Kapitel 3: Wissen, was Gut und Böse ist
“Obwohl die Menschen Gott schon immer kannten,
wollten sie ihn nicht anerkennen und ihm nicht danken.
Statt dessen beschäftigten sie sich mit belanglosen Dingen
und konnten schließlich in ihrer Unvernunft
Gottes Willen nicht mehr erkennen.”
Römer 1,21.
Unsere Ureltern waren zwar unschuldig und heilig erschaffen worden, doch das bedeutete nicht, daß es ihnen unmöglich gewesen wäre, etwas Unrechtes zu tun.
ERZ 21.1
Selbstverständlich hätte Gott den Menschen in seiner seelischen und geistigen Struktur auch so anlegen können, daß ein Abweichen vom Weg Gottes ausgeschlossen gewesen wäre. Allerdings hätte das den Verzicht auf freie sittliche Entscheidung und Charakterbildung bedeutet. Sie wären dann zwar gehorsam gewesen, aber nicht aus eigenem Antrieb, sondern gezwungenermaßen. Das wollte Gott nicht. Deshalb überließ er ihnen die freie Entscheidung, ob sie ihm treu und gehorsam sein oder ihren eigenen Weg gehen wollten. Von dieser Wahl würde es abhängen, ob der Herr ihnen seinen Segen in Fülle schenken konnte oder nicht. Daraus ergab sich für Gott die Notwendigkeit, die Liebe und Treue der Menschen ganz konkret und an einer bestimmten Stelle zu prüfen.
ERZ 21.2
Neben dem “Baum, dessen Frucht Leben schenkt” stand in der Mitte des Garten Eden auch ein “Baum, der Gut und Böse erkennen läßt”. Hier sollte sich zeigen, wie der Mensch mit dem Geschenk der freien Entscheidung umgehen würde. Gottes Weisung lautete: “Von allen Bäumen im Garten darfst du essen, nur nicht von dem Baum, der dich Gut und Böse erkennen läßt. Sobald du davon ißt, mußt du sterben!” Gott verheimlichte Adam und Eva nicht, daß es im Universum auch das Böse gibt, aber er wollte nicht, daß sie damit in Berührung kamen. Er wollte sie vor der Sünde und ihren schrecklichen Folgen bewahren. Mühevolle und oft vergebliche Arbeit, peinigende Sorge, Enttäuschung, Trauer, Schmerz und Tod sollten ihnen erspart bleiben. Gott liebte seine Geschöpfe so sehr, daß er sie davor bewahren wollte. Das war auch der Grund, warum er sie unmißverständlich warnte, sich mit dem Bösen einzulassen.
ERZ 21.3
Doch während Gott das Gute für die Menschen wollte, setzte Satan alles daran, ihnen zu schaden. Das Verhängnis begann damit, daß Eva Gottes Warnung in den Wind schlug und die “Bannmeile” um den verbotenen Baum überschritt. Damit geriet sie in den Einflußbereich Satans, und der wußte genau, wie er sie in seinen Bann ziehen konnte. Zunächst weckte er Evas Neugier, um dann Gottes Weisungen in Frage zu stellen und Zweifel an seiner Weisheit und Güte zu säen. Anfangs wehrte sich Eva gegen die Verdrehung der göttlichen Anweisung, indem sie korrigierte: Natürlich dürfen wir von den Früchten im Garten essen, “nur von dem Baum in der Mitte des Gartens nicht. Gott hat gesagt: ‘Eßt nicht von seinen Früchten, ja — berührt sie nicht einmal, sonst müßt ihr sterben!’” Aber Satan wischte das alles mit der Behauptung weg: “Unsinn! Ihr werdet nicht sterben [...] aber Gott weiß: Wenn ihr davon eßt, werden eure Augen geöffnet — ihr werdet sein wie Gott und wissen, was Gut und Böse ist.”
