Frühe Schriften von Ellen G. White

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Kapitel 18: Das Geheimnis der Bosheit

Es war immer die Absicht Satans, die Gedanken des Volkes von Jesus auf die Menschen zu lenken und das Prinzip der persönlichen Verantwortlichkeit des einzelnen zu zerstören. Bei der Versuchung des Sohnes Gottes schlug Satans Absicht fehl, aber als er zu den gefallenen Menschen kam, hatte er mehr Erfolg. Das Christentum war verdorben. Päpste und Priester maßten sich an, erhabene Stellungen einzunehmen, und lehrten das Volk, zur Vergebung ihrer Sünden auf sie anstatt auf Christus zu blicken. FS 199.1

Das Volk wurde vollständig verführt. Es wurde gelehrt, daß die Päpste und Priester Christi Stellvertreter seien, während sie in Wirklichkeit Satans Vertreter waren und die, die sich vor ihnen beugten, Satan dienten. Das Volk verlangte die Bibel, aber die Priester hielten es für gefährlich, sie ihnen in die Hand zu geben und selbst lesen zu lassen, denn dadurch hätten die Menschen erleuchtet und die Sünden ihrer Führer bloßgestellt werden können. Die Menschen wurden gelehrt, jedes Wort dieser Betrüger als aus dem Munde Gottes anzunehmen. Diese übten solche Gewalt über das Gewissen aus, wie sie nur Gott allein haben sollte. Wenn irgendjemand es wagte, seiner eigenen Überzeugung zu folgen, so entflammte gegen ihn derselbe Haß, wie ihn Satan und die Juden Jesus gegenüber offenbart hatten. Die Mächtigen dürsteten nach seinem Blut. FS 199.2

Es wurde mir eine Zeit vorgeführt, in der Satan besonders triumphierte. Eine große Anzahl von Christen wurde auf schreckliche Art und Weise getötet, weil sie die Reinheit ihrer Religion bewahren wollten. Die Bibel wurde gehaßt, und es wurden Anstrengungen unternommen, sie aus der Welt zu räumen. Dem Volk war bei Todesstrafe verboten, sie zu lesen. Alle Abschriften, die man finden konnte, wurden verbrannt. Aber ich sah, daß Gottes besondere Fürsorge seinem Wort galt. Er behütete es. Zu verschiedenen Zeiten gab es nur noch einige wenige Abschriften der Bibel; doch ließ er sein Wort nicht verlorengehen, denn in den letzten Tagen sollte es so vervielfältigt werden, daß jede Familie es besitzen könnte. Ich sah, daß zu der Zeit, als es nur wenige Abschriften der Bibel gab, diese den verfolgten Nachfolgern Jesu köstlich und tröstend war. Sie wurde ganz geheim gelesen. Menschen, die sich dieses besonderen Vorrechts erfreuten, fühlten, daß sie dabei eine Unterredung mit Gott, mit seinem Sohn Jesus und mit seinen Jüngern hatten. Aber dieses gesegnete Vorrecht kostete viele das Leben. Wenn sie entdeckt wurden, wurden sie zum Schafott oder zum Märtyrerpfahl geführt oder in den Kerker geworfen, um dort den Hungertod zu sterben. FS 199.3

Satan konnte den Erlösungsplan nicht verhindern. Jesus war gekreuzigt worden und am dritten Tag wieder auferstanden. Aber Satan sagte seinen Engeln, daß er sogar die Kreuzigung und die Auferstehung zu seinem Vorteil verwenden wolle. Er war bereit, sich damit abzufinden, daß jene, die den Glauben an Jesus bekannten, wußten, daß die jüdischen Opfergesetze mit dem Tode Jesu aufgehört hatten. Wenn er sie nur weiterführen und glauben machen könnte, daß die Zehn Gebote ebenfalls mit Christus gestorben seien. FS 200.1

Ich sah, daß viele bereitwillig diese Täuschung Satans annahmen. Der ganze Himmel war mit Unmut erfüllt, als man sah, daß das heilige Gesetz Gottes mit Füßen getreten wurde. Jesus und all die himmlischen Heerscharen waren mit der Natur des Gesetzes Gottes vertraut. Sie wußten, daß er es nicht verändern oder abschaffen würde. Der hoffnungslose Zustand des Menschen nach dem Fall verursachte im Himmel den tiefsten Kummer und bewog Jesus zu dem Angebot, für die Übertreter des heiligen Gesetzes Gottes sterben zu wollen. Wenn aber dieses Gesetz hätte abgeschafft werden können, so hätte auch der Mensch ohne den Tod Jesu errettet werden können. Folglich zerstörte sein Tod nicht das Gesetz seines Vaters, sondern machte es groß und ehrte es und forderte Gehorsam gegenüber allen seinen heiligen Vorschriften. FS 200.2

