Erziehung

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Kapitel 14: Wissenschaft und Bibel

“Die ganze Schöpfung weiß es, spricht es aus:
‘Dies alles hat die Hand des Herrn gemacht!’”

Hiob 12,9 (GN).

Das Buch der Natur und das Buch der Offenbarung stimmen überein, weil sie denselben Urheber haben. Sie sprechen zwar in unterschiedlicher Art und Weise zu uns, bezeugen aber ein und dieselbe Wahrheit. ERZ 132.1

Die wissenschaftlichen Erkenntnisse wachsen ständig, doch bringen die Forschungsergebnisse, wenn sie richtig verstanden und interpretiert werden, nichts, was der göttlichen Offenbarung widerspräche. Das ist auch nicht verwunderlich, denn das Buch der Natur und die Heilige Schrift ergänzen und erklären einander. Beide weisen auf Gott hin und machen mit den Gesetzmäßigkeiten bekannt, durch die er wirkt. ERZ 132.2

Dennoch haben falsche Schlußfolgerungen, die man aus der Beobachtung von Naturvorgängen gezogen hat, zu der irrigen Meinung geführt, Wissenschaft und Bibel widersprächen einander und seien an vielen Stellen nicht miteinander vereinbar. Bemühungen, diese Übereinstimmung möglichst wieder herzustellen, gingen fast durchweg zu Lasten der Bibel. Vor allem Theologen, aber nicht nur sie, verwenden Auslegungsmethoden, die die Kraft des Wortes untergraben und die Glaubwürdigkeit der Bibel zerstören. So ist es beispielsweise gängige Meinung geworden, moderne geologische Forschungsergebnisse machten es unmöglich, den Schöpfungsbericht im ersten Buch Mose heute noch wörtlich zu nehmen. ERZ 132.3

Man hält es für bewiesen, daß sich unsere Erde über Millionen von Jahren aus dem Chaos heraus zu dem entwickelt hat, was sie jetzt ist. Konkret heißt das: Die Welt kann nicht in sechs Tagen geschaffen worden sein, wie es im Schöpfungsbericht der Bibel beschrieben wird. Und wenn die Wissenschaft sagt, es könne nicht so gewesen sein, wie es in der Bibel steht, dann muß der biblische Text eben den wissenschaftlichen Erkenntnissen angepaßt werden. So heißt es denn — wenn man überhaupt noch an einer Schöpfung festhält —, die Schöpfungstage seien nicht wirklich Tage von 24 Stunden gewesen, sondern müßten als Zeiträume von unbestimmbarer Länge verstanden werden. ERZ 132.4

Dabei sind solche und andere Deutungen höchst fragwürdig. Der biblische Bericht enthält keine Widersprüche und stimmt mit den Gegebenheiten der Natur völlig überein. In der Rückschau auf den ersten Schöpfungstag heißt es im Bibeltext ausdrücklich: “Es wurde Abend und wieder Morgen: Der erste Tag war vergangen.”1 Und die folgenden Schöpfungstage werden alle genauso beschrieben. Gottes Wort spricht also nicht von Zeiträumen, sondern von ganz normalen Tagen, die einen Abend und einen Morgen haben, so wie wir es bis heute kennen. ERZ 133.1

Auf die Frage, wie denn Gott das gesamte Schöpfungswerk in sechs Tagen bewältigen konnte, antwortet die Bibel knapp und einleuchtend: “Denn er sprach, und es geschah, er befahl, und die Erde war da.”2 Entweder ist Gott ein Gott, dem alle Möglichkeiten zur Verfügung stehen, oder er ist es nicht. Wenn er es aber ist, wie die Bibel an vielen Stellen bezeugt, dann müssen wir seinem Wort nicht kleingläubig-deutend Gewalt antun, nur um es den jeweils geltenden wissenschaftlichen Theorien anzupassen. ERZ 133.2

Es ist wahr, daß prähistorische Funde darauf hinweisen, daß einmal Menschen, Tiere und Pflanzen existierten, die wesentlich größer waren als alles, was heute die Erde bevölkert. Sie gelten gemeinhin als Beweis dafür, daß es lange vor der von Mose geschilderten Schöpfung tierisches und pflanzliches Leben auf der Erde gab. Doch diese Schlußfolgerung ist keineswegs zwingend, weil die Bibel dafür eine andere, durchaus plausible Erklärung hat. Zweifellos übertraf die Pflanzen- und Tierwelt in vorsintflutlicher Zeit an Größe und Vielfalt alles, was wir kennen. ERZ 133.3

