Für die Gemeinde geschrieben — Band 1

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Kapitel 36: In Christus gibt es keinen Unterschied*

Der höchste Engel im Himmel hatte nicht die Macht, auch nur für eine verlorene Seele das Lösegeld zu bezahlen. Cherubim und Seraphim besitzen zwar die Herrlichkeit, mit der der Schöpfer sie als seine Geschöpfe umgeben hat, aber die Versöhnung des Menschen mit Gott konnte nur durch einen Mittler geschehen, der Gott gleich war, der Eigenschaften besaß, die ihn würdig sein ließen, gegenüber dem ewigen Gott die Sache des Menschen zu vertreten und gleichzeitig diesen Gott gegenüber einer gefallenen Welt zu repräsentieren. Der Stellvertreter und Bürge des Menschen mußte die menschliche Natur besitzen, eine Beziehung zur Menschheitsfamilie haben, die er repräsentierte. Gleichzeitig mußte er Anteil an der göttlichen Natur haben, mit dem Ewigen verbunden sein, damit er der Welt Gott offenbaren und ein Mittler zwischen Gott und Menschen sein konnte. FG1 271.1

Nur Christus allein besaß diese Fähigkeiten. Indem er seine Göttlichkeit mit Menschlichkeit überkleidete, kam er auf die Erde, um der Menschensohn und der Gottessohn genannt zu werden. Er war der Bürge für den Menschen, der Botschafter Gottes — Bürge für den Menschen, indem er durch seine Gerechtigkeit zugunsten des Menschen die Forderungen des Gesetzes erfüllte, und Vertreter Gottes, um einem gefallenen Geschlecht seinen Charakter zu offenbaren. FG1 271.2

Der Erlöser der Welt besaß die Macht, Menschen zu sich zu ziehen, ihre Nöte zu lindern, ihre Dunkelheit zu vertreiben, sie mit Hoffnung und Mut zu erfüllen und sie zu befähigen, an die Bereitschaft Gottes zu glauben, sie dank der Verdienste des göttlichen Stellvertreters anzunehmen. Als jene, denen Gottes Liebe gilt, sollten wir ewig dafür dankbar sein, daß wir einen Mittler haben, einen Anwalt, einen Fürsprecher in den himmlischen Höfen, der für uns vor dem Vater bittet. FG1 271.3

Wir besitzen alles, was wir je erbitten könnten, um mit Glauben und Vertrauen zu Gott erfüllt zu werden. Wenn ein König an irdischen Höfen den größten Beweis seiner Vertrauenswürdigkeit liefern will, gibt er sein Kind als eine Geisel, die erst nach Erfüllung seiner Zusagen frei wird. Nun seht, auf welche Weise der Vater seine Vertrauenswürdigkeit bewiesen hat: Weil er die Menschen von der Unumstößlichkeit seines Ratschlusses überzeugen wollte, sandte er seinen Sohn auf diese Erde, der nicht nur für die kurzen Jahre eines Lebens menschliche Natur annahm, sondern sie auch in den himmlischen Höfen als ewigen Beweis der Vertrauenswürdigkeit Gottes behalten wird. O welche Tiefe des Reichtums der Weisheit und Liebe Gottes! “Seht, welch eine Liebe hat uns der Vater erwiesen, daß wir Gottes Kinder heißen sollen.” 1.Johannes 3,1. FG1 272.1

Durch den Glauben an Christus werden wir Mitglieder der königlichen Familie, Erben Gottes und Miterben Jesu Christi. In Christus sind wir eins. Wenn wir nach Golgatha blicken und dort den königlichen Leidenden sehen, der in menschlicher Natur an des Menschen Statt den Fluch des Gesetzes erduldete, werden alle nationalen Unterschiede, alle sektiererischen Differenzen ausgelöscht; Standesehre und Klassenstolz existieren nicht mehr. FG1 272.2

Das Licht, das von Gottes Thron auf das Kreuz von Golgatha fällt, macht für immer allen von Menschen aufgerichteten Schranken zwischen Klassen und Rassen ein Ende. Menschen aus jeder Klasse werden Mitglieder der einen Familie, Kinder des himmlischen Königs. Dies geschieht nicht durch irdische Macht, sondern durch die Liebe Gottes, der Jesus an ein Leben der Armut, Anfechtung und Demütigung hingab, das in einem Tod voller Schande und Qual endete, damit er auf diese Weise viele Söhne und Töchter zur Herrlichkeit brächte. FG1 272.3

Es ist nicht seine Position, nicht seine begrenzte Weisheit, nicht seine Qualifikation oder seine Verdienste, die einem Menschen nach Gottes Maßstab ein hohes Ansehen verschafften. Der Intellekt, der Verstand und die Talente der Menschen sind Gaben Gottes, die zu seiner Verherrlichung und zum Aufbau seines ewigen Reiches eingesetzt werden sollen. Der geistliche und moralische Charakter ist es, der aus der Sicht des Himmels zählt, der das Grab überdauern und für die endlosen Zeitalter der Ewigkeit durch Unsterblichkeit verherrlicht werden wird. Weltliche Würde, die von Menschen so hoch geehrt wird, wird niemals aus dem Grab hervorkommen, in das sie gelegt wurde. Reichtum, Ehre und menschliche Weisheit, die den Vorhaben des Feindes gedient haben, können ihren Besitzern kein Erbteil, keine Ehre und keine Vertrauensstellung in der kommenden Welt einbringen. Nur jene, die die Gnade Christi geschätzt haben, die sie zu Erben Gottes und Miterben Jesu gemacht hat, werden sich aus dem Grab erheben und das Bild ihres Erlösers tragen. FG1 272.4

