Auf den Spuren des großen Arztes

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Enttäuschungen und Gefahren

Diejenigen, die für die im Leben Gestrandeten arbeiten, werden von vielen enttäuscht, die ihnen eine Veränderung ihrer Lebensweise versprachen. Manche ändern ihre Gewohnheiten und Praktiken nur oberflächlich. Sie folgen sprunghaft irgendwelchen Eingebungen. Vorübergehend scheinen sie sich zwar geändert zu haben, aber ihr Herz hat sich nicht tiefgreifend gewandelt. Sie huldigen weiterhin der Selbstliebe, sind weiterhin begierig auf törichte Vergnügungen und lassen ihrem Hang zur Selbstverwirklichung freien Lauf. SGA 136.4

Sie wissen nichts von der schwierigen Arbeit der Entwicklung des Charakters, und man kann sich auf sie nicht wie auf grundsatztreue Menschen verlassen. Durch ihre Nachgiebigkeit gegenüber Begierden und Leidenschaften haben sie viel von ihren geistigen und geistlichen Kräften verloren, und dies macht sie schwach. Sie sind unberechenbar und unbeständig; ihre Neigungen sind auf Sinnliches gerichtet. Diese Menschen sind für andere oftmals eine Quelle der Gefahr. Man hält sie für gereifte Männer und Frauen, vertraut ihnen verantwortungsvolle Aufgaben an und stellt sie an Plätze, wo ihr Einfluß Unschuldige verdirbt. SGA 137.1

Selbst die, die ernsthaft bestrebt sind, ihr Leben zu verändern, sind über die Gefahr des Mißerfolgs nicht erhaben. Sie sollten deshalb mit großer Weisheit und großem Einfühlungsvermögen behandelt werden. Die Neigung, die in den Vordergrund zu stellen und ihnen zu schmeicheln, die aus tiefsten Tiefen gerettet worden sind, führt manchmal zu ihrem Verderben. Die Gepflogenheit, Männer und Frauen dazu einzuladen, öffentlich über die Erfahrungen ihres früheren Lebens in Sünde zu berichten, birgt viele Gefahren für Sprecher wie Hörer. Sich mit den Erfahrungen des Bösen ausgiebig zu beschäftigen, verdirbt Geist und Seele, und die Geretteten derart in den Blickpunkt der Öffentlichkeit zu rücken, ist für sie schädlich. Viele werden dadurch zu dem Gefühl veranlaßt, daß ihnen ihr früheres Leben voller Sünde eine gewisse Auszeichnung vor anderen verschafft hat. Eine Liebe zu ihrer traurigen Berühmtheit und ein Geist des übersteigerten Selbstvertrauens werden genährt, die sich als verheerend für die Seele erweisen. Nur in einem gesunden Mißtrauen gegenüber sich selbst und in der Abhängigkeit von der Gnade Christi können sie bestehen. SGA 137.2

Alle, die die Veränderung ihres Lebens dauerhaft beweisen, sollten dazu ermutigt werden, für andere tätig zu werden. Niemand darf eine Seele abweisen, die den Dienst für Satan zugunsten des Dienstes für Christus quittiert. Wenn jemand deutlich erkennen läßt, daß der Geist Gottes an ihm arbeitet, dann ermutigt ihn auf jede Weise, in den Dienst für den Herrn einzutreten: “Und erbarmt euch derer, die zweifeln.” Judas 22. SGA 137.3

Diejenigen, die an der Weisheit teilhaben, die von Gott kommt, werden Seelen erkennen, die Hilfe benötigen, die zwar aufrichtig bereut haben, aber ohne entsprechende Ermutigung kaum wagen würden zu hoffen. Der Herr wird den Herzen seiner Diener eingeben, diese zitternden, reuevollen Menschen in ihrem Kreis der Nächstenliebe willkommen zu heißen. Was auch immer ihre Lieblingssünden waren, wie tief sie auch gefallen sein mögen — wenn sie reuevoll zu Christus kommen, nimmt er sie an. Gebt ihnen dann eine Aufgabe für Jesus. Wenn sie dafür arbeiten wollen, andere aus dem Verderben zu ziehen, aus dem sie selbst gerettet wurden, dann gebt ihnen hierzu Gelegenheit. Bringt sie mit erfahrenen Christen in Kontakt, damit sie an geistlicher Stärke zunehmen. Füllt ihre Herzen und Hände mit Arbeit für den Meister. SGA 138.1