ERZ 22.1
Damit ließ Satan das Wissen um Gut und Böse geschickt als faszinierend und erstrebenswert erscheinen und stellte zugleich Gott als den hin, der den Menschen in ihrem berechtigten Streben nach höherer Erkenntnis und vollendetem Glück im Wege stand. Auch sie, so behauptete die Schlange, sei erst durch den Genuß der verbotenen Frucht wissend geworden. Und wenn die Menschen es ihr gleichtäten, könnten auch sie ihre Erkenntnis erweitern und sich zu der Daseinsstufe aufschwingen, die Gott ihnen eigensüchtig vorenthalte.
ERZ 22.2
Davon, daß Satan gerade sein unbändiges und skrupelloses Streben nach Selbstbehauptung und Macht zum Verhängnis geworden war und seinen Sturz aus dem Himmel verursacht hatte, erfuhr Eva freilich nichts. Wahrheit und Lüge wurden so geschickt gemischt, daß sie beeindruckt war und die Täuschung nicht mehr bemerkte. Nun hatte Satan sie so weit, daß sie an Gottes Weisheit zweifelte und unbedingt wollte, was Gott verboten hatte. Ihr Vertrauen zum Schöpfer, das der wahre Schlüssel zur Erkenntnis ist, war erschüttert und untergraben. Das hatte fatale Folgen: “Die Frau schaute den Baum an. Er sah schön aus! Seine Früchte wirkten verlockend, und klug würde sie davon werden! Sie pflückte eine Frucht, biß hinein und reichte sie ihrem Mann, und auch er aß davon.”
ERZ 23.1
Die Schlange hatte versichert, der Genuß der verbotenen Frucht werde den Menschen endlich die Augen öffnen für neue, atemberaubende Erkenntnisse. Damit hatte sie recht — nur waren die Erkenntnisse nicht faszinierend, sondern bitter! Der Griff zum “Baum, der Gut und Böse erkennen läßt” geriet nicht zum Aufstieg in ungeahnte geistige Höhen, sondern zum Absturz in das Elend der Sünde. Das Verhängnis bestand nicht darin, daß die Frucht giftig oder die Eßlust sündig gewesen wäre, sondern im Mißtrauen Gott gegenüber und im Mißachten seiner Autorität. Hier lagen die Ursachen, die unsere Ureltern zu Sündern werden ließen. Damit öffneten sich nicht nur die Tore für die Erkenntnis des Bösen, sondern auch die Schleusen, durch die sich das Böse in allen Spielarten über die Menschheit ergoß.
ERZ 23.2
Anstatt auf Gott zu hören, hatten die ersten Menschen ihr Ohr dem Versucher und Betrüger geliehen — und damit verloren sie alles, was Gott ihnen zugedacht hatte. Das satanische Gemisch von Wahrheit und Lüge hatte ihre Sinne betört, sie geistig und geistlich verunsichert und zu einer verhängnisvollen Fehlentscheidung verleitet. Dadurch zerstörten sie selbst die vertraute Beziehung zu Gott und wurden ihrer Bestimmung untreu. Und es erschien unmöglich, unter den nun herrschenden Bedingungen jemals wieder in die ursprüngliche Stellung zurückkehren zu können.
ERZ 23.3
Die unmittelbaren Folgen der Sünde bekamen die Menschen schnell zu spüren, als Gott sie aus dem Garten Eden vertrieb. Das vollkommene Paradies war hinfort kein Ort mehr, in dem sündige Menschen das lernen konnten, was sie unter den veränderten Bedingen notwendigerweise lernen mußten. Unendlich traurig verließ das erste Menschenpaar sein Zuhause, um hinfort in einer Welt zu wohnen, die schwer an der Last der Sünde zu tragen hatte.
