noch grausamer und drückender wurde. Das übliche Baumaterial jenes Landes war der sonnengetrocknete Ziegel. Die Mauern der vornehmsten Häuser wurden daraus gebaut und dann mit Stein verkleidet. Die Ziegeleien beschäftigten dazu eine große Anzahl Sklaven. Zu ihrer Arbeit brauchten sie riesige Mengen geschnittenes Stroh, das man mit Lehm vermischte, um das Ganze zusammenzuhalten. Nun befahl der König, ihnen kein Stroh mehr zu liefern. Sie sollten es selbst suchen. Dabei verlangte er aber dieselbe Anzahl Ziegel. Vgl. 2.Mose 5,6-9. PP 235.3
Dieser Befehl brachte große Not über alle Israeliten im Land. Die ägyptischen Fronvögte hatten hebräische Aufseher dazu bestimmt, das Volk zu überwachen, und sie waren für die Arbeit ihrer Untergebenen verantwortlich. Als nun die harte Verordnung des Königs in Kraft trat, zerstreute sich das Volk Israel über das ganze Land, um an Stelle von Stroh die Stoppeln vom Felde zu sammeln. Dadurch aber war es ihnen unmöglich geworden, dasselbe Arbeitspensum wie bisher zu leisten. Für diesen Ausfall wurden die hebräischen Aufseher grausam geschlagen. PP 235.4
In der Meinung, diese Härte käme von den Fronvögten und nicht vom König selbst, beschwerten sie sich bei ihm. Aber Pharao wies ihren Einspruch höhnisch zurück: “Ihr seid müßig, müßig seid ihr; darum sprecht ihr: Wir wollen hinziehen und dem Herrn opfern.” 2.Mose 5,17. Man befahl ihnen, wieder an die Arbeit zu gehen, und erklärte, daß es für sie auf keinen Fall Erleichterung gäbe. Als sie zurückkehrten, trafen sie Mose und Aaron und schrien sie an: “Der Herr richte seine Augen wider euch und strafe es, daß ihr uns in Verruf gebracht habt vor dem Pharao und seinen Großen und habt ihnen so das Schwert in ihre Hände gegeben, uns zu töten.” 2.Mose 5,21. PP 236.1
Bekümmert hörte sich Mose diese Vorwürfe an. Die Leiden seines Volkes waren inzwischen noch größer geworden. Im ganzen Land erhob sich ein Verzweiflungsschrei von jung und alt, und alle waren sich darin einig, ihn für die unheilvolle Änderung ihrer Lage verantwortlich zu machen. In der Bitternis seines Herzens wandte er sich an Gott und flehte ihn an: “Herr, warum tust du so übel an diesem Volk? Warum hast du mich hergesandt? Denn seitdem ich hingegangen bin zum Pharao, um mit ihm zu reden in deinem Namen, hat er das Volk noch härter geplagt, und du hast dein Volk nicht errettet.” 2.Mose 5,22.23. Die Antwort hieß: “Nun sollst du sehen, was ich dem Pharao antun werde; denn durch eine starke Hand gezwungen muß er sie ziehen lassen, ja, er muß sie durch eine starke Hand gezwungen aus seinem Lande treiben.” 2.Mose 6,1. Abermals wies Gott auf den Bund hin, den er mit den Vätern geschlossen hatte, und versicherte ihm, daß er ihn erfüllen werde. PP 236.2
In all den Jahren der Knechtschaft in Ägypten hatten immer eine Anzahl Israeliten an der Anbetung Jahwes festgehalten. Diese waren tief beunruhigt darüber, daß ihre Kinder täglich Augenzeugen der heidnischen Greuel waren und sich sogar vor den falschen Göttern beugten. In ihrer Not schrien sie zum Herrn um Erlösung vom ägyptischen Joch, damit sie von dem verderblichen Einfluß des Götzendienstes frei würden. Sie verheimlichten ihren Glauben nicht, sondern bekannten den Ägyptern, daß sie den einzig wahren, lebendigen Gott, den Schöpfer Himmels und der Erde anbeteten. Sie sprachen wiederholt über seine Daseins- und Machtbeweise von der Schöpfung bis zu den Tagen Jakobs. So erhielten die Ägypter Gelegenheit, den Glauben der Hebräer kennenzulernen. Aber sie verschmähten es natürlich, sich von ihren Sklaven belehren zu lassen, und versuchten ihrerseits, die Anbeter Gottes durch Versprechungen und Belohnungen und, wenn das nichts half, durch Drohungen und Grausamkeit zu verleiten. PP 236.3
