Auf den Spuren des großen Arztes

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Geduld mit den Irrenden

Nicht alle, die vorgeben, Mitarbeiter Christi zu sein, sind wahre Jünger. Unter denjenigen, die seinen Namen tragen und sogar zu seinen Mitarbeitern gezählt werden, gibt es einige, in deren Charakter Christus nicht zu erkennen ist. Sie lassen sich nicht von seinen Prinzipien leiten. Diese Menschen verursachen oft Verwirrung und Entmutigung bei ihren Mitstreitern, die noch jung an christlicher Erfahrung sind; aber niemand sollte sich dadurch in die Irre führen lassen. Christus hat uns ein vollkommenes Beispiel gegeben. Er bittet uns, ihm nachzufolgen. SGA 413.1

Bis zum Ende der Zeit wird es Unkraut unter dem Weizen geben. Als die Knechte des Landwirts in ihrem Eifer zugunsten seines Ruhmes die Erlaubnis erbaten, das Unkraut ausreißen zu dürfen, sagte der Meister: “Nein! damit ihr nicht zugleich den Weizen mit ausrauft, wenn ihr das Unkraut ausjätet. Laßt beides miteinander wachsen bis zur Ernte.” Matthäus 13,29.30. SGA 413.2

In seiner Gnade und Langmut hat Gott mit den Verstockten und sogar mit den Heuchlern Geduld. Unter den von Christus auserwählten Aposteln war auch Judas, der Verräter. Sollte es uns da überraschen oder entmutigen, daß es unter seinen heutigen Mitarbeitern auch Heuchler gibt? Wenn Christus, der das Herz sieht, denjenigen ertragen konnte, von dem er wußte, daß er zu seinem Verräter werden sollte, mit welcher Geduld sollten dann wir jene tragen, die vom Weg abgekommen sind. SGA 413.3

Und auch von denen, die am meisten Fehler machen, sind nicht alle wie Judas. Der impulsive, übereilte und selbstsichere Petrus schien oft mehr Schaden anzurichten als Judas. Er wurde vom Heiland jedenfalls öfter getadelt. Aber was für ein Leben des Dienstes und Opfers führte er später! Was für ein Zeugnis stellt es für die Macht der Gnade Gottes dar! Soweit wir dazu imstande sind, sollen wir anderen das sein, was Jesus seinen Jüngern war, als er gemeinsam mit ihnen über diese Welt ging. SGA 413.4

Betrachtet euch als Missionare, und zwar zuerst unter euren Mitarbeitern. Oft erfordert es viel Zeit und Mühe, eine Menschenseele für Christus zu gewinnen. Wenn sie sich dann von der Sünde abwendet und zur Rechtschaffenheit bekehrt, herrscht hierüber bei den Engeln große Freude. Denkst du denn, daß die dienenden Geister, die über diese Seelen wachen, sehr erfreut sind, wenn sie sehen, wie gleichgültig diese von einigen behandelt werden, die sich Christen nennen? Wenn Jesus mit uns so umginge, wie wir nur allzu oft miteinander umgehen, wer von uns könnte dann gerettet werden? SGA 413.5

Denkt daran, daß ihr nicht in den Herzen lesen könnt. Ihr kennt die Motive für jene Handlungen nicht, die euch falsch erscheinen. Es gibt viele, die keine richtige Erziehung genossen haben; ihr Charakter ist verschroben, sie sind hart und mürrisch und scheinen in jeder Hinsicht unehrlich zu sein. Aber die Gnade Christi kann sie umwandeln. Behandelt sie niemals gleichgültig, treibt sie nicht in Entmutigung oder Verzweiflung, indem ihr sagt: “Du hast mich enttäuscht, mit dir will ich nichts mehr zu tun haben.” Ein paar Worte, übereilt gesprochen, zu denen wir provoziert wurden — von denen wir denken, daß jene sie auch verdienen —, können die Tür für immer verschließen und uns jeder weiteren Einflußnahme berauben. SGA 414.1

Das konsequente Leben, die geduldige Nachsicht und der Geist, der auch bei Provokationen ruhig bleibt, wirken immer am überzeugendsten. Wenn du Gelegenheiten und Vorteile hattest, die anderen nicht gewährt wurden, dann freue dich darüber und sei immer ein umsichtiger, sorgfältiger und freundlicher Lehrer. SGA 414.2

Damit das Wachs einen klaren, deutlichen Aufdruck des Siegels annimmt, schlagt ihr das Siegel nicht hastig und gewaltsam darauf; vielmehr plaziert ihr es sorgfältig auf dem formbaren Wachs und drückt es ruhig und nachhaltig hinein, bis es in der Form hart geworden ist. Geht auf ähnliche Weise mit menschlichen Seelen um. Die Beständigkeit christlichen Einflusses stellt das Geheimnis seiner Macht dar, und diese hängt von der Standhaftigkeit ab, mit der ihr den Charakter Christi darstellt. Helft den Irrenden, indem ihr ihnen von euren Erfahrungen erzählt. Zeigt, wie Geduld, Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft eurer Mitarbeiter in der Mission euch Mut und Hoffnung gaben, als ihr gravierende Fehler gemacht hattet. SGA 414.3

Den Einfluß einer freundlichen, rücksichtsvollen Vorgehensweise gegenüber den Unbeständigen, Unvernünftigen und Unwürdigen werden wir wohl erst im Endgericht völlig ermessen können. Wenn uns Undankbarkeit und Verrat an heiligen, uns anvertrauten Glaubenswahrheiten begegnen, verleitet uns das dazu, unsere Verachtung oder unseren Unwillen zu zeigen. Dies erwarten die Schuldigen; hierauf sind sie vorbereitet. Aber freundliche Nachsicht überrascht sie, bewirkt einen Anreiz zum Guten und weckt das Verlangen nach einem edleren Leben. SGA 414.4

“Liebe Brüder, wenn ein Mensch etwa von einer Verfehlung ereilt wird, so helft ihm wieder zurecht mit sanftmütigem Geist, ihr, die ihr geistlich seid; und sieh auf dich selbst, daß du nicht auch versucht werdest. Einer trage des andern Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen.” Galater 6,1.2. SGA 415.1

Alle, die bekennen, Kinder Gottes zu sein, müssen sich darüber im klaren sein, daß sie als Missionare mit allen Arten von Charakteren in Berührung kommen. Da gibt es die Feinsinnigen und die Ungehobelten, die Demütigen und die Hochmütigen, die Religiösen und die Skeptiker, die Gebildeten und die Unwissenden, die Reichen und die Armen. Diese verschiedenen Gruppen können nicht alle gleich behandelt werden; jedoch brauchen alle Freundlichkeit und Mitgefühl. Im wechselseitigen Kontakt werden wir unser Wesen verfeinern. Einer ist vom anderen abhängig, weil wir durch unsere mitmenschlichen Beziehungen eng miteinander verbunden sind. SGA 415.2

Durch unsere freundschaftlichen Kontakte tragen wir das Christentum in die Welt. Alle, die die göttliche Erleuchtung empfangen haben, sollen Licht auf den dunklen Weg jener werfen, denen der bessere Weg noch unbekannt ist. Unsere Kontaktfreudigkeit können wir erfolgreich in den Dienst Jesu stellen, indem wir Seelen zum Heiland führen. Christus soll nicht als ein begehrter, heiliger und lieblicher Schatz im Herzen verborgen werden, damit wir ihn für uns allein haben. Wir sollen Christus vielmehr wie eine Wasserquelle in uns tragen, die zum ewigen Leben sprudelt und alle erquickt, die mit uns in Berührung kommen. SGA 415.3