Für die Gemeinde geschrieben — Band 1
Kapitel 65: Wie umstrittene Lehrfragen behandelt werden sollten*
Wir wollen die Zeit begreifen, in der wir leben. Davon sind wir aber noch weit entfernt. Mir wird angst und bange, wenn ich daran denke, mit welchem Feind wir es zu tun haben und wie wenig wir auf ihn vorbereitet sind. Immer wieder wurde mir das Volk Israel mit seinen Prüfungen vor dem ersten Kommen Christi gezeigt. Die Haltung dieses Volkes zu jener Zeit ist mit der Situation des Volkes Gottes vor dem zweiten Kommen Christi vergleichbar: So wie der Feind damals mit allen Mitteln das Denken der Juden gefangennehmen wollte, so will er auch heute die Augen der Diener Gottes vor der Wahrheit verschließen. FG1 428.1
Als Christus auf dieser Welt lebte, stellte Satan jeden Abschnitt des Weges Jesu von der Krippe bis nach Golgatha in Frage. Schon immer hatte er Gott beschuldigt, von den Engeln Selbstverleugnung zu fordern, ohne selbst zu wissen, was dies eigentlich bedeutet. Dies war bereits im Himmel Satans Anklage. Auch nachdem er aus dem Himmel ausgestoßen worden war, beschuldigte er Gott, Hingabe zu fordern, ohne sich selbst für andere aufzuopfern. Christus kam in diese Welt, um diese Anschuldigungen zu widerlegen und zu zeigen, wie der Vater ist. Niemals werden wir das volle Maß der Erniedrigung, der er sich aussetzte, indem er unsere Natur annahm, ermessen können. Nicht, daß es eine Schande war, zum menschlichen Geschlecht zu gehören, aber es war der Herrscher des Himmels, der König der Welten, der sich selbst erniedrigte, um ein Kind zu werden und die Nöte und Leiden der Sterblichen auf sich zu nehmen. FG1 428.2
Nicht zur einflußreichen Persönlichkeit, sondern arm um unsertwillen wurde er auf Erden, damit wir durch seine Armut reich würden. Er durchlebte jeden Aspekt menschlichen Daseins. Er wurde von Stadt zu Stadt getrieben, und niemand erkannte das Licht, das er brachte. Man war zufrieden mit dem bereits Erreichten. FG1 428.3
Christus hatte köstliche Perlen der Wahrheit gebracht, aber die Menschen vermischten sie mit dem Unrat des Aberglaubens und Irrtums. Obwohl Christus Worte des Lebens gesprochen hatte, lebten die Menschen nicht von dem Wort, das aus dem Munde Gottes kam. Der Herr erlebte, wie sein Wort ungehört verhallte, weil die Menschen zu sehr in ihren Traditionen gefangen waren. Er kam persönlich, um der Wahrheit wieder ihren Platz zu geben und um die enge Beziehung zwischen Himmel und Erde wiederherzustellen. Jesus allein konnte die Wahrheit offenbaren, die die Menschen zu ihrer Erlösung kennen mußten. Er allein konnte Wahrheit vermitteln. Er allein konnte befreien und den Menschen das himmlische Licht der Wahrheit vor Augen stellen. FG1 429.1
Satan war immer auf dem Plan, um ihm entgegenzuarbeiten. Hatte er nicht seit dem Sündenfall immer wieder versucht, Dunkelheit als Licht und Licht als Dunkelheit darzustellen? Als Christus durch sein Leben den Weg zur Errettung der Menschen ging, benutzte Satan die israelitischen Führer, um Feindschaft gegen den Erlöser der Welt zu stiften. Sie taten alles, um zu verhindern, daß er an Menschen wirken konnte. FG1 429.2