Die Ältesten Israels bemühten sich, den schwindenden Glauben ihrer Brüder wachzuhalten. Sie wiederholten ihnen die Verheißungen an die Väter und Josephs prophetische Worte vor seinem Tode, die ihre Befreiung aus Ägypten voraussagten. Einige hörten und glaubten es. Andere aber wagten dies angesichts ihrer augenblicklichen Lage nicht zu erhoffen. Die Ägypter waren über das, was unter ihren Sklaven erzählt wurde, gut unterrichtet, aber sie lachten über deren Erwartungen und leugneten höhnisch die Macht ihres Gottes. Sie wiesen auf ihre Lage als ein Sklavenvolk hin und spotteten: “Wenn euer Gott gerecht und barmherzig ist und Macht besitzt über die ägyptischen Götter, warum macht er euch nicht zu einem freien Volk?” In diesem Sinne beriefen sie sich auf die eigene Stellung. Sie verehrten Gottheiten, die die Israeliten falsche Götter nannten, und doch wären sie ein reiches, mächtiges Volk. Ihre Götter hätten sie mit Wohlstand gesegnet und ihnen die Israeliten als Sklaven preisgegeben. Sie prahlten mit ihrer Macht, die Anbeter Jahwes unterdrücken und vernichten zu können; Pharao selbst rühmte sich, daß der Gott der Hebräer sie nicht aus seiner Hand erretten könne. PP 237.1
Solche Worte machten die Hoffnungen vieler Israeliten zunichte. Ihre Lage schien in vieler Hinsicht so zu sein, wie es die Ägypter darstellten. Es stimmte ja, daß sie Sklaven waren und über sich ergehen lassen mußten, was immer die grausamen Fronvögte ihnen zufügten. Ihre Kinder wurden aufgespürt und umgebracht, und ihnen selbst war das Leben eine Last. Dennoch verehrten sie den Gott des Himmels. Wenn Jahwe wirklich über allen Göttern stand, würde er sie ganz gewiß nicht in der Knechtschaft von Götzendienern lassen. Und die Gott treu blieben, begriffen auch, weshalb er es zugelassen hatte, daß sie zu Sklaven wurden: weil Israel von ihm abgewichen war, weil es dazu neigte, in heidnische Völker zu heiraten, und sich dadurch zum Götzendienst verleiten ließ. Aber voll Zuversicht versicherten sie ihren Brüdern, daß er das Joch des Bedrückers bald zerbrechen werde. PP 237.2
Die Hebräer hatten nicht damit gerechnet, daß sie ihre Freiheit erst nach außergewöhnlichen Glaubensprüfungen durch Leiden oder gar Not gewinnen würden. Sie waren auch noch gar nicht darauf vorbereitet. So glaubten sie nur ungenügend an Gott und wollten ihre Anfechtungen nicht so lange geduldig ertragen, bis er sich bereit fände, ihnen zu helfen. Viele wollten sogar lieber in der Knechtschaft bleiben, nur um den Schwierigkeiten zu entgehen, die der Auszug in ein fremdes Land mit sich brächte. Auch hatten sich manche den ägyptischen Sitten so stark angepaßt, daß sie es vorzogen, in Ägypten zu bleiben. Darum errettete der Herr sie nicht gleich durch die erste Bekundung seiner Macht vor Pharao. Er fügte die Ereignisse sogar derart, daß der tyrannische Sinn des ägyptischen Königs erst die Oberhand gewann und er sich auch seinem Volke offenbaren konnte. Wenn sie dann seine Gerechtigkeit, Macht und Liebe sähen, würden die Hebräer Ägypten verlassen und ihm dienen wollen. Moses Aufgabe wäre wesentlich leichter gewesen ohne die vielen verführten Israeliten, die nicht mehr aus Ägypten fort wollten. PP 237.3
Der Herr gebot Mose, abermals zum Volk zu gehen und die Verheißung seiner Befreiung mit der erneuten Versicherung göttlicher Gnade zu wiederholen. Er ging, wie ihm befohlen war, aber die Hebräer wollten nicht hören. Die Schrift sagt: “Aber sie hörten nicht auf ihn vor Kleinmut und harter Arbeit.” 2.Mose 6,9. Wieder kam die göttliche Botschaft zu Mose: “Geh hin und rede mit dem Pharao, dem König von Ägypten, daß er Israel aus seinem Lande ziehen lasse.” Mutlos geworden erwiderte er: “Siehe, die Kinder Israel hören nicht auf mich; wie sollte denn der Pharao auf mich hören!” Er solle Aaron mitnehmen, zum Pharao gehen und wiederum fordern, “Israel aus Ägypten zu führen”. 2.Mose 6,11-13. PP 238.1
Gott ließ Mose wissen, daß der Herrscher nichts zugestehen würde, bis er Ägypten mit Gerichten heimsuchte und Israel durch die außerordentliche Offenbarung seiner Macht ausführte. Vor jeder Plage sollte Mose deren Art und Wirkung beschreiben, damit der König sich davor bewahren konnte, wenn er das wollte. Auf jede Züchtigung, die er zurückwies, sollte eine härtere folgen, bis sich sein stolzes Herz demütigen und er den Schöpfer Himmels und der Erde als den wahren, lebendigen Gott anerkennen werde. Der Herr wollte den Ägyptern Gelegenheit geben zu erkennen, wie eitel die Weisheit ihrer Mächtigen und wie schwach ihre vermeintlichen Götter waren, wenn sie sich den Geboten Jahwes widersetzten. Er wollte sie wegen ihres Götzendienstes strafen und das Prahlen mit den Segnungen, die sie angeblich von ihren toten Göttern empfangen hatten, zum Schweigen bringen. Gott wünschte seinen eigenen Namen zu verherrlichen, damit auch andere Völker von seiner Macht hörten und sich seiner mächtigen Taten wegen fürchteten; aber auch, damit Israel sich vom Götzendienst abwendete und ihm mit reinem Gottesdienst Gehorsam leistete. PP 238.2
