Frühe Schriften von Ellen G. White

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Kapitel 22: William Millers Traum1

Mir träumte, daß Gott mir durch unsichtbare Hand ein kunstfertig gearbeitetes Juwelenkästchen schickte, über zehn Zoll lang und sechs Zoll breit, aus Edelholz gemacht und fein mit Perlen verziert. Bei dem Kästchen befand sich ein Schlüssel. Ich ergriff diesen sofort, öffnete das Kästchen und fand es zu meiner Verwunderung und Überraschung mit allerlei Juwelen, Diamanten, köstlichen Steinen, Gold- und Silbermünzen jeder Größe und jeden Wertes gefüllt. Sie waren alle in dem Kästchen wunderschön angeordnet und strahlten ein Licht und eine Herrlichkeit aus, dem nur mehr die Sonne gleichkam. FS 72.2

Ich dachte, ich dürfe diesen wundervollen Anblick nicht allein genießen, obgleich mein Herz von dem Glanze, der Schönheit und dem Werte seines Inhaltes hocherfreut war. Deshalb stellte ich das Kästchen auf einem Tisch mitten in meinem Zimmer aus und machte bekannt, daß alle, die wollten, kommen möchten, um das Herrlichste und Strahlendste zu sehen, das je ein Mensch gesehen hat. FS 72.3

Die Leute kamen auch; zuerst nur wenige, aber ihre Zahl wurde größer. Als die ersten in das Kästchen blickten, wunderten sie sich und stießen Freudenrufe aus. Als aber die Zuschauer sich mehrten, fingen sie an, die Edelsteine durcheinander zu bringen. Sie nahmen sie aus dem Kästchen und verstreuten sie auf dem Tisch. FS 73.1

Ich dachte daran, daß der Eigentümer das Kästchen und die Juwelen wieder von meiner Hand fordern würde. Wenn ich nun zuließ, daß sie ausgestreut würden, so könnte ich sie niemals wieder in derselben Ordnung in das Kästchen legen. Ich fühlte, daß ich niemals imstande sein würde, eine so große Verantwortung zu übernehmen. Da fing ich an, die Leute zu bitten, die Juwelen weder anzufassen, noch sie aus dem Kästchen zu nehmen. Aber je mehr ich bat, desto mehr warfen sie sie umher — und nun schienen sie die Juwelen über das ganze Zimmer, auf den Boden und auf alle Möbel im Zimmer zu verstreuen. FS 73.2

Dann sah ich, daß sie unter die echten Juwelen und Münzen zahllose unechte Steine und falsches Geld gestreut hatten. Ich war aufs höchste über das schlechte Betragen und die Undankbarkeit der Leute entrüstet und tadelte sie deshalb; aber je mehr ich sie zurechtwies, desto mehr streuten sie die falschen Juwelen und Geldstücke unter die echten. FS 73.3

Dann wurde ich sehr ärgerlich und versuchte, die Leute mit Gewalt aus dem Zimmer zu stoßen. Aber während ich einen hinausbrachte, kamen drei andere herein und brachten Schmutz und Sand und allerlei Unrat mit herein, bis alle echten Juwelen, Diamanten und Münzen damit bedeckt waren und man sie nicht mehr sehen konnte. Dann rissen sie auch mein Kästchen in Stücke und warfen es in den Schmutz. Ich dachte, daß niemand meinen Kummer und Zorn sähe, wurde ganz entmutigt und niedergeschlagen und setzte mich hin und weinte. FS 73.4

Während ich nun weinte und über meinen großen Verlust und meine Verantwortung klagte, dachte ich an Gott und bat ihn ernstlich, mir Hilfe zu senden. FS 74.1

Gleich darauf öffnete sich die Tür, und ein Mann trat ein. Da verließen alle Leute das Zimmer. Er hatte einen Besen in seiner Hand, öffnete die Fenster und fing an, den Staub und den Schmutz aus dem Zimmer hinauszufegen. FS 74.2

Ich rief ihm zu aufzuhören, weil kostbare Edelsteine unter den Schmutz gestreut seien. Er sagte mir, ich solle keine Furcht haben, er wolle auf sie achtgeben. FS 74.3

Während er dann den Schmutz und den Staub hinausfegte, flogen all die falschen Steine und Münzen wie eine Wolke zum Fenster hinaus, und der Wind wehte sie fort. Ich hatte meine Augen in dem Wirrwarr einen Augenblick geschlossen, und als ich sie wieder öffnete, war der ganze Schmutz weg. Die kostbaren Juwelen, Diamanten und die Gold- und Silbermünzen lagen in Hülle und Fülle über das ganze Zimmer verstreut umher. FS 74.4

Dann stellte er ein Kästchen auf den Tisch, viel größer und schöner als das erste, sammelte alle die Edelsteine, Diamanten und Münzen zusammen und legte sie in das Kästchen, so daß nicht ein Stück fehlte, obgleich manche der Diamanten nicht größer als ein Stecknadelkopf waren. Dann rief er mich, zu kommen und zu sehen. FS 74.5

Ich blickte in das Kästchen, aber meine Augen wurden von dem Anblick geblendet. Die Juwelen hatten einen zehnmal größeren Glanz als vorher. Es schien mir, als ob sie durch den Sand unter den Füßen solch gottloser Menschen, die sie verstreut und in den Staub geworfen hatten, gereinigt worden wären. Sie lagen in wundervoller Anordnung in dem Kästchen, ein jedes an seinem Platz, ohne sichtbare Mühe von seiten des Mannes. Ich schrie in übergroßer Freude auf, und dieser Schrei weckte mich. FS 74.6