Auf den Spuren des großen Arztes

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“Du kannst mich reinigen”

Von allen Krankheiten, die man im Orient kannte, galt der Aussatz, die Lepra, als die gefürchtetste. Sie war unheilbar, ansteckend und schrecklich in den Auswirkungen auf ihre Opfer. Sie erfüllte selbst die Unerschrockensten mit Angst. Die Juden sahen in ihr ein Strafgericht für begangene Sünden und nannten sie deshalb “die Geißel” oder “den Finger Gottes”. Wegen ihrer allgemeinen Verbreitung, Unausrottbarkeit und ihres meist tödlichen Verlaufs galt sie als ein Symbol für die Sünde schlechthin. SGA 44.1

Der Leprakranke wurde vom mosaischen Gesetz für unrein erklärt. Alles, was er berührte, wurde ebenfalls unrein. Sein Atem verunreinigte die Luft. Wie einer, der bereits gestorben war, wurde er aus der menschlichen Gesellschaft ausgeschlossen. Stand jemand im Verdacht, an Lepra erkrankt zu sein, mußte er sich den Priestern zeigen, die ihn zu untersuchen und seinen Fall zu entscheiden hatten. Wurde der Aussatz bestätigt, isolierte man ihn von seiner Familie, sonderte ihn aus der Gemeinschaft Israels aus und verurteilte ihn zur ausschließlichen Lebensgemeinschaft mit denen, die ähnlich geplagt waren. Sogar Könige und andere Autoritätspersonen nahm man von dieser Vorgehensweise nicht aus. Ein Fürst, der von dieser fürchterlichen Krankheit befallen war, mußte seine Herrschaft niederlegen und alle gesellschaftlichen Kontakte aufgeben. SGA 44.2

Fernab von seinen Freunden und Verwandten mußte der Aussätzige den Fluch seiner Krankheit ertragen. Er war verpflichtet, sein eigenes Elend zu verkünden, seine Kleider zu zerreißen und Warnungen auszurufen, daß alle seine ansteckende Gegenwart meiden sollten. Der Ruf “Unrein! Unrein!”, der klagend ertönte, war ein Signal, das man stets mit Furcht und Schrecken vernahm. SGA 44.3

In der Region, in der Jesus den Menschen diente, gab es viele solche Kranke, und als sie die Nachricht von seiner Tätigkeit erreichte, war da einer, in dessen Herz der Same des Glaubens aufzugehen begann: Wenn er zu Jesus gehen konnte, würde er vielleicht geheilt. Aber wie kann er Jesus finden? Als Ausgestoßener in der Isolation lebend — wie kann er sich da dem Heilkräftigen überhaupt zeigen? Und wird Christus ihn heilen? Wird er nicht wie die Pharisäer und selbst die Ärzte einen Fluch über ihn aussprechen und ihm befehlen, von den Siedlungen der Menschen fernzubleiben? SGA 44.4

Er denkt indessen an all das, was ihm von Jesus erzählt worden ist: Kein einziger, der bei ihm Hilfe gesucht hat, ist abgewiesen worden. Und so entschließt sich dieser Elende, den Heiland zu suchen. Obwohl er aus den Ortschaften ausgeschlossen ist, könnte es ja sein, daß er Jesus auf einer Nebenstraße entlang dem Gebirge begegnet oder, wenn er gerade außerhalb der Ortschaften lehrt. Leicht wird es nicht sein — aber dies bleibt seine einzige Hoffnung. SGA 45.1

Obwohl noch weit entfernt, fängt der Aussätzige doch schon ein paar Worte des Heilands auf. Er sieht ihn, wie er den Kranken die Hände auflegt, er sieht die Gelähmten, Blinden und von verschiedenen Erkrankungen Todgeweihten gesund aufstehen und Gott für ihre Heilung preisen. Da wächst sein Glaube. Näher und näher wagt er sich an die zuhörende Menge um Jesus heran. Die ihm auferlegten Verbote, die gefährdete Gesundheit der Versammelten, die Furcht, mit der ihn alle ansehen — all das ist vergessen. Er sieht nur noch seine große Chance, im Glauben geheilt zu werden. SGA 45.2

Er bietet einen widerlichen Anblick: Die Krankheit hat ihn übel zugerichtet, sein zerfressener Körper sieht fürchterlich aus. Sobald ihn die Leute sehen, weichen sie zurück; aus Angst vor einer Berührung flüchten die Leute mit großem Gedränge. Einige versuchen, ihn daran zu hindern, sich Jesus zu nähern — aber umsonst. Er sieht und hört sie nicht; die Bekundungen ihres Abscheus erreichen ihn jetzt nicht mehr. Er sieht nur noch den Sohn Gottes und hört nur noch dessen Stimme, die den Sterbenden Leben zuspricht. SGA 45.3