Wieder betraten Mose und Aaron die vornehmen Hallen des ägyptischen Königspalastes. Umgeben von hohen Säulen mit gleißenden Verzierungen, von kostbaren Gemälden und in Stein gemeißelten Bildern heidnischer Götter, standen die beiden Vertreter des geknechteten Volkes vor dem Herrscher des damals mächtigsten Reiches und wiederholten ihm den Befehl Gottes, Israel freizulassen. Als Beweis ihres göttlichen Auftrages forderte der König ein Wunder. Beide wußten, was sie in solchem Falle tun sollten. Aaron nahm den Stab und warf ihn vor Pharao auf die Erde. Er wurde zur Schlange. Da ließ der Herrscher seine “Weisen und Zauberer” rufen: Auch ein jeder von ihnen “warf seinen Stab hin, da wurden Schlangen daraus; aber Aarons Stab verschlang ihre Stäbe”. 2.Mose 7,11.12. Darauf erklärte der König, entschiedener als zuvor, seine Zauberer hätten ebensoviel Macht wie Mose und Aaron. Er brandmarkte die Diener des Herrn als Betrüger und fühlte sich mit seinem Widerstand gegen ihre Forderungen völlig sicher. Bei aller Verachtung für ihre Botschaft wurde er aber durch göttliche Kraft daran gehindert, ihnen Schaden zuzufügen. PP 239.1
Mose und Aaron standen keine menschlichen Mittel und Kräfte zur Verfügung; es war vielmehr Gott selbst, der durch sie die Wunder vor Pharaos Augen vollbrachte. Diese Zeichen sollten den König davon überzeugen, daß der große “Ich werde sein” (2.Mose 3,14) Mose gesandt hatte und es seine Pflicht und Schuldigkeit war, die Israeliten ziehen zu lassen, damit sie dem lebendigen Gott dienen könnten. Auch die Zauberer ließen Zeichen und Wunder sehen, und das nicht nur aus eigener Geschicklichkeit, sondern durch die Kraft Satans, ihres Gottes, der ihnen half, Jahwes Werk nachzuahmen. PP 239.2
Diese Magier konnten ihre Stäbe nicht zu wirklichen Schlangen werden lassen, aber mit Hilfe des großen Betrügers vermochten sie durch Zauberei diesen Anschein zu erwecken. Die Stäbe in lebendige Schlangen zu verwandeln, überstieg Satans Vermögen. Denn obwohl der Fürst des Bösen alle Weisheit und Macht eines gefallenen Engels besitzt, hat er keine Schöpferkraft; er kann kein Leben geben. Das ist allein Gottes Vorrecht. Aber Satan tat alles, was ihm möglich war. Er inszenierte eine Fälschung, so daß für das menschliche Auge die Stäbe zu Schlangen wurden, die Pharao und sein Hof zu sehen glaubten. In ihrem Aussehen schien sie nichts von Moses Schlange zu unterscheiden. Obwohl der Herr die unechten Schlangen durch die wirkliche verschlingen ließ, sah Pharao nicht einmal darin die Auswirkung göttlicher Macht, sondern nur das Ergebnis einer Art Zauberei, die der seiner Diener überlegen war. PP 239.3
Pharao lag daran, seine Halsstarrigkeit gegen den göttlichen Befehl zu rechtfertigen. Er suchte deshalb von nun an nach einem Vorwand, wie er die Wunder, die Gott durch Mose tat, unbeachtet lassen könnte. Und dafür lieferte ihm Satan, was er brauchte. Mit dem, was er durch die Magier hervorbrachte, erweckte er bei den Ägyptern den Eindruck, als seien auch Mose und Aaron nur Zauberer. Deren Botschaft könnte doch nicht den Anspruch erheben, von einem Höheren zu stammen. Satans Fälschung erfüllte somit ihren Zweck: sie bestärkte die Ägypter in ihrer Widerspenstigkeit und verhärtete das Herz Pharaos gegen jede bessere Erkenntnis. Satan hoffte sogar, auch Moses und Aarons Glauben an den göttlichen Ursprung ihrer Sendung zu erschüttern, damit seine Handlanger die Oberhand behielten. Er wollte Israel nicht aus der Knechtschaft befreit sehen, damit es dem lebendigen Gott dienen könne. PP 240.1