Wenn das Licht Gottes in die Seele leuchtet, werden einige, die der Sünde besonders ergeben waren, zu erfolgreichen Missionaren gerade unter solchen Sündern, wie sie selbst es früher waren. Aufgrund ihres Glaubens an Christus werden einige von ihnen in hohe Dienststellen aufsteigen und mit Verantwortung in der Arbeit der Seelenrettung betraut. Sie sehen deutlich, wo ihre eigene Schwäche liegt, und sie erkennen die Gefallenheit ihrer Natur. Sie wissen um die Stärke der Sünde und die Macht übler Gewohnheiten. Sie sehen ihre Unfähigkeit ein, ohne Christi Hilfe zu überwinden, und ihr beständiger Gebetsruf lautet: “Ich gebe meine hilflose Seele dir, Herr, anheim.” SGA 138.2

Diese Menschen können anderen helfen. Wer selbst versucht und geprüft worden ist, wessen Hoffnung fast gänzlich zerstört war, wer aber durch das Hören einer Botschaft der Liebe gerettet wurde, der kann die hohe Kunst der Seelenrettung begreifen. Wessen Herz mit Liebe zu Christus erfüllt ist, weil er selbst vom Heiland gesucht und zur Herde zurückgebracht worden ist, der weiß, wie man die Verlorenen findet. Er kann Sündern das Lamm Gottes zeigen. Er hat sich rückhaltlos Gott übergeben und ist in dessen geliebtem Sohn angenommen worden. Die Hand, die sich in ihrer Schwachheit nach Hilfe ausstreckte, wurde ergriffen. Durch den Dienst solcher Menschen werden viele Verlorene zum Vater gebracht. SGA 138.3

Für jede Seele, die danach strebt, sich aus einem Leben in Sünde zu einem Leben in Reinheit zu erheben, liegt das Geheimnis der Kraft in dem einzigen Namen unter dem Himmel, der den Menschen gegeben ist, darin selig zu werden. Vgl. Apostelgeschichte 4,12. “Wen da dürstet” nach Hoffnung, die zur Ruhe kommen läßt, und nach Befreiung von sündigen Neigungen, zu dem sagt Jesus: “Komm zu mir und trinke!” Johannes 7,37. Das einzige Mittel gegen die Sucht besteht in der Gnade und Kraft Christi. SGA 139.1

Die guten Entschlüsse, die man aus eigener Anstrengung faßt, fruchten nichts. Selbst alle Gelübde dieser Welt können die Macht übler Gewohnheiten nicht brechen. Niemals wird ein Mensch Mäßigkeit in allen Dingen üben, bevor nicht sein Herz durch die göttliche Gnade erneuert ist. Aus eigener Kraft können wir uns nicht einen Moment lang von der Sünde fernhalten; vielmehr sind wir darin jeden Augenblick von Gott abhängig. SGA 139.2

Die wahre Lebensreform beginnt mit einer Reinigung der Seele. Unser Werk für die Süchtigen wird nur dann wirklich Erfolg haben, wenn die Gnade Christi den Charakter umformt und die Seele in eine lebendige Verbindung mit Gott gebracht wird. SGA 139.3

Christus führte ein Leben vollkommenen Gehorsams gegenüber Gottes Gesetz und gab damit ein Vorbild für jeden Menschen. Das Leben, das er auf dieser Erde führte, sollen wir durch seine Kraft und unter seiner Leitung auch führen. SGA 139.4

Bei unserer Arbeit für die in Sünde Gefallenen sollen die Anforderungen des Gesetzes Gottes und die Notwendigkeit des Gehorsams ihm gegenüber in Sinn und Herz gelegt werden. Versäumt es nie zu zeigen, daß sich der, der Gott dient, von dem, der ihm nicht dient, klar unterscheidet. Gott ist Liebe, aber er kann eine willentliche Mißachtung seiner Gebote nicht entschuldigen. Die Verfügungen seiner Herrschaft sind dergestalt, daß die Menschen den Konsequenzen ihres Ungehorsams nicht entfliehen werden. Nur die, die ihm die Ehre geben, kann Gott auch ehren. Wie der Mensch auf dieser Welt lebt, das entscheidet über sein Schicksal in der Ewigkeit. Was er gesät hat, muß er dann auch ernten. Jeder Ursache wird die entsprechende Wirkung folgen. SGA 139.5

Nur vollkommener Gehorsam kann den Anforderungen Gottes entsprechen. Über diese Anforderungen hat er uns nicht im unklaren gelassen. All seine Verordnungen haben nur das eine Ziel: den Menschen in Harmonie zu ihm zu bringen. Wir sollen Sünder auf Gottes Ideal des Charakters hinweisen und sie zu Christus führen. Nur durch dessen Gnade kann dieses Ideal erreicht werden. SGA 140.1