Oh, wie sehr sehnte sich Christus danach, auch den Priestern die großen Schätze seiner Wahrheit zu offenbaren! Aber sie waren so stark von ihren eigenen Vorstellungen geprägt, daß es nahezu unmöglich war, ihnen das Reich Gottes zu predigen. Sie lasen die heiligen Schriften nicht richtig. Sie hatten zwar auf den Messias gewartet, seine Ankunft jedoch in Macht und Herrlichkeit erwartet. Weil er ihrer Vorstellung als König der Könige nicht entsprach, lehnten sie ihn ab. Aber sie hatten noch einen anderen Grund für ihre Ablehnung: Er war die Verkörperung der Reinheit, und sie waren unrein. Er ging über diese Erde als ein Mann makelloser Rechtschaffenheit. Ein solcher Charakter inmitten von Niedertracht und Bosheit war für sie ein Stein des Anstoßes. Deshalb wurde er verachtet und mißhandelt. Sein makelloses Leben leuchtete als enthüllendes Licht in die Herzen der Menschen und entlarvte den widerlichen Charakter ihrer Bosheit. FG1 429.3
Jeder Schritt des Sohnes Gottes auf dieser Erde war von den Mächten der Finsternis bedroht. Nach seiner Taufe wurde er vom Geist in die Wüste getrieben und vierzig Tage lang versucht. Ich habe Briefe erhalten, in denen behauptet wurde, daß Christus keine menschliche Natur gehabt haben konnte. Wäre dies der Fall gewesen, so schrieb man mir, hätte er in der Wüste fallen müssen. Ich sage darauf: Hätte er nicht unsere Natur gehabt, könnte er nicht unser Vorbild sein. Wäre er nicht Teilhaber der menschlichen Natur gewesen, hätte er nicht wie ein Mensch versucht werden können. Hätte er der Versuchung nicht widerstehen müssen, könnte er heute auch kein Helfer für uns sein. Es ist eine erhabene Tatsache, daß Christus auf diese Erde kam, um als Mensch für die Menschen zu kämpfen. Seine Versuchung und sein Sieg zeigen, wie die Menschheit sein Vorbild nachahmen kann. Der Mensch muß ein Teilhaber der göttlichen Natur werden. FG1 430.1
Göttlichkeit und Menschlichkeit in Christus verbunden
In Christus wurden Göttlichkeit und Menschlichkeit verbunden. Dies ist nicht so zu verstehen, daß Göttlichkeit zu Menschlichkeit herabgemindert wurde. Die Göttlichkeit behielt ihren Stellenwert, aber die Menschlichkeit wurde durch ihre Verbindung mit der Göttlichkeit fähig, auch den heftigsten Versuchungen in der Wüste zu widerstehen. Der Herrscher dieser Welt kam zu Jesus, als dieser lange gefastet hatte. Er empfahl dem Hungernden, die Steine in Brot zu verwandeln. Aber der Plan Gottes zur Errettung der Menschen sah vor, daß Christus Hunger, Armut und jede menschliche Erfahrung kennenlernen sollte. Jesus widerstand der Versuchung durch die Kraft, die jeder Mensch in Anspruch nehmen kann: Er berief sich auf den Thron Gottes. Jeder Mensch kann durch den Glauben an Gott Zugang zu dieser Hilfe erhalten und so zum Teilhaber der göttlichen Natur werden. Jeder Mensch kann bei Versuchungen und Prüfungen die Hilfe des Himmels für sich einfordern. Christus kam, um die Quelle dieser Kraft zu offenbaren, damit der Mensch nicht mehr damit auf seine schwachen menschlichen Fähigkeiten angewiesen ist. FG1 430.2