Aber der Fürst des Bösen verfolgte eine noch weitergehende Absicht, als er seine Wunder durch die Zauberer sehen ließ. Er wußte genau, daß Mose, wenn er Israels Knechtschaftsjoch zerbrach, Christus darstellte, der die Herrschaft der Sünde über das Menschengeschlecht brechen sollte. Er wußte, daß Christus bei seinem Erscheinen mächtige Wunder tun würde als Beweis für die Welt, daß Gott ihn gesandt habe. Satan bangte um seine Macht. Indem er nachahmte, was Gott durch Mose geschehen ließ, hoffte er nicht nur, Israels Befreiung zu verhindern, sondern auch Einfluß auf künftige Zeiten zu gewinnen. Es galt, den Glauben an Christi Wunder zu vernichten. Satan wird immer versuchen, das Werk Christi zu verfälschen und seine eigene PP 240.2
Macht wie auch die damit verbundenen Ansprüche durchzusetzen. Er bringt die Menschen dahin, Christi Wunder als scheinbaren Erfolg menschlicher Kraft und Geschicklichkeit anzusehen. Auf diese Weise zerstört er in vielen den Glauben an Christus als den Sohn Gottes und verleitet sie dazu, die im Erlösungsplan angebotene Gnade zurückzuweisen. PP 241.1
Für den nächsten Morgen hatten Mose und Aaron Anweisung, an das Flußufer zu gehen, wohin sich der König gewöhnlich begab. Die Überschwemmung des Nils war für ganz Ägypten die Quelle der Nahrung und des Reichtums. Darum verehrte man den Fluß als Gottheit, und der Herrscher ging täglich hinaus, um ihm seine Huldigung darzubringen. Hier trugen ihm die beiden Brüder ihre Botschaft noch einmal vor. Dann streckten sie den Stab aus und schlugen damit das Wasser. Und plötzlich strömte der heilige Fluß blutrot und wurde durch das Fischsterben stinkend. Auch das Wasser in den Häusern, der Vorrat in den Behältern war in gleicher Weise in Blut verwandelt. Aber “die ägyptischen Zauberer taten ebenso mit ihren Künsten”, und “der Pharao wandte sich und ging heim und nahm’s nicht zu Herzen”. 2.Mose 7,22.23. Sieben Tage dauerte die Plage, aber sie blieb ohne jede Wirkung. PP 241.2
Wiederum streckte Aaron den Stab über das Wasser, und es kamen Frösche aus dem Fluß und bedeckten das ganze Land. Sie verbreiteten sich in den Häusern, füllten die Schlafzimmer und selbst die Backöfen und Backtröge. Aber die Ägypter sahen im Frosch ein heiliges Tier, das sie nicht töten durften. Doch wurde ihnen die schleimige Seuche schließlich unerträglich. Die Frösche häuften sich sogar in Pharaos Palast, und der König verlangte ungeduldig ihre Beseitigung. Die Zauberer brachten scheinbar auch Frösche hervor, nur entfernen konnten sie sie nicht. Als Pharao das sah, wurde er doch recht kleinlaut. Er schickte nach Mose und Aaron und sagte: “Bittet den Herrn für mich, daß er die Frösche von mir und meinem Volk nehme, so will ich das Volk ziehen lassen, daß es dem Herrn opfere.” 2.Mose 8,4. Sie erinnerten den König an seine frühere Prahlerei, forderten ihn dann aber auf, eine Zeit zu bestimmen, wann sie um die Beendigung der Plagen bitten sollten. In der geheimen Hoffnung, die Frösche verschwänden unterdessen von selbst, setzte er den nächsten Tag an. Das würde ihm vielleicht die bittere Demütigung ersparen, sich dem Gott Israels fügen zu müssen. Aber die Plage dauerte genau bis zur festgesetzten Zeit. Dann starben die Frösche in ganz Ägyptenland, und ihre herumliegenden verfaulenden Körper verpesteten die Luft. PP 241.3
Der Herr hätte sie in einem Augenblick zu Staub werden lassen können. Er tat es nicht, damit König und Volk ihre Beseitigung nicht als Zauberei ausgeben konnten, ähnlich dem Werk der Magier. Die Frösche starben und wurden zu Haufen gesammelt. Damit wurde dem König und ganz Ägypten bewiesen, was ihre eitle Philosophie nicht leugnen konnte, daß nämlich dieses Geschehen nicht durch Zauberei zustande gekommen war, sondern ein Gericht vom Gott des Himmels war. PP 242.1
“Als aber der Pharao merkte, daß er Luft gekriegt hatte, verhärtete er sein Herz.” 2.Mose 8,11. Auf Gottes Befehl reckte Aaron nun seine Hand aus, und der Staub im ganzen Lande Ägypten wurde zu Stechmücken. Der Pharao rief die Zauberer, daß sie das gleiche täten, aber sie konnten es nicht. Dadurch war erwiesen, daß Gottes Wirken dem Satans überlegen war. Selbst die Zauberer gaben zu: “Das ist Gottes Finger.” 2.Mose 8,15. Aber der König blieb ungerührt. PP 242.2