ERZ 24.1
Gott hatte zu Adam gesagt: “Deiner Frau zuliebe hast du mein Verbot mißachtet. Deshalb soll der Ackerboden verflucht sein! Dein ganzes Leben lang wirst du dich abmühen, um dich von seinem Ertrag zu ernähren. Du bist auf ihn angewiesen, um etwas zu essen zu haben, aber er wird immer wieder mit Dornen und Disteln übersät sein. Du wirst dir dein Brot mit Schweiß verdienen müssen, bis du stirbst. Dann wirst du zum Erdboden zurückkehren, von dem ich dich genommen habe. Denn du bist Staub von der Erde, und zu Staub mußt du wieder werden!”
ERZ 24.2
Hinfort stand die Erde zwar unter Gottes Fluch, doch die Schöpfung sollte auch weiterhin das Lehrbuch der Menschen sein. Allerdings würde man in der Natur neben dem Guten und Bewundernswerten zunehmend mehr den Atem des Bösen spüren. Die Auswirkungen der Sünde griffen zwangsläufig auf alle Lebensbereiche des Menschen über. Das sollte sie stets warnend daran erinnern, welch unübersehbare Folgen Ungehorsam hat. Jede welkende Blüte und jedes fallende Blatt wurde ihnen zu einem Zeichen der Vergänglichkeit. Der Verfall in der Natur signalisierte, daß alles Lebendige eines Tages sterben muß. Selbst die Luft, die sie atmeten, trug hinfort den Keim des Todes in sich.
ERZ 24.3
Die Natur erinnerte Adam und Eva auch immer wieder daran, welche Stellung sie einst gehabt hatten. Gott hatte ihnen die Herrschaft über die gesamte Schöpfung anvertraut. Damals lebten sie im Einklang mit allen anderen Geschöpfen. Das hatte sich durch die Sünde grundlegend geändert, denn der rebellische Geist, dem die Menschen Einlaß gewährt hatten, machte sich auch in der Natur breit und begegnete ihnen auf Schritt und Tritt.
ERZ 24.4
Glücklicherweise lieferte Gott die Sünder nicht völlig dem Bösen aus. In dem Urteil, das über die Schlange gesprochen wurde, schwingt bereits ein Hinweis auf die Erlösung mit: “Und ich bestimme, daß Feindschaft herrschen soll zwischen dir und der Frau, zwischen deinen Nachkommen und ihren Nachkommen. Sie werden euch den Kopf zertreten und ihr werdet sie in die Ferse stechen.” Dieses Wort Gottes wurde in Hörweite unserer Ureltern ausgesprochen und hat sie lebenslang als göttliches Versprechen begleitet. Noch bevor sie etwas von Dornen und Disteln hörten, von schwerer Arbeit und Not oder vom “Werden zu Staub”, machte Gott ihnen Hoffnung. Im Klartext heißt das: Alles, was ihr an Satan verloren habt, wird Christus für euch zurückgewinnen!
ERZ 25.1
Auch die Natur weist in der ihr eigenen Sprache auf diese Verheißung hin. Gewiß, auch sie ist durch den Jahrtausende währenden Prozeß der Sünde entstellt, dennoch kann man in ihr immer noch Hinweise auf die Schöpfung und Erlösung finden. Neben Verfall und Tod gibt es in der Natur auch unübersehbare Zeichen für Gottes lebenspendende Kraft. Die Bäume verlieren ihr Laub, aber nur, um sich mit einem neuen Blätterkleid zu schmücken; die Blumen verblühen, aber aus ihren Samen wachsen neue Blumen. Das alles sind Beweise der Schöpferkraft, durch die auch wir neu geschaffen werden. Deshalb schreibt der Apostel Paulus: “Ihr sollt den ‘neuen Menschen’ anziehen, wie man ein Kleid anzieht. Diesen neuen Menschen hat Gott selbst nach seinem Bild geschaffen; er ist gerecht und heilig, weil er sich an das Wort der Wahrheit hält.”
ERZ 25.2
Wer auf die Stimme der Schöpfung achtet, kann aus ihr immer noch Gottes Warnung vor dem Bösen und seine Einladung zum Heil heraushören.
ERZ 25.3
791
ERZ
Erziehung
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