Wer überwinden möchte, muß alle seine Kräfte einsetzen. Er muß auf den Knien um göttliche Kraft ringen. Christus kam, um unser Vorbild zu werden und um uns zu versichern, daß wir Teilhaber der göttlichen Natur sein können. Wie? Dadurch, daß wir der verderblichen Lust dieser Welt entflohen sind. Satan hat keinen einzigen Sieg über Christus errungen. Er konnte dem Erlöser nichts anhaben. Obwohl er ihm in die Ferse stach, war er nicht fähig, ihn endgültig zu überwinden. Durch das Leben Jesu wurde deutlich, daß der Mensch in Rechtschaffenheit bestehen kann. Menschen können die Kraft zum Widerstehen erlangen eine Kraft, die weder von Erde, Tod noch Hölle überwunden werden kann. Eine Kraft, die uns dahin bringt, wie Christus überwinden zu können. Auf diese Weise werden Göttlichkeit und Menschlichkeit verbunden. FG1 431.1
Es war das Werk Christi, Wahrheit in Form des Evangeliums zu verkünden und die Grundsätze zu offenbaren, die er der gefallenen Menschheit gegeben hatte. Er hatte es nicht nötig, sich auf die Gedanken anderer zu beziehen, denn er ist der Ursprung aller Wahrheit. Alle Weisheit kommt von ihm. Die Gedanken aller Propheten und Philosophen sind letztlich Gedanken Christi, der Ursprung und Quelle aller Wahrheit ist. Er, der vor allem da war, ist der geistliche Führer für alle Zeiten. FG1 431.2
Es war Christus, der durch Melchisedek, den Priester des Allerhöchsten, sprach. Melchisedek war nicht Christus, aber er war die Stimme Gottes in der Welt, der Vertreter des Vaters. Durch alle Generationen der Vergangenheit hat Christus gesprochen. Er hat sein Volk geführt und war das Licht der Welt. Als Gott Abraham zum Repräsentanten seiner Wahrheit erwählte, sonderte er ihn aus und führte ihn aus seiner Heimat, fort von seiner Sippe. Er wollte ihn nach seinen Vorstellungen formen. Er sollte seine Prägung nicht durch weltliche Lehrer erfahren. So lernte er, seinen Kindern und seinem Haushalt nach dem Willen des Höchsten vorzustehen, die Wege des Herrn zu gehen und Gerechtigkeit und Recht zu sprechen. Das verlangt Gott auch von uns. Er möchte, daß wir unseren Familien klug vorstehen und unsere Kinder auf den Wegen des Herrn leiten. FG1 431.3
Eine besondere Aufgabe für Johannes
Johannes wurde zu einer besonderen Aufgabe berufen. Er sollte den Weg des Herrn bereiten. Der Herr sandte ihn nicht in die Schulen der Propheten und Rabbinern, sondern rief ihn von den Menschenmengen weg in die Wüste. Dort sollte er die Natur und den Gott der Natur kennenlernen. Er sollte nicht die Prägung der Priester oder anderer weltlicher Herrscher empfangen, denn er hatte eine besondere Aufgabe zu erfüllen. Der Herr gab ihm seine Botschaft. Was geschah? Ging Johannes zu den Priestern und Mächtigen, um sie zu fragen, ob er diese Botschaft verkündigen durfte? — Nein, Gott rief ihn weg von ihnen. Er sollte nicht von ihrem Geist und ihren Lehren beeinflußt werden. Als die Stimme eines Predigers in der Wüste verkündigte er: “In der Wüste bereitet dem Herrn den Weg, macht in der Steppe eine ebene Bahn unserm Gott! Alle Täler sollen erhöht werden, und alle Berge und Hügel sollen erniedrigt werden, und was uneben ist, soll gerade, und was hügelig ist, soll eben werden-, denn die Herrlichkeit des Herrn soll offenbart werden, und alles Fleisch miteinander wird es sehen; denn des Herrn Mund hat’s geredet.” Jesaja 40,3-5. FG1 432.1