Weil Aufforderung und Warnung erfolglos blieben, wurde ein anderes Strafgericht verhängt. Dieses Ereignis sagte Mose zeitlich voraus, damit es nicht heißen konnte, es käme zufällig. Stechfliegen füllten die Häuser und schwärmten über die Erde, “und das Land wurde verheert von den Stechfliegen”. 2.Mose 8,20. Sie waren groß und giftig und ihr Stich für Menschen und Vieh äußerst schmerzhaft. Wie angekündigt, dehnte sich diese Heimsuchung aber nicht auf das Land Gosen aus. PP 242.3
Nun machte Pharao den Israeliten das Angebot, in Ägypten zu opfern. Aber diese Bedingung lehnten sie ab. “Das geht nicht an”, sagte Mose, “denn ... wenn wir vor ihren Augen opfern, was ihnen ein Greuel ist, werden sie uns dann nicht steinigen?” 2.Mose 8,22.23. Die bei den Hebräern üblichen Opfertiere gehörten zu denen, die den Ägyptern heilig waren. Ihre Verehrung jener Tiere war so groß, daß sogar die unabsichtliche Tötung als todeswürdiges Verbrechen galt. Es war also für die Hebräer unmöglich, in Ägypten anzubeten, ohne ihre Herren zu beleidigen. Wieder schlug Mose vor, sie eine Drei-Tage-Reise weit in die Wüste ziehen zu lassen. Der Herrscher gab schließlich nach, verlangte aber von den Dienern Gottes, darum zu bitten, daß die Plage aufhöre. Sie versprachen es, warnten ihn aber auch davor, wiederum betrügerisch an ihnen zu handeln. Die Plage hörte auf. Doch das Herz des Königs hatte sich infolge der fortdauernden Auflehnung weiter verhärtet, und so wollte er immer noch nicht nachgeben. PP 242.4
Darauf folgte ein fürchterlicher Schlag, die Maul- und Klauenseuche über alles ägyptische Vieh auf dem Felde. Sowohl die heiligen Tiere als auch die Lasttiere, Kühe und Ochsen, Schafe, Pferde, Kamele und Esel wurden vernichtet. Es war aber ausdrücklich erwähnt worden, daß die Hebräer verschont bleiben sollten. Und als Pharao Boten zu den Israeliten sandte, erwies sich, daß Moses Erklärung auf Wahrheit beruhte. “Von dem Vieh der Kinder Israel starb nicht eins.” 2.Mose 9,6. Aber der König blieb halsstarrig. PP 243.1
Als nächstes erhielt Mose Anweisung, Ruß aus dem Ofen zu nehmen, “und Mose werfe ihn vor dem Pharao gen Himmel”. 2.Mose 9,8. Diese Handlung war bedeutungsvoll. Vor 400 Jahren hatte Gott Abraham die künftige Bedrückung seines Volkes unter dem Sinnbild eines rauchenden Ofens und einer brennenden Lampe gezeigt. Er ließ ihn wissen, daß er dessen Bedrücker mit Gerichten heimsuchen und die Geknechteten mit großem Vermögen ausführen werde. Die Israeliten hatten in Ägypten lange im Schmelzofen der Trübsal geschmachtet. Diese Handlung Moses brachte ihnen die Gewißheit, daß Gott seines Bundes gedachte und die Zeit ihrer Befreiung gekommen war. PP 243.2
Als Mose den Ruß himmelwärts schleuderte, verstreuten sich die feinen Teilchen über das ganze Land Ägypten, und wo sie niedersanken, erzeugten sie Beulen: “Da brachen auf böse Blattern an den Menschen und am Vieh.” 2.Mose 9,10. Bisher hatten die Priester und Zauberer den Pharao in seiner Halsstarrigkeit bestärkt, aber bei diesem Gericht traf es sie selber. Und weil auch sie von der widerlichen, schmerzhaften Krankheit befallen waren, ließ ihre großsprecherische Art sie nur um so erbärmlicher erscheinen. Sie konnten nicht länger gegen den Gott Israels streiten. Dem ganzen Volk wurde klargemacht, wie töricht es war, Zauberern zu vertrauen, die nicht einmal sich selbst zu schützen vermochten. PP 243.3
Aber Pharaos Herz verhärtete sich noch mehr. Und nun sandte der Herr ihm die Botschaft: “Laß mein Volk ziehen, daß es mir diene, sonst werde ich diesmal alle meine Plagen über dich selbst senden, über deine Großen und über dein Volk, damit du innewirst, daß meinesgleichen nicht ist in allen Landen ... Dazu habe ich dich erhalten, daß meine Kraft an dir erscheine.” 2.Mose 9,13.14.16. Nicht, daß Gott ihm das Dasein zu diesem Zweck gegeben hätte. Aber seine Vorsehung lenkte die Ereignisse so, daß gerade er zur Zeit der Befreiung Israels den Thron innehatte. Und obwohl dieser hochmütige Tyrann durch seine Freveltaten Gottes Gnade verwirkt hatte, blieb er doch bewahrt, damit der Herr durch diese Halsstarrigkeit seine Wunder in Ägypten offenbare. Den Ablauf der Ereignisse bestimmt Gott. Er hätte einen barmherzigeren König auf den Thron setzen können, der es nicht gewagt hätte, sich den gewaltigen Bekundungen göttlicher Macht zu widersetzen. Aber dann hätten sich des Herrn Pläne nicht erfüllen können. Er ließ zu, daß sein Volk von den Ägyptern gequält wurde, damit es nicht durch den schlechten Einfluß zur Abgötterei verführt würde. Der Herr machte an Pharao deutlich, daß er Götzendienst verabscheute sowie Grausamkeit und Unterdrückung bestrafte. PP 243.4