Er wirft sich zu Jesu Füßen nieder mit dem Ausruf: “Herr, wenn du willst, kannst du mich reinigen.” Und Jesus antwortet: “Ich will’s tun; sei rein!” Dabei legt er seine Hand auf ihn. Matthäus 8,2.3. SGA 45.4

Schlagartig geschieht an dem Aussätzigen eine Veränderung: Sein Blut wird gesund, die Nerven wieder reizempfänglich, die Muskeln wieder kräftig. Das unnatürlich Weiße und Schuppige der Haut, wie es für Leprakranke typisch ist, verschwindet; statt dessen wird sie wie die eines kleinen Kindes. SGA 45.5

Wenn die Priester die Hintergründe von der Heilung des Aussätzigen erfuhren, konnte ihr Haß auf Jesus sie dazu bringen, ein falsches Urteil über den Zustand des Geheilten zu fällen. Denn ehe die Priester die Opfergabe annehmen durften, die von dem Gesundeten gemäß dem mosaischen Gesetz darzubringen war, hatten sie den Betreffenden zu untersuchen und seine völlige Genesung festzustellen. Jesus lag daran, eine unparteiische Entscheidung sicherzustellen. Er bat also den Mann, niemandem vom Hergang der Heilung zu erzählen, sondern sich unverzüglich mit der Opfergabe im Tempel zu zeigen, bevor noch irgendwelche Gerüchte bezüglich des Wunders aufkamen. SGA 45.6

Besagte Untersuchung fand statt; die Priester, die den Aussätzigen zur Isolation verurteilt hatten, bestätigten nun seine Gesundung. Der Geheilte wurde wieder in seine Familie und in die Gesellschaft aufgenommen; daran erkannte er, wie wertvoll die ihm geschenkte Gesundheit war. Wieder im Vollbesitz seiner Kräfte, freute er sich über die Heimkehr zu seiner Familie. Trotz der Warnung Jesu konnte er allerdings die Umstände seiner Genesung nicht länger für sich behalten, und so ging er voller Freude umher und verkündigte die Macht des Einen, der ihn geheilt hatte. SGA 46.1

Als dieser Mann zu Jesus kam, war er “voller Aussatz”; dessen tödliches Gift durchdrang seinen ganzen Körper. Die Jünger versuchten vergeblich, ihren Herrn davon abzuhalten, ihn zu berühren; denn wer einen Aussätzigen berührte, wurde selbst unrein. Aber als Jesus seine Hand auf den Kranken legte, wurde er schon nicht mehr angesteckt. Der Aussatz war bereits geheilt. Mit dem Aussatz namens Sünde verhält es sich genauso: sie ist tief verwurzelt, tödlich und durch menschliche Kraft kann man nicht von ihr loskommen. “Das ganze Haupt ist krank, das ganze Herz ist matt. Von der Fußsohle bis zum Haupt ist nichts Gesundes an euch, sondern Beulen und Striemen und frische Wunden, die nicht gereinigt noch verbunden noch mit Öl gelindert sind.” Jesaja 1,5.6. Aber der Mensch gewordene Jesus blieb frei von Sünde, vielmehr war seine Gegenwart heilkräftig für die Sünder. Jeder, der ihm zu Füßen fällt und im Glauben sagt: “Herr, wenn du willst, kannst du mich reinigen!”, wird die Antwort hören: “Ich will’s tun; sei rein!” SGA 46.2

In einigen Fällen ließ Jesus die Heilung Kranker nicht sofort geschehen; aber bei Aussatz wurde die Bitte um Gesundung sogleich nach ihrer Äußerung erhört. Wenn wir — vergleichend betrachtet — um weltliche Segnungen beten, wird auf unser Bitten vielleicht erst später geantwortet, oder Gott gibt uns vielleicht etwas anderes als das Erbetene; ganz anders aber ist es, wenn wir um Vergebung unserer Sünden bitten. Denn er will uns von Sünden reinigen, will uns zu seinen Kindern machen und uns ein geheiligtes Leben ermöglichen. SGA 46.3

Christus “hat sich selbst für unsre Sünden dahingegeben, daß er uns errette von dieser gegenwärtigen, bösen Welt nach dem Willen Gottes, unseres Vaters”. Galater 1,4. “Und das ist die Zuversicht, die wir haben zu Gott: Wenn wir um etwas bitten nach seinem Willen, so hört er uns. Und wenn wir wissen, daß er uns hört, worum wir auch bitten, so wissen wir, daß wir erhalten, was wir von ihm erbeten haben.” 1.Johannes 5,14.15. SGA 47.1