Genau diese Botschaft muß unserem Volk heute gebracht werden. Wir sind nahe am Ende der Zeit, und die Botschaft lautet: Bereitet dem König den Weg, sammelt die Steine aus; haltet das Banner Gottes in die Höhe. Das Volk muß erweckt werden. Jetzt ist nicht die Zeit, nach Ruhe und Frieden zu rufen. Wir werden ermahnt: “Rufe getrost, halte nicht an dich! Erhebe deine Stimme wie eine Posaune und verkündige meinem Volk seine Abtrünnigkeit und dem Hause Jakob seine Sünden!” Jesaja 58,1. FG1 432.2
Das Licht der Herrlichkeit Gottes schien über unserem Stellvertreter. Sein Licht wird auch über uns scheinen. Mit seinem menschlichen Arm umfaßte Jesus die Menschheit, mit seinem göttlichen Arm reichte er bis zum Thron des Unendlichen und verband Mensch und Gott, Himmel und Erde. FG1 432.3
Das Licht der Herrlichkeit Gottes muß auch auf uns fallen. Wir brauchen göttliche Salbung aus der Höhe. Wie intelligent und gebildet jemand auch sein mag, er ist zum Lehren nicht geeignet, es sei denn er hält sich fest an den Gott Israels. Wer mit dem Himmel verbunden ist, wird die Werke Christi tun. Durch den Glauben an Gott wird er zum Helfer seiner Mitmenschen. Er wird nach den verlorenen Schafen des Hauses Israel suchen. Verbindet sich göttliche Kraft nicht mit der menschlichen, gebe ich selbst auf die edelsten Bestrebungen eines Menschen nicht einen Pfifferling. Für unsere Arbeit brauchen wir den Heiligen Geist. Nichts schreckt mich mehr, als bei unseren Brüdern den Geist der Uneinigkeit zu sehen. Wir befinden uns auf gefährlichem Grund, wenn wir nicht wie Christen zusammenkommen können, um umstrittene Punkte in aller Höflichkeit gemeinsam zu untersuchen. Ich möchte fliehen, wenn ich manche Brüder sehe, die die Lehren der Bibel nicht offen und ehrlich erforschen wollen. FG1 432.4
Wer nicht in der Lage ist, andere Ansichten unvoreingenommen zu überprüfen, kann im Werk Gottes kein Lehrer sein. Was wir brauchen, ist die Taufe mit dem Heiligen Geist! Ohne sie sind wir zur Verkündigung genauso wenig bereit wie die Jünger nach der Kreuzigung ihres Herrn. Jesus kannte ihre Hilflosigkeit und befahl ihnen deshalb, in Jerusalem zu bleiben, bis sie mit Kraft von oben ausgestattet würden. Jeder Lehrer muß auch ein Lernender sein. Seine Augen müssen gesalbt sein, um die Wahrheit Gottes zu sehen, die sich immer weiter entwickelt. Wer anderen Licht geben will, dem muß die Sonne der Gerechtigkeit selbst ins Herz strahlen. FG1 433.1
Niemand kann die Heilige Schrift ohne die Hilfe des Heiligen Geistes erklären. Öffnen wir uns dem Wort Gottes mit demütigem und lernfähigem Herzen, so werden uns die Engel Gottes immer weiter in alle Wahrheit leiten. Wenn der Geist Gottes mit uns ist, wird es keinen Neid und keine Eifersucht bei der Untersuchung der Standpunkte andersdenkender Brüder geben. Es wird auch keine gegenseitigen Anklagen oder verletzende Kritik geben. Was Christus zu Nikodemus sagte, sage ich jetzt zu euch: “Ihr müßt von neuem geboren werden.” Johannes 3,7. “Es sei denn, daß jemand von neuem geboren werde, so kann er das Reich Gottes nicht sehen.” Johannes 3,3. Ihr müßt Gott begegnet sein, bevor ihr die heiligen Forderungen in ihrer Fülle erkennen könnt. Wenn ein Lehrer nicht ein Lernender in der Schule Christi ist, so ist er nicht fähig, andere zu lehren. FG1 433.2
Ellen G. Whites besonderes Werk