Gott hatte über Pharao gesagt: “Ich will sein Herz verstocken, daß er das Volk nicht ziehen lassen wird.” 2.Mose 4,21. Es bedurfte keiner übernatürlichen Macht, das Herz des Königs zu verhärten. Gott gab Pharao außerordentlich überzeugende Beweise seiner Stärke, aber der Herrscher wehrte sich hartnäckig gegen jede bessere Einsicht. Mit jeder Offenbarung der unendlichen Machtvollkommenheit, die er zurückwies, wurde er um so entschlossener zum Widerstand. Schon mit der Ablehnung des ersten Wunders war die Saat der Auflehnung gestreut, die jetzt ihre Früchte trug. Als er sich unterstand, weiterhin eigene Wege zu gehen, steigerte sich seine Starrköpfigkeit von Mal zu Mal. Immer hartherziger wurde er, bis man ihn rief, sich die kalten, toten Gesichter der Erstgeborenen anzusehen. PP 244.1
Gott läßt die Menschen durch seine Diener warnen und ermahnen und um ihrer Sünde willen zurechtweisen. Er gibt jedem Gelegenheit, charakterliche Mängel abzulegen, ehe sie Bestandteil seines Wesens werden. Lehnt jemand jedoch Zurechtweisung ab, stellt Gott sich nicht seiner Handlungsweise entgegen. Für solch einen Menschen wird es immer einfacher, den einmal eingeschlagenen Weg weiterzugehen. Aber er verhärtet damit sein Herz gegen den Einfluß des Heiligen Geistes. PP 244.2
Überdies wird ihn weitere Zurückweisung der Erkenntnis so weit bringen, daß dann auch ein nachdrücklicherer Einfluß erfolglos bleibt und keinen Eindruck mehr hinterläßt. PP 245.1
Wer der Versuchung einmal nachgegeben hat, wird es ein zweites Mal bereitwilliger tun. Jede Wiederholung der Sünde schwächt die Widerstandskraft, stumpft die Sinne ab und erstickt das Schuldbewußtsein. Jedes Sichgehenlassen wird Frucht tragen, und Gott tut kein Wunder zur Verhütung solcher Ernte. “Was der Mensch sät, das wird er ernten.” Galater 6,7. Wer offenbaren Unglauben und törichte Unbekümmertheit gegenüber der göttlichen Wahrheit an den Tag legt, kann nur die Früchte seiner eigenen Saat ernten. Darum lauschen viele den Wahrheiten nur noch gleichgültig, die sie einst so aufrüttelten. Sie verbreiteten Geringschätzung und Widerstreben gegen die Wahrheit und empfangen, was sie verdienen. PP 245.2
Wer sich trotz Schuldbewußtsein mit dem Gedanken beruhigt, er könne seinen schlechten Lebenswandel ändern, wann er wolle; wer meint, er könne mit den Einladungen zur Gnade spielen und werde doch immer wieder davon beeindruckt, verfolgt seinen Weg auf eigene Gefahr. Wer sich in allem dem Einfluß des großen Verführers unterworfen hat, glaubt vielleicht, in der äußersten Not, wenn Gefahr ihn umgibt, den Lebensführer wechseln zu können. Aber das ist nicht so leicht getan. Erlebnisse, Ausbildung und eine Erziehung unter sündhafter Nachsicht prägen den Charakter der Menschen so stark, daß sie nun das Bild Jesu nicht mehr in sich aufnehmen können. Wäre ihnen nie Erleuchtung geworden, läge der Fall anders. Gott könnte ihnen helfen und Gelegenheiten schenken, dem Werben seiner Gnade nachzugeben. Aber wer die Erkenntnis lange zurückwies und verachtete, dem wird sie schließlich entzogen. PP 245.3
Die nächste Plage, die Pharao angedroht wurde, war Hagel. Er wurde gewarnt: “Und nun sende hin und verwahre dein Vieh und alles, was du auf dem Felde hast. Denn alle Menschen und das Vieh, alles, was auf dem Felde gefunden und nicht in die Häuser gebracht wird, muß sterben, wenn der Hagel auf sie fällt.” 2.Mose 9,19. Regen oder Hagel waren in Ägypten ganz ungewöhnlich, und ein Unwetter wie das angekündigte hatte man noch nie erlebt. Die Kunde verbreitete sich rasch, und alle, die dem Wort des Herrn glaubten, sammelten ihr Vieh, die aber die Warnung mißachteten, ließen es auf dem Felde. So zeigte sich noch mitten im Gericht Gottes Gnade. Das Volk wurde auf die Probe gestellt, und dabei erwies sich, wie viele durch die Offenbarung seiner Macht Gott fürchten gelernt hatten. PP 245.4
