Erziehung

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Kapitel 4: Das Verhältnis der Erziehung zur Erlösung

“Durch uns sollen alle Menschen Gottes Herrlichkeit erkennen,
die in Jesus Christus sichtbar wird.”

2.Korinther 4,6.

Durch die Sünde zerbrach die ungetrübte Beziehung zwischen Mensch und Gott. Hätte es nicht den Erlösungsplan gegeben, wäre die Trennung von Gott endgültig gewesen, und der Weg des Menschen hätte sich im Dunkel der Gottesferne verloren. ERZ 26.1

Indem Christus sich für uns opferte, stellte er die zerbrochene Beziehung zu Gott wieder her. Zwar war nicht mehr alles so wie am Anfang, denn die Sünde konnte nicht rückgängig gemacht werden. Deshalb kann der Mensch Gott nicht mehr von Angesicht zu Angesicht begegnen, durch Christus aber dennoch Gemeinschaft mit ihm haben und andere auf die Herrlichkeit Gottes aufmerksam machen, die “in Jesus Christus sichtbar wird”. ERZ 26.2

Im Johannesevangelium heißt es: “Gottes Sohn wurde Mensch und lebte unter uns Menschen. Wir selbst haben seine göttliche Herrlichkeit gesehen, wie sie Gott nur seinem einzigen Sohn gibt. In Christus sind Gottes Barmherzigkeit und Liebe wirklich zu uns gekommen.”1 Und an anderer Stelle steht: “Von ihm kommt alles Leben, und sein Leben ist das Licht für alle Menschen.”2 Jesu Menschwerdung und sein Opfertod waren der Preis, der gezahlt werden mußte, um uns für ein Leben mit Gott “zurückzukaufen”. Sie sind zugleich als Anzahlung für unser ewiges Leben zu verstehen und eine weit höhere Offenbarung des Wesens Gottes, als sie den ersten Menschen im Paradies zuteil wurde. ERZ 26.3

Aber Jesus hat nicht nur die Tür zum Himmel aufgestoßen, sondern uns zugleich auch das Herz für die Lebensfülle der göttlichen Welt geöffnet. Denn die Sünde trennt nicht nur von Gott, sondern zerstört im Menschen auch den Wunsch und die Bereitschaft, zu Gott zurückzukehren. Darauf hatte es Satan angelegt, und genau dem tritt Christus entgegen, indem er die abgestumpfte Seele des Menschen, seinen verblendeten Verstand und den irregeleiteten Willen wieder in gottgewollte Bahnen zurückführte. Damit hat er uns den himmlischen Reichtum wieder in ganzer Fülle zugänglich gemacht. ERZ 27.1

Das wollte Johannes zum Ausdruck bringen, als er schrieb: “Christus ist dieses wahre Licht, das für alle Menschen in der Welt leuchtet.”1 Wie der Mensch das Leben aus der Schöpferhand Christi empfangen hat, so wird auch seine Seele, der innere Mensch, durch die Strahlen des göttlichen Lichts zu neuem Leben erweckt. Er hat uns nämlich nicht nur Verstand und die Fähigkeit zum Denken gegeben, sondern auch mit geistlichen Kräften, mit dem Empfinden für Recht und Unrecht und mit der Sehnsucht nach dem Guten beschenkt. All das wollte Satan für immer zerstören, indem er die ersten Menschen zum Griff nach der verbotenen Frucht verleitete. Und die Folgen dieses Fehlgriffs gehören seither zur Lebenserfahrung jedes Menschen. In jedem steckt die Neigung zum Bösen, mit der er allein nicht fertig werden könnte. Wir alle tragen aber auch die Sehnsucht in uns, so zu sein, wie Gott es von Anfang an gewollt hat. Wäre Jesus nicht gekommen, gäbe es keine Möglichkeit, daß diese Sehnsucht jemals gestillt wird. Aber nun steht er uns als Erlöser zur Seite, um uns zu unserer eigentlichen Bestimmung zurückzuführen. Sollte es da nicht höchstes Ziel sein, die Beziehung zu Christus zu bewahren und mit ihm zusammenzuwirken? ERZ 27.2

Ein wirklich guter Lehrer gibt sich nicht mit dem Mittelmaß zufrieden. Er möchte mit seinen Schülern und für sie das Bestmögliche erreichen. Selbstverständlich ist es ein großer Erfolg, wenn ein Lehrer dazu beitragen kann, daß sich junge Menschen Fachwissen aneignen und zu guten Buchhaltern, geschickten Handwerkern, begabten Künstlern oder erfolgreichen Geschäftsleuten werden. Aber das ist nicht genug, denn der Mensch muß auch an Werte wie Ehrlichkeit, Verantwortungsbewußtsein, Redlichkeit, Wahrheitsliebe, Lauterkeit und Dienstbereitschaft herangeführt werden. Nur wer über das notwendige Fachwissen hinaus auch diese Lektionen lernt, wird wirklich positiv in die Gesellschaft hineinwirken können. ERZ 27.3

Die lebendige Beziehung zu Christus läßt diese ethischen Grundsätze zu einer Kraft werden, die den Charakter des Menschen formt. Wer sich für Christus entscheidet und bei ihm bleibt, dem öffnet sich damit eine Quelle der Weisheit, wie er sie nirgendwo sonst findet. Ihm wächst die Kraft zu, höchste Ideale zu verwirklichen und die beste Bildung zu erwerben, die es in dieser Welt gibt, weil sie nicht mit diesem Leben endet, sondern ihre Fortsetzung im Reich Gottes findet. In diesem Sinne gehören Erlösung und Erziehung zusammen, denn sowohl in der Erziehung, als auch in der Erlösung ist “das Fundament [...] Jesus Christus. Niemand kann ein anderes oder gar besseres Fundament legen.”1 ERZ 28.1

Die äußeren Bedingungen haben sich zwar geändert, aber wahre Erziehung geschieht immer noch so, wie der Schöpfer sie ursprünglich gewollt hat. Wie die ersten Menschen direkt von Gott lernten, so sollen wir uns von Christus lehren lassen. Die grundlegenden Prinzipien der Erziehung haben sich nicht geändert. Wie für die Gebote gilt auch von ihnen: “Niemals verlieren sie ihre Gültigkeit, für alle Zeiten bleiben sie bestehen. Er hat sie gegeben, um uns seine Treue und Wahrhaftigkeit vor Augen zu führen [...] Alle Weisheit fängt damit an, daß wir ihn ernst nehmen.”2 ERZ 28.2

Lehrer und Erzieher sollten deshalb den ihnen Anbefohlenen vor allem behilflich sein, zu verstehen, was Gott will, und ihnen den Weg zu einer persönlichen Beziehung zu Christus weisen. Wer sich das zur Aufgabe macht, ist in Wahrheit ein Mitarbeiter Christi. ERZ 28.3