Wir sollten zu einer Situation finden, in der alle Konflikte ausgeräumt sind. Wenn ich neues Licht habe, zögere ich niemals, es mitzuteilen. Würde ich über das, was der Herr mir auftrug, erst andere um Rat fragen, könnte die Botschaft Gottes für manche zu spät kommen und Türen für immer verschlossen sein. Als Jesus in Jerusalem einzog, “fing die ganze Menge der Jünger an, mit Freuden Gott zu loben mit lauter Stimme über alle Taten, die sie gesehen hatten, und sprachen: Gelobt sei, der da kommt, der König, in dem Namen des Herrn! Friede sei im Himmel und Ehre in der Höhe! Und einige Pharisäer in der Menge sprachen zu ihm: Meister, weise doch deine Jünger zurecht! Er antwortete und sprach: Ich sage euch: Wenn diese schweigen werden, so werden die Steine schreien.” Lukas 19,37-40. FG1 434.1
Die Juden wollten die im Wort Gottes vorhergesagte Verkündigung der Botschaft verhindern, aber Prophetie muß sich erfüllen. Der Herr spricht: “Siehe, ich will euch senden den Propheten Elia, ehe der große und schreckliche Tag des Herrn kommt.” Maleachi 3,23. Es wird jemand im Geist und der Kraft des Elia kommen, und wenn er erscheint, wird man sagen: “Deine Botschaft ist zu ernst, du legst die Schrift nicht richtig aus. Laß dir sagen, wie du es besser machen kannst.” FG1 434.2
Viele sind nicht in der Lage, zwischen Gottes- und Menschenwerk zu unterscheiden. Ich werde die Wahrheit so verkündigen, wie Gott sie mir gibt, und ich sage euch jetzt: Wenn ihr weiter so begierig seid, Fehler und Widersprüche zu finden, werdet ihr die Wahrheit niemals erkennen. Jesus sagt zu seinen Jüngern: “Ich habe euch noch viel zu sagen; aber ihr könnt es jetzt nicht ertragen.” Johannes 16,12. Sie waren noch nicht in der Lage, heilige und ewige Dinge zu begreifen, aber Jesus versprach, den Tröster zu schicken, der sie in allen Dingen lehren und ihnen alles, was er ihnen gesagt hatte, in Erinnerung bringen sollte. Brüder, wir dürfen uns nicht auf Menschen verlassen! “So lasset nun ab von dem Menschen, der nur ein Hauch ist; denn für was ist er zu achten?” Jesaja 2,22. Verlaßt euch ganz auf Jesus! Warum sollen wir aus trüben Rinnsalen schöpfen, wenn uns klares Quellwasser zur Verfügung steht? Wenn ihr irgendeine Frage nicht versteht oder darüber uneins seid, dann studiert, vergleicht verschiedene Texte der Schrift und grabt tief in der Goldmine des Wortes Gottes. Legt euch auf den Altar Gottes, vergeßt eure vorgefaßten Meinungen und laßt den Geist des Himmels euch in alle Wahrheit führen. FG1 434.3
Es gab eine Zeit, in der mein Bruder nichts von unserer Botschaft hören wollte. Er hatte Angst, davon überzeugt zu werden. Er kam nicht zu den Versammlungen und verweigerte sich auch jeder Vortragsreihe. Später erklärte er, daß er sich zu jener Zeit genauso schuldig fühlte, als wenn er die Vorträge gehört hätte. Gott hatte ihm eine Gelegenheit gegeben, die Frohe Botschaft zu hören, und würde ihn dafür zur Verantwortung ziehen. Viele von uns hegen Vorurteile gegen die Lehren, die zur Zeit diskutiert werden. Obwohl sie nicht zu den Vorträgen kommen und sich auch nicht persönlich mit den Fragen auseinandersetzen, halten sie starr an ihren alten Ansichten fest. Sie sind zufrieden mit ihrer augenblicklichen Lage. FG1 435.1