Im Zusammenhang mit der Flutkatastrophe kam es zu gewaltigen geologischen Veränderungen. Die Erde brach auf, Fluten ergossen sich über den Planeten, zerstörten das üppige pflanzliche und tierische Leben, um es dann unter gewaltigen Erdmassen zu begraben. Auf diese Weise entstanden zum Beispiel aus den riesigen Mengen organischen Materials die großen Kohle- und Erdölvorkommen. Und wenn dieses “schwarze Gold” der Erde heutzutage gefördert wird, ist es ein stummer Zeuge für die Wahrheit und Zuverlässigkeit des Wortes Gottes. ERZ 134.1

Mit den Theorien über die geologische Entwicklung unseres Planeten geht die der Entstehung des Lebens und des Menschen Hand in Hand. Aus evolutionistischer Sicht ist der Mensch nicht die Krone eines göttlichen Schöpfungswerkes, sondern lediglich bisher letztes Glied einer Entwicklungskette, die vom Einzeller über die Weichtiere und Vierfüßler bis hin zur Menschheit führte. ERZ 134.2

Ehe man sich solchen Theorien anschließt, sollte — bei aller Wertschätzung seriöser Forschung — bedacht werden, in welch begrenztem Rahmen sich wissenschaftliches Forschen bewegt und wie eingeschränkt menschliches Erkenntnisvermögen im Grunde genommen ist. Wie oft haben Denkfehler in der Vergangenheit zu falschen Schlußfolgerungen geführt, insbesondere im Bereich der prähistorischen Forschung, die die Zeit vor der biblischen Geschichte betrifft. Immer wieder müssen angeblich gesicherte wissenschaftliche Ergebnisse neuer Erkenntnisse wegen verworfen werden. Theorien kommen und gehen, wobei ein paar Millionen Jahre mehr oder weniger keine Rolle zu spielen scheinen. Ganz zu schweigen davon, daß sich manche Thesen regelrecht widersprechen, je nach Fachrichtung oder wissenschaftlicher Schule. ERZ 134.3

Sollten wir unter solchen Voraussetzungen eine so zweifelhafte Vermutung, von Einzellern, Weichtieren oder Primaten abzustammen, der Aussage der Bibel: “So schuf Gott den Menschen als sein Ebenbild”1 vorziehen? Selbstverständlich hat der Mensch eine Ahnenreihe, aber die geht nicht abwärtsschreitend auf irgendeine Urzelle zurück, sondern von ihr heißt es: “... der war ein Sohn Adams, und Adam wurde von Gott geschaffen.”1 Auf solch eine Ahnenreihe kann man stolz sein, zeigt sie doch, daß wir — selbst über hunderte von Generationen hinweg — letztlich Nachkommen Gottes sind. ERZ 134.4

Richtig eingeordnet stehen weder die Forschungsergebnisse der Wissenschaft noch die Beobachtungen des täglichen Lebens im Widerspruch zu den Aussagen der Bibel über Gottes fortdauerndes Wirken in der Natur. ERZ 135.1

In dem Lied, das die Leviten beim Laubhüttenfest sangen, antwortete das Volk: “Du bist der Herr, du und kein anderer! Du hast den Himmel geschaffen in seiner ganzen Weite und mit allen Gestirnen. Du hast die Erde und das Meer geschaffen und alle Geschöpfe, die dort leben. Ihnen allen hast du das Leben geschenkt, und die Mächtigen im Himmel beten dich an!”2 ERZ 135.2

Soweit es diese Erde betrifft, erklärt die Heilige Schrift das Schöpfungswerk für abgeschlossen: “Nun waren ja die Werke von Anbeginn der Welt fertig ...”3 Das heißt freilich nicht, daß sich Gott aus der Welt zurückgezogen hat. Vielmehr ist es seine göttliche Kraft, die bis zum heutigen Tag ordnend und lebenserhaltend weiterwirkt. Unsere Welt ist kein Mechanismus, der, einmal in Gang gesetzt, aus eigener Kraft in Bewegung bleibt. Jeder Atemzug, jeder Herzschlag ist ein Beweis für die Fürsorge Gottes, denn durch “... ihn allein leben und existieren wir”.4 Vom kleinsten Insekt bis hin zum Menschen sind alle Geschöpfe täglich von seiner treuen Vorsorge abhängig. ERZ 135.3

