Auf den Spuren des großen Arztes

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Kapitel 11: Für die Unmäßigen arbeiten

Jede wahre Lebensreform hat ihren legitimen Platz in der Verbreitung des Evangeliums und verhilft dem Menschen zu einem neuen und edleren Leben. Besonders die Mäßigkeitsbewegung erfordert die Unterstützung durch missionarische Christen. Sie sollten auf dieses Werk aufmerksam machen und es mit Leben erfüllen. Überall sollten sie den Menschen die Grundsätze echter Mäßigkeit aufzeigen und dazu aufrufen, diesen Lebensstil zu verwirklichen. Intensive Anstrengungen sollten für die unternommen werden, die in schädlichen Süchten gefangen sind. SGA 131.1

Überall gibt es ein Werk an denen zu tun, die durch ihre Unmäßigkeit in Sünde gefallen sind. Inmitten von Gemeinden, religiösen Institutionen und sich christlich nennenden Familien befinden sich viele Jugendliche auf dem Weg der Selbstzerstörung. Durch einen zügellosen Lebensstil ziehen sie sich Krankheiten zu, und in dem Bestreben, immer mehr Geld für ihre sündigen Süchte zu beschaffen, verfallen sie auf gefährliche Praktiken. Gesundheit und Charakter sind schließlich ruiniert. Von Gott entfremdet, aus der Gesellschaft ausgestoßen, fühlen diese armen Seelen nun, daß sie weder für dieses Leben noch für das künftige noch Hoffnung haben. Die Herzen der Eltern sind gebrochen. SGA 131.2

Menschen bezeichnen diese Verirrten als hoffnungslose Fälle; Gott aber sieht sie keineswegs als solche an. Er versteht all die Umstände, die sie zu dem gemacht haben, was sie nun sind, und er sieht mit Mitleid auf sie. Das ist eine Menschengruppe, die besondere Hilfe braucht. Gebt ihnen nie Anlaß zu sagen: “Niemand kümmert sich um meine Seele.” SGA 131.3

Die Opfer der Unmäßigkeit stammen aus allen Schichten und Berufen. Auch Menschen aus gehobenen Schichten, mit herausragenden Talenten und mit großen beruflichen Erfolgen haben sich der Zügellosigkeit ergeben, bis sie völlig die Kontrolle über sich selbst verloren haben. Einige von ihnen, die zuvor wohlhabend waren, leben nun ohne Familie, ohne Freunde, in einem Zustand des Leidens, des Elends, der Krankheit und Erniedrigung. Wenn ihnen niemand eine helfende Hand entgegenstreckt, werden sie immer weiter im Elend versinken. Bei diesen Menschen ist das Sich-Gehen-Lassen dann nicht mehr nur eine Sünde, sondern auch eine körperliche Erkrankung. SGA 131.4

Oft müssen wir uns — wie oft genug auch Christus — bei der Hilfe für die Suchtgefährdeten zunächst um ihren körperlichen Zustand kümmern. Sie brauchen Vollwertspeisen und -getränke, die nicht abhängig machen, saubere Kleidung und Gelegenheit zu regelmäßiger Körperpflege. Sie brauchen eine Umgebung mit einer Atmosphäre hilfreichen, erhebenden christlichen Einflusses. In jeder Stadt sollte eine Einrichtung geschaffen werden, in der Suchtgefährdeten die Hilfe geboten wird, die sie benötigen, um die sie fesselnden Ketten zu zerreißen. Ein alkoholisches Getränk wird von vielen als der einzige Trostspender in schwierigen Lagen angesehen; das aber müßte nicht sein, wenn die, die sich Christen nennen, dem Vorbild des barmherzigen Samariters folgten, anstatt die Rolle des Priesters oder des Leviten zu spielen. SGA 132.1

Im Umgang mit den Suchtgefährdeten müssen wir stets daran denken, daß wir es nicht mit gesunden Menschen zu tun haben, sondern mit solchen, die bis auf weiteres unter der Macht eines Dämons stehen. Seid also geduldig und nachsichtig. Denkt nicht an das abstoßende, anwidernde Äußere, sondern an das wertvolle Leben, zu dessen Erlösung Christus starb. Wenn der Alkoholiker seinen unwürdigen Zustand erkennt, dann tut alles in eurer Macht stehende, um ihm zu zeigen, daß ihr seine Freunde seid. SGA 132.2

Sprecht kein Wort des Tadels aus; laßt keine Handlung und keinen Blick Vorwurf oder Abneigung signalisieren. Helft dem Menschen vielmehr dabei, frei zu werden. Sagt etwas, das ihn zum Glauben ermutigt. Versucht, jede gute Seite seines Charakters zu stärken. Lehrt ihn, wie es wieder aufwärts gehen kann. Zeigt ihm, daß es möglich ist, wieder so zu leben, daß er die Achtung seiner Mitmenschen zurückgewinnt. Helft ihm, den Wert der Begabungen zu erkennen, die Gott ihm verliehen hat, deren Entwicklung er jedoch versäumte. SGA 132.3

Obwohl sein Wille entstellt und geschwächt ist, gibt es Hoffnung für ihn in Christus. Er wird in ihm den Antrieb und die Sehnsucht nach einem gottgefälligen Leben wecken. Ermutigt ihn, Halt in der Hoffnung zu finden, die das Evangelium ihm anbietet. Schlagt mit dem Versuchten und Kämpfenden die Bibel auf und lest ihm immer wieder die Verheißungen Gottes vor. Diese werden für ihn wie die Blätter vom Baum des Lebens sein. Setzt euer Bemühen geduldig fort, bis die zitternde Hand in dankbarer Freude die Hoffnung auf Erlösung durch Christus ergreift. SGA 133.1