Der Heiland nahm die Schwächen des Menschseins auf sich und führte dabei ein sündloses Leben, damit die Menschen nicht zu fürchten brauchten, daß sie wegen der Schwachheit der menschlichen Natur nicht überwinden könnten. Christus kam, um uns zu “Teilhabern an der göttlichen Natur” zu machen, und sein Leben bezeugt, daß Menschlichkeit, wenn sie mit Göttlichkeit verknüpft ist, keine Sünde begeht. SGA 140.2

Der Heiland überwand, um jedem Menschen zu zeigen, wie auch er überwinden kann. Allen Versuchungen Satans begegnete Christus mit dem Wort Gottes. Durch sein Vertrauen auf Gottes Verheißungen empfing er die Kraft zum Gehorsam gegenüber Gottes Geboten, und der Versucher konnte keine Überlegenheit erringen. Auf jede Versuchung lautete Jesu Antwort: “Es steht geschrieben.” So hat Gott auch uns sein Wort gegeben, um damit dem Bösen zu widerstehen. Überaus große und kostbare Verheißungen sind uns dafür gegeben, daß wir “Anteil bekommen an der göttlichen Natur”, die wir “entronnen sind der verderblichen Begierde in der Welt”. 2.Petrus 1,4. SGA 140.3

Bittet den Versuchten, nicht auf die Umstände, die Schwachheit seiner selbst oder die Macht der Versuchung zu sehen, sondern auf die Kraft des Wortes Gottes. Dessen ganze Macht steht für uns bereit. “Dein Wort”, sagt der Psalmist, “behalte ich in meinem Herzen, damit ich nicht wider dich sündige.” Psalm 119,11. “Im Treiben der Menschen bewahre ich mich vor gewaltsamen Wegen durch das Wort deiner Lippen.” Psalm 17,4. SGA 140.4

Sprecht den Menschen Mut zu, erhebt sie im Gebet zu Gott. Viele, die von Versuchung überwunden worden sind, empfinden tiefe Niedergeschlagenheit, und sie meinen, für sie sei es vergeblich, sich Gott zu nahen; aber solche Gedanken stammen von Satan. Wenn sie gesündigt haben und deshalb meinen, nicht beten zu können, dann sagt ihnen, daß gerade das die Zeit ist zu beten. Sie können beschämt und tief gedemütigt sein — wenn sie gleichzeitig ihre Sünden bekennen, dann wird der, der treu und gerecht ist, ihre Sünden vergeben und sie von aller Ungerechtigkeit reinigen. SGA 140.5

Nichts ist anscheinend hilfloser, in Wahrheit aber weniger besiegbar, als eine Seele, die ihre Nichtigkeit erkennt und deshalb völlig den Verdiensten des Heilands vertraut. Durch Gebet und das Studium seines Wortes, durch den Glauben an Christi beständige Gegenwart kann selbst der schwächste Mensch in Verbindung mit dem lebendigen Erlöser leben, und seine Hand wird ihn niemals loslassen. SGA 141.1

Die folgenden kostbaren Bibelworte kann jede Seele, die in Christus bleibt, zu ihren eigenen machen. Sie kann sagen: SGA 141.2

“Ich aber will auf den Herrn schauen und harren auf den Gott meines Heils; mein Gott wird mich erhören. Freue dich nicht über mich, meine Feindin! Wenn ich auch darniederliege, so werde ich wieder aufstehen; und wenn ich auch im Finstern sitze, so ist doch der Herr mein Licht.” Micha 7,7.8. SGA 141.3

“Er wird sich unser wieder erbarmen, unsere Schuld unter die Füße treten und alle unsere Sünden in die Tiefen des Meeres werfen.” Micha 7,19. SGA 141.4

Gott hat verheißen: “Ich will, daß ein Mann kostbarer sein soll als feinstes Gold und ein Mensch wertvoller als Goldstücke aus Ofir.” Jesaja 13,12. SGA 141.5

“Wenn ihr zu Felde liegt, glänzt es wie Flügel der Tauben, die wie Silber und Gold schimmern.” Psalm 68,14. SGA 141.6

Diejenigen, denen Christus am meisten vergeben hat, werden ihn am meisten lieben. Es werden die sein, die am Jüngsten Tag seinem Thron am nächsten stehen. Sie werden “... sein Angesicht sehen, und sein Name wird an ihren Stirnen sein”. Offenbarung 22,4. SGA 141.7