Frühe Schriften von Ellen G. White

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Kapitel 29: An die Unerfahrenen

Ich sah, daß manche keinen klaren Begriff von der Wichtigkeit der Wahrheit oder ihrer Wirkung haben und nach den Eingebungen des Augenblicks handeln, oft ihren eigenen Gefühlen folgen und die Gemeindeordnung mißachten. Solche scheinen zu denken, daß Religion hauptsächlich im Lärmmachen bestehe.1 Manche, die gerade erst die Wahrheit der dritten Engelsbotschaft angenommen haben, sind entschlossen, jene zu tadeln und zu belehren, die schon seit Jahren in der Wahrheit gegründet sind, für sie gelitten und ihre heiligende Kraft erfahren haben. Wer durch den Feind so aufgebläht wurde, wird den heiligenden Einfluß der Wahrheit empfinden müssen und erkennen, wie die Wahrheit ihn beurteilt, nämlich als “elend, jämmerlich, arm, blind und bloß”. Offenbarung 3,17. Wenn die Wahrheit anfängt, ihn zu reinigen und seine Schlacken entfernt, was sicher der Fall sein wird, wenn sie aus Liebe angenommen wurde, so wird der, an dem dieses große Werk geschehen ist, nicht denken, daß er reich sei und nichts brauche. FS 109.2

Wer die Wahrheit bekennt und glaubt, daß er schon alles weiß, ehe er nur ihre ersten Grundsätze gelernt hat, und es so eilig hat, die Stelle des Lehrers einzunehmen und die zu tadeln, die seit Jahren fest für die Wahrheit einstehen, zeigt dadurch klar, daß er kein Verständnis der Wahrheit hat und nichts von ihrer Wirkung weiß. Würde er ihre heiligende Kraft kennen, so würde er die friedsame Frucht der Gerechtigkeit hervorbringen und unter dem sanften, mächtigen Einfluß der Wahrheit demütig werden. Er würde zur Ehre Gottes Frucht bringen und erkennen, was die Wahrheit für ihn getan hat, und andere höher achten als sich selbst. FS 109.3

Ich sah, daß die “Übrigen” nicht vorbereitet sind für das, was über die Erde kommt. Gleichgültigkeit schien wie eine Lethargie die Gemüter der meisten zu beherrschen, die vorgeben zu glauben, daß wir die letzte Botschaft haben. Mein begleitender Engel rief mit schrecklichem Ernst: “Macht euch bereit! Macht euch bereit! Macht euch bereit, denn der grimmige Zorn des Herrn kommt bald. Sein Zorn wird ausgegossen, unvermischt mit Gnade, und ihr seid nicht bereit. Zerreißt die Herzen und nicht die Kleider! Ein großes Werk muß für die ‘Übrigen’ getan werden. Viele von ihnen halten sich mit kleinen Schwierigkeiten auf”. Der Engel sagte: “Legionen böser Engel sind um euch herum und versuchen, ihre schreckliche Finsternis über euch zu bringen, euch zu umgarnen und abzubringen. Ihr laßt euch zu rasch von dem Werk der Vorbereitung und den allerwichtigsten Wahrheiten für diese letzte Zeit abwenden. Ihr verweilt bei kleinen Schwierigkeiten und geht auf die geringsten Einzelheiten kleiner Probleme ein, um sie diesem oder jenem zu erklären.” Wenn die Herzen nicht durch die Gnade demütig gemacht sind, finden stundenlange Unterhaltungen zwischen den betreffenden Parteien statt, und nicht nur ihre Zeit wird verschwendet, sondern auch die Diener Gottes werden genötigt, ihnen zuzuhören. Wenn Stolz und Selbstsucht beiseite gelegt würden, wären die meisten Schwierigkeiten in fünf Minuten beseitigt. Durch die Stunden, die dazu verwendet wurden, sich selbst zu rechtfertigen, wurden die Engel betrübt und Gott entehrt. Ich sah, daß Gott sich nicht herabneigen und langen Rechtfertigungen lauschen will und auch nicht will, daß seine Diener dies tun, damit kostbare Zeit nicht so verschwendet, sondern dazu benutzt wird, den Übertretern den Irrtum ihrer Wege zu zeigen und Seelen aus dem Feuer zu retten. FS 110.1

Ich sah, daß Gottes Volk auf verzaubertem Boden steht und manche fast jedes Gefühl für die Kürze der Zeit und den Wert der Seele verloren haben. Stolz hat sich unter die Sabbathalter eingeschlichen, Stolz auf Kleidung und Aussehen. Der Engel sagte: “Die Sabbathalter werden dem eigenen Ich, dem Stolz und der Sucht nach Anerkennung absterben müssen.” FS 111.1

Wahrheit, rettende Wahrheit soll dem schmachtenden Volk in der Finsternis gebracht werden. Ich sah, daß viele Gott baten, sie zu demütigen, aber wenn Gott ihre Gebete wirklich beantworten sollte, würde es durch schreckliche Dinge in Gerechtigkeit geschehen. Es war ihre Pflicht, sich selbst zu demütigen. Ich sah, daß, wenn Selbsterhebung geduldet wird, Seelen dadurch sicher irregehen, und wenn sie nicht überwunden wird, dies ihren Untergang herbeiführt. Wenn jemand anfängt, in seinem Denken überheblich zu werden, und denkt, daß er etwas kann, so zieht sich der Geist Gottes zurück, und er handelt in seiner eigenen Kraft, bis er zugrunde gerichtet ist. Ich sah, daß ein Heiliger, wenn er recht steht, den Arm Gottes bewegen kann; daß hingegen eine große Zahl, wenn sie nicht recht steht, schwach ist und nichts erreichen kann. FS 111.2

Viele haben ein trotziges, stolzes Herz und denken mehr an ihre eigenen kleinen Schmerzen und Schwierigkeiten als an die Seelen von Sündern. Wenn sie die Herrlichkeit Gottes im Auge hätten, so würden sie an die verlorenen Seelen um sich herum denken. Deren verlorenen Zustand erkennend, würden sie mit Tatkraft arbeiten, Glauben üben und die Hände der Diener Gottes stärken, damit sie mutig und in Liebe die Wahrheit verkündigen und Seelen warnen, daß sie die Wahrheit doch ergreifen sollen, ehe die einladende Stimme der Gnade verhallt. Der Engel sagte: “Jene, die seinen Namen bekennen, sind nicht bereit!” Ich sah, daß die sieben letzten Plagen über die schutzlosen Häupter der Gottlosen kommen. Dann werden die, die ihnen im Weg (zum Heil) gestanden sind, die bitteren Vorwürfe der Sünder hören, und ihre Herzen werden verzagen. FS 111.3

Der Engel sagte: “Ihr habt euch bei Kleinigkeiten aufgehalten und mit kleinen Schwierigkeiten abgegeben; dadurch gehen Sünder verloren.” Gott ist willig, in unseren Versammlungen für uns zu wirken. Es ist für ihn eine Freude. Aber Satan sagt: “Ich will das Werk hindern.” Seine Untergebenen antworten: “Amen!” Bekenner der Wahrheit halten sich mit ihren kleinen Prüfungen und Schwierigkeiten auf, die Satan ihnen noch unter einem Vergrößerungsglas zeigt. Es ist Zeit verschwendet worden, die niemals zurückgerufen werden kann. Die Feinde der Wahrheit haben unsere Schwachheit gesehen, Gott ist betrübt und Christus verwundet worden. Satans Ziel ist erreicht, seine Pläne hatten Erfolg, und er triumphiert. FS 112.1