Ihr müßt euch nachhaltig um diejenigen kümmern, denen ihr zu helfen versucht; andernfalls werdet ihr nie und nimmer Erfolg haben. Beständig stehen sie in der Versuchung zum Bösen. Immer wieder erliegen sie dem Verlangen nach Alkohol [oder anderen Suchtmitteln], immer wieder können sie einen Rückfall erleben. Aber laßt deshalb in euren Bemühungen nicht nach. SGA 133.2

Sie haben sich entschieden zu versuchen, für Christus zu leben, aber ihre Willenskraft ist geschwächt. Sie müssen deshalb sorgfältig von denen betreut werden, die sich der Verantwortung für solche Menschen bewußt sind. Sie haben jeden Halt im Leben verloren, und den müssen sie erst wieder zurückgewinnen. Viele haben gegen ein schlimmes Erbgut anzukämpfen. Unnatürliche Begierden und übersteigerte Sinnlichkeit waren von Geburt an ihre Erblast; davor müssen sie sorgfältig bewahrt werden. In ihnen und um sie herum kämpfen das Gute und das Böse um die Vorherrschaft. Wer solche Erfahrungen nie gemacht hat, kann die beinahe unüberwindliche Macht der Sucht oder die Heftigkeit des Kampfes zwischen dem gewohnheitsmäßigen Sich-Gehen-Lassen und dem Entschluß zur Mäßigkeit in allen Dingen nicht ermessen. Immer und immer wieder wird dieser Kampf aufflammen. SGA 133.3

Viele werden einerseits zu Christus gezogen und bringen andererseits doch nicht den moralischen Mut auf, ihren Kampf gegen Begierden und Leidenschaften fortzusetzen. Aber der Mitarbeiter Gottes darf sich davon nicht entmutigen lassen. Sind es denn nur solche, die aus den tiefsten Tiefen gerettet sind, die dann wieder zurückfallen? SGA 133.4

Denkt daran, daß ihr nicht allein arbeitet; dienstbare Engel vereinigen sich bei der Erfüllung von Missionsaufgaben mit jedem treuen Kind Gottes. Und Christus ist es, der die Heilung bewirkt. Der Große Arzt selbst steht neben seinen treuen Mitarbeitern und sagt der bereuenden Seele: “Mein Sohn, deine Sünden sind dir vergeben.” Markus 2,5. SGA 134.1

Viele von denen, die die ihnen angebotene Hoffnung im Evangelium annehmen und einmal im himmlischen Königreich sein werden, sind heute noch die Ausgestoßenen der Gesellschaft, während andere, die mit guten Begabungen und reicher Erkenntnis gesegnet waren, sie aber nicht gebrauchten, in der Dunkelheit gelassen werden. SGA 134.2

Den Opfern ihrer üblen Gewohnheiten muß die Notwendigkeit verdeutlicht werden, sich auch selbst anzustrengen. Andere können auf das ernsthafteste bestrebt sein, sie aufzurichten, die Gnade Gottes ist reichlich vorhanden, Christus kann für sie eintreten, seine Engel können ihm dienen — aber all das wird vergeblich sein, wenn sie selbst sich nicht dazu aufraffen, den Kampf auszufechten, der sie betrifft. SGA 134.3

Die letzten Worte Davids an Salomo, zu der Zeit ein junger Mann und zukünftiger König Israels, lauteten: “Sei stark und sei ein Mann.” 1.Könige 2,2. Diese inspirierten Worte sind an jedes Menschenkind, jeden Anwärter auf eine unvergängliche Krone gerichtet. Die Willensschwachen müssen zu der Einsicht geführt werden, daß eine durchgreifende sittliche Erneuerung notwendig ist, wenn sie gefestigte Menschen werden wollen. Gott ruft sie, damit sie aufwachen und durch die Kraft Christi die gottgewollte gefestigte Menschlichkeit zurückgewinnen, die durch sündhafte Nachgiebigkeit verlorenging. SGA 134.4

Viele fühlen die fürchterliche Macht der Versuchung, das drängende Verlangen, das zum Nachgeben führt, und rufen dann verzweifelt aus: “Ich kann dem Übel nicht widerstehen.” Sagt ihnen, daß sie doch können, daß sie widerstehen müssen. Sie mögen bisher immer wieder überwältigt worden sein — aber das muß nicht so bleiben. Sie haben eine nur schwache moralische Kraft und werden von den Gewohnheiten eines Lebens in Sünde bestimmt. Ihre Versprechungen und Vorsätze sind kurzlebig. Die Erinnerung an ihre gebrochenen Versprechen und Gelöbnisse läßt sie an ihrer eigenen Aufrichtigkeit zweifeln und meinen, daß Gott sie nicht mehr akzeptieren oder in ihren Bemühungen unterstützen könne. Sie brauchen jedoch nicht zu verzweifeln. SGA 134.5

Diejenigen, die ihr Vertrauen auf Christus setzen, sollen von keiner ererbten oder anerzogenen Gewohnheit oder Verhaltensweise abhängig werden. Statt in den Fesseln der niederen Natur festgehalten zu werden, sollen sie jedes Verlangen und jede Leidenschaft beherrschen. Gott hat uns im Kampf gegen das Böse nicht alleingelassen, so daß wir nur mit unserer eigenen begrenzten Kraft kämpfen müßten. Was auch immer unsere ererbte oder anerzogene Neigung zu Falschem sein mag, wir können sie durch die Kraft überwinden, die er uns verleihen möchte. SGA 135.1