“Alle deine Geschöpfe warten darauf,
daß du ihnen Nahrung gibst zur rechten Zeit.
Sie nehmen, was du ihnen ausstreust;
du öffnest deine Hand, und sie alle werden satt. Doch wenn du dich abwendest, sind sie verstört.
Wenn du den Lebenshauch zurücknimmst,
kommen sie um und werden zu Staub.
Schickst du aufs neue deinen Atem,
so entsteht wieder Leben.
Du gibst der Erde ein neues Gesicht.”1
ERZ 135.4

“Gott spannt das Zelt des Himmels aus im Leeren,
und über dem Nichts hängt er die Erde auf.
Das Wasser speichert er in seinen Wolken,
die nicht zerreißen trotz der großen Last.
In dichte Wolken hüllt er seinen Thron,
damit kein Auge ihn erblicken kann.
Rund um das Meer zog er einen Kreis;
dort liegt die Grenze zwischen Licht und Dunkel.
Die Pfeiler, die die Himmel tragen, schwanken,
Entsetzen packt sie, wenn er sie bedroht.
Mit seiner Kraft hat er das Meer besiegt
und Rahab2 umgebracht mit seinem Können.
Sein Atem hat den Himmel blankgefegt,
den schnellen Drachen hat sein Arm durchbohrt.
Das alles ist der Saum von seinen Taten,
ein schwaches Echo, das wir davon hören.
Wie groß und mächtig muß Gott wirklich sein?”3
ERZ 136.1

“Der Herr hat Geduld und wartet zu ...
Im Toben des Sturmes schreitet er dahin;
die Wolken sind der Staub,
den seine Füße aufgewirbelt haben.”4
ERZ 136.2

Die gewaltige Kraft, die überall in der Natur spürbar ist und alle Dinge erhält, ist nicht nur, wie manche behaupten, ein alles durchdringendes Prinzip oder eine auslösende Energie. Gott ist Geist, aber auch ein persönliches Wesen, denn nach seinem Bilde wurde der Mensch geschaffen. Als persönliches Wesen hat er sich auch durch seinen Sohn offenbart: “In dem Sohn Gottes leuchtet die Herrlichkeit Gottes auf, denn er entspricht dem Wesen Gottes vollkommen.”1 ERZ 136.3

Als Erdenkind war Christus von irdischer Art und menschlichem Wesen. Er kam als persönlicher Retter in diese Welt; als persönlicher Erlöser wurde er wieder in den Himmel aufgenommen; und als persönlicher Fürsprecher vertritt er uns bei Gott. Einer, “der aussah wie ein Mensch”, dient in unserer Sache am Thron Gottes.2 ERZ 137.1

Vom Heiligen Geist geleitet schrieb der Apostel Paulus über Christus: “Durch ihn ist alles geschaffen worden, was im Himmel und auf der Erde lebt, alles, was man sehen kann ... Er war vor allem anderen da, und alle Dinge bestehen durch ihn.”3 ERZ 137.2

Die Hand, die das Weltall trägt, die die Welten des Universums in Bewegung und alle Dinge in ihrer Ordnung hält, ist dieselbe Hand, die für uns ans Kreuz genagelt wurde. ERZ 137.3

Gottes Größe ist für uns unbegreiflich. “Der Herr thront im Himmel”,4 aber sein Geist ist überall gegenwärtig. Er kennt seine Werke ganz genau und hat ein persönliches Interesse an allem, was er geschaffen hat. ERZ 137.4

“Wer im Himmel oder auf der Erde
gleicht dem Herrn, unserem Gott,
ihm, der im höchsten Himmel thront
und hinabschaut in die tiefste Tiefe?”5
ERZ 137.5

“Wohin kann ich gehen, um dir zu entrinnen,
wohin fliegen, damit du mich nicht siehst?
Steige ich hinauf in den Himmel — du bist da.
Verstecke ich mich in der Totenwelt, dort bist du auch.
Fliege ich dorthin, wo die Sonne aufgeht, oder zum Ende des Meeres, wo sie versinkt:
auch dort wird deine Hand nach mir greifen,
auch dort läßt du mich nicht los.”1
ERZ 137.6

“Ob ich sitze oder stehe, du weißt es,
du kennst meine Pläne von ferne.
Ob ich tätig bin oder ausruhe, du siehst mich;
jeder Schritt, den ich mache, ist dir bekannt.
Noch ehe ein Wort mir auf die Zunge kommt,
hast du, Herr, es schon gehört.
Von allen Seiten umgibst du mich,
ich bin ganz in deiner Hand.
Daß du mich so vollständig kennst,
das übersteigt meinen Verstand;
es ist mir zu hoch, ich kann es nicht fassen.”2
ERZ 138.1