Wenn die Gemeinde rein und standhaft geblieben wäre, so hätte Satan sie nicht dazu verführen können, das Gesetz Gottes mit Füßen zu treten. In diesem frechen Plan stritt Satan direkt gegen die Grundlage der Regierung Gottes im Himmel und auf Erden. Seiner Rebellion wegen wurde er aus dem Himmel verstoßen. Nachdem er sich empört hatte, wollte er, um sich selbst zu retten, daß Gott sein Gesetz verändere; aber es wurde ihm vor allen himmlischen Heerscharen gesagt, daß Gottes Gesetz unveränderlich sei. Satan weiß, wenn er andere verleiten kann, das Gesetz Gottes zu verachten, daß er sie dann für seine Zwecke gewonnen hat; denn jeder Übertreter dieses Gesetzes muß sterben. FS 201.1

Satan beschloß, noch weiter zu gehen. Er sagte seinen Engeln, daß manche so eifrig für Gottes Gesetz eintreten, daß sie nicht in dieser Falle gefangen werden könnten. Die Zehn Gebote seien so klar, daß viele glauben, daß sie noch verbindlich seien. Deshalb müsse er versuchen, wenigstens eines der Gebote zu verfälschen. Er veranlaßte dann seine Vertreter, das vierte oder Sabbatgebot zu verändern, das einzige von den zehn, das den wahren Gott, den Schöpfer Himmels und der Erde, offenbart. Satan führte ihnen die herrliche Auferstehung Jesu vor und sagte ihnen, daß der Herr durch seine Auferstehung am ersten Tag der Woche den Sabbat vom siebenten Tag der Woche auf den ersten verlegt habe. FS 201.2

So benutzte Satan die Auferstehung zu seinen Zwecken. Er und seine Engel freuten sich, weil die Irrtümer, die sie vorbereitet hatten, von den bekenntlichen Freunden Christi so gut aufgenommen wurden. Was den einen mit frommem Schrecken erfüllte, nahm ein anderer an. So wurden verschiedene Irrtümer eingeführt und mit Eifer verteidigt. Der Wille Gottes, der in seinem Worte so klar offenbart ist, war mit Irrtümern und Traditionen überdeckt, die als Gebote Gottes gelehrt werden. Obgleich diese den Himmel herausfordernde Täuschung bis zum zweiten Kommen Christi andauern wird, ist doch Gott durch diese ganze Zeit des Irrtums und der Täuschung nicht ohne Zeugen gewesen. Mitten in der Finsternis und der Verfolgung der Gemeinde fanden sich immer treue und gläubige Menschen, die alle Gebote Gottes hielten. FS 201.3

Ich sah, daß die Engel mit Erstaunen erfüllt wurden, als sie die Leiden und den Tod des Königs der Herrlichkeit beobachteten. Ich sah aber auch, daß sie sich nicht darüber wunderten, daß der Herr des Lebens und der Herrlichkeit, der alle Himmel mit Freude und Glanz erfüllte, die Bande des Todes zerbrach und als triumphierender Sieger aus seinem Gefängnis hervorging. Wenn deshalb eines dieser Ereignisse durch einen Ruhetag gefeiert werden sollte, so ist es die Kreuzigung. Ich sah aber, daß keines dieser Ereignisse bestimmt war, Gottes Gesetz zu verändern oder abzuschaffen. Sie sind im Gegenteil der stärkste Beweis für seine Unveränderlichkeit. FS 202.1

Diese beiden wichtigen Ereignisse, der Tod und die Auferstehung Christi, haben ihre Erinnerung. Durch die Teilnahme am Abendmahl des Herrn, am gebrochenen Brot und an der Frucht des Weinstocks, verkündigen wir des Herrn Tod, bis daß er kommt. Die Szenen seiner Leiden und seines Todes werden uns auf diese Weise frisch ins Gedächtnis gerufen. Die Auferstehung Christi wird gefeiert, indem wir mit ihm in der Taufe begraben werden und danach aus dem Wassergrab auferstehen, gleich seiner Auferstehung, um in einem neuen Leben zu wandeln. FS 202.2

Es wurde mir gezeigt, daß das Gesetz Gottes für immer feststeht und auf der neuen Erde bis in alle Ewigkeit bestehen bleibt. Als bei der Schöpfung die Grundfesten der Erde gelegt wurden, blickten die Söhne Gottes mit Bewunderung auf das Werk des Schöpfers, und alle himmlischen Heerscharen jauchzten vor Freude. Damals wurde der Grund des Sabbats gelegt. Am Ende der sechs Schöpfungstage ruhte Gott am siebenten Tag der Woche von allen seinen Werken, die er gemacht hatte. Er segnete den siebenten Tag und heiligte ihn, weil er an ihm von allen seinen Werken geruht hatte. Der Sabbat war vor dem Fall in Eden eingesetzt worden und wurde von Adam und Eva und allen himmlischen Heerscharen gehalten. Gott ruhte am siebenten Tag und segnete und heiligte ihn. Ich sah, daß der Sabbat niemals abgetan werden wird, sondern daß die erlösten Heiligen und die ganze Engelschar ihn bis in alle Ewigkeit dem großen Schöpfer zu Ehren halten werden. FS 202.3