“Du sprichst: Ich bin reich und habe genug und brauche nichts! und weißt nicht, daß du elend und jämmerlich bist, arm, blind und bloß. Ich rate dir, daß du Gold von mir kaufst, das im Feuer geläutert ist, damit du reich werdest, und weiße Kleider, damit du sie anziehst und die Schande deiner Blöße nicht offenbar werde, und Augensalbe, deine Augen zu salben, damit du sehen mögest. Welche ich lieb habe, die weise ich zurecht und züchtige ich. So sei nun eifrig und tue Buße.” Offenbarung 3,17-20. FG1 435.2
Dieser Bibeltext bezieht sich auf Menschen, die die Botschaft hören, sie aber nicht annehmen wollen. Wie aber wollt ihr erfahren, daß der Herr neue Einsichten über seine Botschaft gibt? Welche Vorkehrungen haben wir getroffen, damit neues Licht auch in unseren Reihen leuchten kann? Woher wissen wir, daß Gott seinen Kindern kein neues Licht mehr schenken will? Selbstzufriedenheit, Egoismus und der Stolz, die Wahrheit zu besitzen, müssen aufhören. Zu den Füßen Jesu müssen wir von seiner Demut und seiner Sanftmut lernen. Jesus lehrte seine Jünger anders, als es die Rabbinern taten. Viele Juden kamen und hörten, wie Jesus die Geheimnisse der Erlösung offenbarte, aber sie kamen nicht, um zu lernen. Sie kamen, um zu kritisieren. Sie wollten ihn bei einem Widerspruch ertappen, um das Volk gegen ihn einzunehmen. Sie begnügten sich mit ihrem bisherigen Wissen. Aber die Kinder Gottes müssen die Stimme des wahren Hirten kennen. Ist es nicht höchste Zeit, vor Gott zu fasten und zu beten? Wir stehen in der Gefahr der Uneinigkeit und der Spaltung auf Grund gegensätzlicher Standpunkte. Sollten wir nicht Gott mit ganzem Herzen suchen und uns demütigen, damit wir erfahren, was die Wahrheit ist? FG1 435.3
Geht zum Feigenbaum
Nathanael hörte Johannes über Jesus sagen: “Siehe, das ist Gottes Lamm, das der Welt Sünde trägt!” Johannes 1,29. Als Nathanael aber Jesus erblickte, war er von der äußeren Erscheinung des Welterlösers enttäuscht. Sollte dieser Mann, ein einfacher Handwerker, gezeichnet von den Mühen der Arbeit und der Armut, der Messias sein? Nathanael wandte sich ab. Aber seine Meinung über Jesus war noch nicht endgültig. Er kniete unter einem Feigenbaum nieder und fragte Gott, ob dieser Mann tatsächlich der Messias sei. Währenddessen kam Philippus zu ihm und sagte: “Wir haben den gefunden, von dem Mose im Gesetz und die Propheten geschrieben haben, Jesus, Josefs Sohn aus Nazareth.” Das Wort “Nazareth” ließ Nathanaels Unglauben erneut erwachen. “Was kann aus Nazareth Gutes kommen!” Er war voller Vorurteile. Philippus versuchte diese Vorurteile nicht zu zerstreuen, sondern sagte einfach: “Komm und sieh es!” Als Nathanael zu Jesus kam, sagte Jesus: “Siehe, ein rechter Israelit, in dem kein Falsch ist.” Nathanael war erstaunt. Er sagte: “Woher kennst du mich? Jesus antwortete und sprach zu ihm: Bevor Philippus dich rief, als du unter dem Feigenbaum warst, sah ich dich.” Johannes 1,45-48. FG1 436.1
Wäre es nicht gut für uns, unter den Feigenbaum zu gehen und mit Gott um die Wahrheit zu ringen? Würde Gottes Angesicht ebenso auf uns ruhen wie auf Nathanael? Nathanael glaubte dem Herrn und rief aus: “Rabbi, du bist Gottes Sohn, du bist der König von Israel! Jesus antwortete und sprach zu ihm: Du glaubst, weil ich dir gesagt habe, daß ich dich gesehen habe unter dem Feigenbaum. Du wirst noch Größeres als das sehen. Und er spricht zu ihm: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Ihr werdet den Himmel offen sehen und die Engel Gottes hinauf- und herabfahren über dem Menschensohn.” Johannes 1,49.51. FG1 436.2