Und der Sturm kam, wie vorhergesagt; Donner und Hagel mit Feuer vermischt, “so schwer, wie er noch nie in ganz Ägyptenland gewesen war, seitdem Leute dort wohnen. Und der Hagel erschlug in ganz Ägyptenland alles, was auf dem Felde war, Menschen und Vieh, und zerschlug alles Gewächs auf dem Felde und zerbrach alle Bäume auf dem Felde.” 2.Mose 9,24.25. Zerstörung und Verwüstung bezeichneten den Weg des Würgeengels. Allein das Land Gosen war wieder verschont geblieben, ein Beweis für die Ägypter, daß die Erde der Herrschaft des lebendigen Gottes untersteht, die Elemente seiner Stimme gehorchen und die einzige Sicherheit im Gehorsam gegen ihn besteht. PP 246.1
Ganz Ägypten zitterte bei dem schrecklichen Ausbruch göttlichen Gerichts. Eilig sandte Pharao nach den beiden Brüdern und rief aus: “Diesmal hab ich mich versündigt; der Herr ist im Recht, ich aber und mein Volk sind schuldig. Bittet aber den Herrn, daß er ein Ende mache mit diesem Donnern und Hageln, so will ich euch ziehen lassen, daß ihr nicht länger hier bleiben müßt.” 2.Mose 9,27.28. Die Antwort war: “Wenn ich zur Stadt hinauskomme, will ich meine Hände ausbreiten zum Herrn, so wird der Donner aufhören und kein Hagel mehr fallen, damit du innewirst, daß die Erde des Herrn ist. Ich weiß aber: Du und deine Großen, ihr fürchtet euch noch nicht vor Gott dem Herrn.” 2.Mose 9,29.30. PP 246.2
Mose wußte, daß der Kampf noch nicht beendet war. Pharaos Bekenntnisse und Versprechungen entsprangen keineswegs einer grundlegenden Sinnesänderung. Angst und Entsetzen hatten sie ihm abgepreßt. Trotzdem versprach Mose, seiner Bitte nachzukommen. Er wollte ihm keinen Anlaß zu weiterer Halsstarrigkeit geben. Ohne Rücksicht auf den wilden Sturm ging der Prophet hinaus, und Pharao wurde mit seinem ganzen Gefolge Zeuge der Macht Jahwes, der seinen Boten bewahrte. “So ging nun Mose von dem Pharao zur Stadt hinaus und breitete seine Hände aus zum Herrn, und Donner und Hagel hörten auf, und der Regen troff nicht mehr auf die Erde.” 2.Mose 9,33. Aber kaum hatte sich der König von seinen Ängsten erholt, verfiel er wieder in seinen alten Eigensinn. PP 246.3
Darauf sprach der Herr zu Mose: “Geh hin zum Pharao; denn ich habe sein und seiner Großen Herz verhärtet, auf daß ich diese meine Zeichen unter ihnen tue und auf daß du verkündigest vor den Ohren deiner Kinder und deiner Kindeskinder, wie ich mit den Ägyptern verfahren bin und welche Zeichen ich unter ihnen getan habe, damit ihr wisset: Ich bin der Herr.” 2.Mose 10,1.2. Er bekundete seine Macht, um den Glauben Israels an ihn als den einzig wahren, lebendigen Gott zu festigen. Er gab ihnen hier einen unmißverständlichen Beweis für den Unterschied, den er zwischen ihnen und den Ägyptern machte, und wollte zugleich alle Völker wissen lassen, daß die von ihnen verachteten, unterdrückten Hebräer unter dem Schutz des Gottes im Himmel standen. PP 247.1
Mose warnte den Herrscher, Gott werde eine Heuschreckenplage senden, wenn er weiter hartnäckig bliebe. Sie würden den ganzen Erdboden bedecken und alles Grüne fressen, das übriggeblieben war. Sie würden die Häuser und sogar den Palast füllen und eine Plage sein, “wie es nicht gesehen haben deine Väter und deiner Väter Väter, seit sie auf Erden waren bis auf diesen Tag”. 2.Mose 10,6. PP 247.2
Pharaos Ratgeber standen entsetzt. Der Staat hatte bereits durch den Tod des Viehs große Verluste erlitten. Viele Menschen waren durch den Hagel umgekommen. Die Wälder waren niedergebrochen und die Ernte vernichtet. Alles, was sie durch die Arbeit der Hebräer gewonnen hatten, sollte den Ägyptern so schnell wieder verlorengehen. Das ganze Land war vom Hungertode bedroht. Fürsten und Höflinge drängten sich um den König und forderten zornig: “Wie lange soll dieser Mann uns Verderben bringen? Laß die Leute ziehen, daß sie dem Herrn, ihrem Gott, dienen. Willst du erst erfahren, daß Ägypten untergegangen ist?” 2.Mose 10,7. PP 247.3
