Erziehung

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Edelmut und Selbstlosigkeit

Zu denen, die durch Selbstverleugnung gleichsam in die Leidensgemeinschaft mit Christus eingetreten sind, gehören auch Jonatan und Johannes der Täufer. ERZ 165.1

Jonatan war Kronprinz und Anwärter auf den israelitischen Königsthron. Doch er wußte, daß Gott in Sachen Thronfolge anders entschieden hatte. Normalerweise hätte er David als Rivalen bekämpfen müssen, denn der stand ihm auf dem Weg zur Königsherrschaft im Weg. Tatsächlich verband ihn aber mit seinem “Rivalen” eine tiefe und unverbrüchliche Freundschaft. Mehrfach schützte er David unter Einsatz des eigenen Lebens vor den Nachstellungen Sauls. Andererseits erwies er sich auch seinem Vater gegenüber trotz allem treu. Standhaft hielt er an seiner Seite aus, als es mit Saul immer mehr bergab ging, bis er zuletzt an seiner Seite im Kampf fiel. Jonatan gilt im Himmel als einer der ganz Großen, und auf Erden zeugt seine Lebensgeschichte von der Kraft selbstloser Liebe. ERZ 165.2

Johannes der Täufer rüttelte als Vorläufer des Messias das jüdische Volk auf. Durch seine Predigten zog er Menschen aus allen Bevölkerungsschichten an. Aber als Jesus Christus auftrat, dem er den Weg bereitet hatte, wurde alles anders. Plötzlich war der Rabbi aus Nazareth in aller Munde, von Johannes aber sprach kaum noch jemand. Seinen Glauben erschütterte das nicht, im Gegenteil. Als einige seiner Anhänger ihn auf die veränderte Situation hin ansprachen, antwortete der Täufer: “Ich habe doch immer wieder erklärt, daß ich nicht Christus bin, der von Gott gesandte Retter. Habt ihr das vergessen? Ich sollte ihn nur ankündigen, mehr nicht. Die Braut wird dahin gehen, wo der Bräutigam ist. Der Freund des Bräutigams freut sich mit den beiden, auch wenn er nur daneben steht. So geht es mir jetzt. Meine Freude ist grenzenlos. Immer mehr Menschen sollen zu Christus kommen, und ich will immer mehr in den Hintergrund treten.”1 ERZ 165.3

Selbst als Christus kein irdisches Königreich aufrichtete, wie Johannes es erwartet hatte, als er selbst ins Gefängnis geworfen wurde, ohne daß der Messias ihn herausgeholt hätte, verlor er den Glauben nicht. Als er hörte, daß Jesus Kranke heilte und die Botschaft vom Reich Gottes predigte, daß Menschen an Leib und Seele gesund wurden, da begriff er, daß die Aufgabe des Messias ganz anderer Art war, als er sich das vorgestellt hatte. Deshalb nahm er sein schweres Schicksal willig aus Gottes Hand, denn er wußte, daß der Herr ihn zur Gemeinschaft mit Christus in der Selbstaufopferung bestimmt hatte. ERZ 165.4

In den folgenden Jahrhunderten haben sich Menschen, die um ihres Glaubens willen verfolgt wurden, in Gefängnissen schmachten mußten, aufs Schafott geschleppt oder auf Scheiterhaufen verbrannt wurden am Beispiel des Johannes aufgerichtet. Kein Wunder, daß Jesus versicherte: “Von allen Menschen, die je geboren wurden, ist keiner bedeutender als Johannes der Täufer.”1 ERZ 166.1

Und Johannes war nur einer der vielen, die sich selbstlos für die Sache Gottes eingesetzt haben. Deshalb heißt es auch im Hebräerbrief: “Es wären noch viele andere zu nennen. Nur würde die Zeit wohl nicht ausreichen, wollte ich sie alle aufzählen: Gideon und Barak, Simson, Jephta, David, Samuel und die Propheten. Weil sie glaubten und Gott vertrauten, konnte er Großes durch sie tun. Sie bezwangen Königreiche, sorgten für Recht und Gerechtigkeit und erlebten, wie sich Gottes Verheißungen erfüllten. Vor dem Rachen der Löwen wurden sie bewahrt, und die Glut des Feuers konnte ihnen nichts anhaben. Sie entgingen dem Schwert des Henkers. Sie waren todkrank und wurden doch wieder gesund. Weil sie sich auf Gott verließen, vollbrachten sie Heldentaten und schlugen die Feinde in die Flucht. Und Frauen erlebten, wie ihre Angehörigen von Gott auferweckt wurden. Andere, die auch Gott vertrauten, wurden gequält und zu Tode gefoltert. Sie verzichteten lieber auf ihre Freiheit, als ihren Glauben zu verraten. Die Hoffnung auf ihre Auferstehung gab ihnen Kraft. Wieder andere wurden verhöhnt und gefoltert, weil sie an Gott festhielten. Man legte sie in Ketten und warf sie ins Gefängnis. Sie wurden gesteinigt, als Ketzer verbrannt, auf qualvolle Weise getötet oder mit dem Schwert hingerichtet. Heimatlos, nur mit einem Schafpelz oder Ziegenfell bekleidet, zogen sie umher, hungrig, verfolgt und mißhandelt. Sie irrten in Wüsten und im Gebirge umher und mußten sich in einsamen Tälern und Höhlen verstecken; Menschen, zu schade für die Welt. Sie alle haben durch den Glauben die Anerkennung Gottes gefunden. Und doch warteten sie vergeblich darauf, daß sich die Verheißung Gottes noch zu ihren Lebzeiten erfüllte. Denn Gott hatte einen besseren Plan: Sie sollten mit uns zusammen ans Ziel kommen, in sein Reich.”1 ERZ 166.2