Solches werden wir sehen, wenn wir mit Gott verbunden sind. Gott möchte, daß wir uns auf ihn und nicht auf Menschen verlassen. Er möchte uns ein neues Herz geben und uns das Licht des göttlichen Throns schauen lassen. Wir sollten um jede Einsicht ringen. Was sollen wir aber tun, wenn wir auf widersprüchliche Punkte stoßen? Die Meinung anderer Menschen hören und daraus unser Urteil bilden? — Nein. Geht zu Gott! Sagt ihm, was ihr wünscht. Nehmt eure Bibel zur Hand und sucht nach den verborgenen Schätzen. FG1 437.1
Wir gehen nicht tief genug
Bei unserer Suche nach der Wahrheit gehen wir nicht tief genug. Jeder Mensch, der an die gegenwärtige Wahrheit glaubt, wird irgendwann Zeugnis von seiner Hoffnung geben müssen. Das Volk Gottes wird vor Könige, Herrscher und große Männer der Welt gerufen werden. Dann muß jeder wissen, was Wahrheit ist. Dazu sind bekehrte Männer und Frauen nötig. Gott kann uns durch seinen Heiligen Geist in einem kurzen Augenblick mehr lehren als alle Weisen dieser Welt. Das Universum beobachtet den Kampf, der auf der Erde vor sich geht. Für einen unermeßlichen Preis hat Gott jedem Menschen die Möglichkeit eröffnet, zu erfahren, was zu seiner Erlösung dient. Wie aufmerksam beobachten die Engel, wer diese Gelegenheit nutzt! FG1 437.2
Wenn dem Volk Gottes eine Botschaft gegeben wird, sollte es sich nicht dagegen erheben. Es sollte sich zur Bibel wenden und diese Botschaft mit dem Gesetz und den Zeugnissen vergleichen. Wenn sie diesen Test nicht besteht, ist sie nicht wahr. Gott möchte unser Denken erweitern. Er möchte uns seine Gnade verleihen. Jeder Tag kann ein Festtag für uns werden, weil Gott uns die Reichtümer des Himmels öffnen will. Wir müssen eins mit dem Vater werden, so wie der Sohn eins mit dem Vater ist, und der Vater wird uns lieben wie seinen Sohn. Uns steht die gleiche Hilfe zur Verfügung, die Christus zur Verfügung stand. Das bedeutet Kraft für jede Notlage. Gott will alles für uns tun. Er will uns von allen Seiten bewahren, und wenn wir vor die Herrscher und Autoritäten dieser Welt gebracht werden, brauchen wir nicht lange darüber nachzusinnen, was wir sagen sollen. Gott wird uns am Tag der Not unterweisen. Er helfe uns, zu Jesu Füßen zu sitzen und zu lernen, bevor wir uns darum bemühen, Lehrer für andere zu werden. FG1 437.3
Die Bibel ist die Grundlage unseres Glaubens
Wenn das Wort Gottes gelesen, begriffen und befolgt wird, wird helles Licht in die Welt leuchten. Wenn wir neue Erkenntnisse aufnehmen und akzeptieren, werden sie uns immer fester an Jesus binden. Die Bibel, und nur die Bibel allein, soll die Grundlage unseres Glaubens sein. Nur durch sie erreichen wir Einigkeit. Unsere Bemühungen dürfen nicht von unseren Einstellungen und Ideen gesteuert werden. Der Mensch ist fehlbar, aber das Wort Gottes ist unfehlbar. Laßt uns den Herrn erheben, anstatt dauernd miteinander zu streiten. Laßt uns Anfeindungen begegnen wie unser Meister, indem wir sagen: “Es steht geschrieben.” Laßt uns das Banner erheben, auf welchem geschrieben steht: Die Bibel ist die Grundlage unseres Glaubens und Lebens. The Review and Herald, 15. Dezember 1885. FG1 438.1