Es war der Schöpfer aller Dinge, der alles so wunderbar geregelt hatte, daß immer und überall ausreichend vorhanden ist, was gebraucht wird. Ihm ist es zu verdanken, daß jedes Bedürfnis der Menschen befriedigt werden kann. Er schuf die menschliche Seele mit der Fähigkeit zu erkennen und zu lieben, und es entspricht seiner Art, daß er die Bedürfnisse, die daraus entstehen, auch stillt. Wie sollte ein unbegreifliches Prinzip, eine unpersönliche Kraft oder eine bloße Abstraktion etwas wissen von den Sehnsüchten der Menschen, die mit Sünde zu kämpfen und Leid oder Schmerz zu ertragen haben? ERZ 138.2

Es genügt nicht, an Gesetzmäßigkeiten und Kräfte zu glauben, an abstrakte Dinge, die kein Mitgefühl empfinden und einen Hilferuf gar nicht hören würden. Es ist wichtig für uns, daß es einen mächtigen Arm gibt, der uns hält, und einen persönlichen Freund, der mit uns fühlt. Wir brauchen eine warme Hand, an der wir uns festhalten und ein liebevolles Herz, dem wir vertrauen können. Und genau so hat sich Gott in seinem Wort offenbart. ERZ 138.3

Wer sich mit den Geheimnissen der Natur befaßt, wird seine Unwissenheit und sein Unvermögen sehr bald spüren. Er wird erkennen, wie schnell der Mensch an Grenzen stößt, daß es Bereiche gibt, in die er nicht einzudringen vermag, und Geheimnisse, die ihm für immer verschlossen bleiben. Er wird Isaac Newton zustimmen, der von sich sagte: “Ich komme mir vor wie ein Kind, das am Ufer Kieselsteine und Muscheln findet, während das große Meer der Unwissenheit noch unentdeckt vor mir liegt.” ERZ 138.4

Wie dieser berühmte Naturforscher kommen auch andere Wissenschaftler nicht an der Tatsache vorbei, daß hinter dem Geschehen in der Natur eine ewige Macht zu erkennen ist. Dem, der sich nur auf seinen Verstand verläßt, mag manches in der Natur widerspruchsvoll und unsinnig erscheinen. Vieles in dieser Welt läßt sich nämlich nur im Licht der göttlichen Offenbarung richtig einordnen und verstehen. Deshalb schrieb der Verfasser des Hebräerbriefes: “Weil wir Gott vertrauen, wissen wir: Die Welt ist durch sein Wort geschaffen worden; das Sichtbare ist aus dem Unsichtbaren entstanden.”1 ERZ 139.1

Nur auf dieser Ebene kann der Verstand mit seinen bohrenden Fragen Ruhe finden, sich gleichsam wie die Taube zurück zur Arche flüchten. Überall um uns herum ist die ewige Liebe zu spüren, die alle Dinge “durch seine Macht ans Ziel” bringt, und “das Leben vollendet”.2 ERZ 139.2

“Zwar kann niemand Gott sehen; aber er zeigt sich den Menschen in seinen Werken. Weil er die Welt geschaffen hat, können sie seine ewige Macht und sein göttliches Wesen erkennen, wenn sie sich nicht dafür verschließen.”3 Aber dieses Zeugnis kann nur mit Hilfe des göttlichen Lehrers verstanden werden, denn “wie die Gedanken eines Menschen nur seinem eigenen Geist bekannt sind, so weiß auch nur der Geist Gottes, was in Gott vorgeht.”4 ERZ 139.3

“Aber wenn der Geist der Wahrheit kommt, wird er euch in die ganze Wahrheit einführen.”5 Nur unter dem Einfluß des Geistes, der am Anfang über dem Wasser schwebte, mit der Hilfe des Wortes, “durch das alle Dinge gemacht wurden” und dem wahren Licht, “das alle Menschen erleuchtet, die in diese Welt kommen”, können die Aussagen der Wissenschaft richtig gedeutet werden. ERZ 139.4

Nur durch eine solche Anleitung kann man ihre tiefsten Wahrheiten ergründen. Nur unter der Leitung des allmächtigen Gottes werden wir fähig, beim Erforschen seiner Werke seine Gedanken nachzuvollziehen. ERZ 140.1