Wieder wurden Mose und Aaron gerufen, und der Herrscher sagte ihnen: “Geht hin und dienet dem Herrn, eurem Gott. Wer von euch soll aber hinziehen?” 2.Mose 10,8. PP 247.4
Die Antwort lautete: “Wir wollen ziehen mit jung und alt, mit Söhnen und Töchtern, mit Schafen und Rindern; denn wir haben ein Fest des Herrn.” 2.Mose 10,9. PP 247.5
Wutentbrannt schrie der König: “O ja, der Herr sei mit euch, so gewiß wie ich euch und eure Kinder ziehen lasse! Ihr seht doch selbst, daß ihr Böses vorhabt! Nein, nur ihr Männer zieht hin und dient dem Herrn! Denn das ist es doch, was ihr begehrt habt.” 2.Mose 10,10.11. Danach stieß man sie hinaus vom Pharao. Pharao hatte zunächst mit allen Mitteln versucht, die Israeliten durch harte Arbeit zu vernichten. Nun aber war sein Ziel, Frauen und Kinder als Sicherheit für die Rückkehr der Männer dazubehalten. PP 247.6
Mose reckte nun seinen Stab über das Land, ein Ostwind erhob sich und brachte Heuschrecken, “so viele, wie nie zuvor gewesen sind noch hinfort sein werden”. 2.Mose 10,14. Sie bedeckten den Himmel, bis das Land verdunkelt wurde, und verschlangen alles Grüne, das übriggeblieben war. Eilig schickte Pharao nach den Propheten und sagte: “Ich habe mich versündigt an dem Herrn, eurem Gott, und an euch. Vergebt mir meine Sünde nur noch diesmal und bittet den Herrn, euren Gott, daß er doch diesen Tod von mir wegnehme.” 2.Mose 10,16.17. Sie taten es, und ein starker Westwind trieb die Heuschrecken weg zum Roten Meer. Trotzdem beharrte der König weiter auf seiner starrsinnigen Entschlossenheit. PP 248.1
Die Ägypter waren am Verzweifeln. Die bisher erlebten Plagen schienen fast unerträglich gewesen zu sein, darum fürchteten sie sich vor der Zukunft. Bis dahin verehrte das Volk in Pharao einen Vertreter der Gottheit. Aber nun waren viele davon überzeugt, daß er sich einem widersetzte, dem alle Naturkräfte dienten. Die so wundersam verschonten hebräischen Sklaven begannen zuversichtlich auf ihre Befreiung zu warten. Ihre Fronvögte wagten nicht mehr, sie wie früher zu unterdrücken. In ganz Ägypten lebte die geheime Angst, diese Sklaven könnten sich erheben und für das angetane Unrecht Rache nehmen. Überall fragte man sich mit angehaltenem Atem: Was wird jetzt kommen? PP 248.2
Plötzlich senkte sich eine Finsternis auf das Land, so dicht und unheilvoll, als könne “man sie greifen”. 2.Mose 10,21. Das Volk war nicht nur des Lichtes beraubt, auch die Luft war so drückend, daß das Atmen schwer wurde. Keiner sah den andern, noch konnte er weggehen “von dem Ort, wo er gerade war, drei Tage lang. Aber bei allen Kindern Israel war es licht in ihren Wohnungen.” 2.Mose 10,23. Die Ägypter beteten Sonne und Mond an. Aber mit dieser rätselhaften Finsternis wurden Volk wie Götter von einem Mächtigen heimgesucht, der für die Sklaven eintrat. So schrecklich dieses Gericht war, bewies es doch auch Gottes Mitleid. PP 248.3
Er wollte sie nicht vernichten, sondern ihnen Zeit zur Besinnung und Reue geben, ehe er die letzte und schrecklichste Plage über sie hereinbrechen ließe. PP 249.1
Die Furcht zwang Pharao schließlich zu einem weiteren Zugeständnis. Nach der dreitägigen Finsternis ließ er Mose rufen. Er stimmte dem Aufbruch des Volkes zu, vorausgesetzt, daß sie ihre Herden zurückließen. “Nicht eine Klaue darf dahinten bleiben”, erwiderte der Hebräer entschieden. “Wir wissen nicht, womit wir dem Herrn dienen sollen, bis wir dorthin kommen.” 2.Mose 10,26. Im Zorn verlor der König nun jede Beherrschung: “Geh von mir”, schrie er, “und hüte dich, daß du mir nicht mehr vor die Augen kommst; denn an dem Tage, da du mir vor Augen kommst, sollst du sterben.” Mose antwortete: “Wie du gesagt hast; ich werde dir nicht mehr vor die Augen kommen.” 2.Mose 10,28.29. PP 249.2
“Mose war ein sehr angesehener Mann in Ägyptenland vor den Großen des Pharao und vor dem Volk.” 2.Mose 11,3. Sie beobachteten ihn mit ehrfürchtiger Scheu. Der König wagte es nicht, ihn anzutasten, weil das Volk in ihm den einzigen sah, der die Macht besaß, die Plagen abzuwenden. Sie wollten, daß man Israel erlaubte, Ägypten zu verlassen. Der König aber und die Priester widersetzten sich Moses Forderungen bis zuletzt. PP 249.3