Alle, die für würdig befunden werden, Mitglieder der himmlischen Familie Gottes zu sein, werden einander als Söhne und Töchter Gottes erkennen. Sie werden erkennen, daß sie alle ihre Kraft und Vergebung von derselben Quelle erhalten, nämlich von Jesus Christus, der für ihre Sünden gekreuzigt wurde. Sie wissen, daß sie die Kleider ihres Charakters in seinem Blut waschen müssen, um in seinem Namen vor dem Vater angenommen zu werden, wenn sie zur herrlichen Gemeinschaft der Heiligen gehören wollen, die mit den weißen Kleidern der Gerechtigkeit angetan sind. FG1 273.1

Eins in Christus

Wenn nun Gottes Kinder in Christus eins sind, welche Bedeutung haben dann die Unterschiede zwischen einzelnen gesellschaftlichen Klassen und Kasten und die menschlichen Trennungen, die aufgrund von Hautfarbe, Rasse, Position, Wohlstand, Geburt oder besonderer Fähigkeiten sogar unter seinen Nachfolgern bestehen? Das Geheimnis der Einheit besteht in der Gleichheit der Gläubigen in Christus. Die Ursache aller Spaltungen, Unstimmigkeiten und Gegensätze liegt in der Trennung von Christus. Christus ist das Zentrum, auf das alles ausgerichtet sein sollte, denn je näher wir diesem Zentrum kommen, desto enger werden wir untereinander in Liebe und Mitgefühl zusammenrücken, und der Charakter und das Ebenbild Jesu werden in uns Gestalt gewinnen. Vor Gott gibt es kein Ansehen der Person. FG1 273.2

Jesus kannte die Wertlosigkeit irdischen Pomps, und er gab nichts auf seine Entfaltung. Seine seelische Würde, sein veredelter Charakter und seine hohen Grundsätze ließen ihn über den törichten Verhaltensweisen dieser Welt stehen. Obwohl der Prophet über ihn schreibt “Er war der Allerverachtetste und Unwerteste, voller Schmerzen und Krankheit” (Jesaja 53,3), kann er als der Höchste unter den Vornehmen der Erde bezeichnet werden. Die besten Kreise der menschlichen Gesellschaft hätten ihn hofiert, wenn er sich dazu herabgelassen hätte, ihre Gunst anzunehmen. Aber ihn verlangte nicht nach dein Beifall der Menschen, sondern er ging seinen Weg völlig unabhängig von allen menschlichen Beeinflussungen. Wohlstand, Einfluß, Ansehen und menschliche Größe in allen ihren Erscheinungsformen waren nicht mehr als verschiedene Abstufungen der Nichtigkeit für ihn, der die Ehre und Herrlichkeit des Himmels verlassen hatte, keine irdische Herrlichkeit besaß, keiner Neigung zum Luxus nachgab und keinen Schmuck außer der Demut besaß. FG1 274.1

Die Niedrigen, jene, die in Armut gebunden, von Sorgen bedrückt und von Mühen belastet waren, konnten in seinem Leben und an seinem Beispiel nichts finden, was ihnen den Eindruck vermittelt hätte, daß Jesus nicht mit ihren Nöten vertraut war, ihre bedrückenden Lebensumstände nicht kannte oder ihre Bedürfnisse und Sorgen nicht nachempfinden konnte. Die Niedrigkeit seines demutsvollen, alltäglichen Lebens befand sich in Übereinstimmung mit den armseligen Umständen seiner Geburt. Der Sohn des ewigen Gottes, der Herr des Lebens und der Herrlichkeit erniedrigte sich in Demut zu einem Leben, das dem Leben der Geringsten entsprach, damit niemand sich von seiner Gegenwart ausgeschlossen fühlen mußte. Er war für alle ansprechbar. Er wählte nicht einige wenige Bevorzugte aus, um mit ihnen Gemeinschaft zu haben, während er alle anderen ignorierte. Es betrübt den Geist Gottes, wenn konservatives Verhalten den Mitmenschen ausschließt, besonders wenn dies unter solchen geschieht, die bekennen, seine Kinder zu sein. FG1 274.2

Christus kam, um der Welt ein Beispiel dafür zu geben, was vollkommene Menschlichkeit vermochte, wenn sie mit Göttlichkeit verbunden war. Er zeigte der Welt eine neue Stufe der Größe durch die Art, wie er Sanftmut, Mitgefühl und Liebe vorlebte. Er vermittelte den Menschen ein neues Verständnis von Gott. Als Haupt der Menschheit lehrte er die Menschen einige Lektionen der Wissenschaft von der göttlichen Herrschaft, indem er die Rechtmäßigkeit der Versöhnung von Gnade und Gerechtigkeit offenbarte. Die Versöhnung von Gnade und Gerechtigkeit schloß keinerlei Kompromiß mit der Sünde ein, noch vernachlässigte sie irgendeinen Anspruch der Gerechtigkeit. Aber indem jeder göttlichen Eigenschaft der ihr gebührende Platz zugewiesen wurde, konnte in der Bestrafung des sündigen, verstockten Menschen Gnade geübt werden, ohne daß die Gnade zerstört wurde oder ihren mitfühlenden Charakter verlor. Und indem der bereuende Übertreter Vergebung fand, konnte Gerechtigkeit geübt werden, ohne ihre Integrität zu verletzen. FG1 274.3

Christus, unser Hoherpriester

All dies war möglich, weil Christus gleichzeitig die menschliche Natur und göttliche Eigenschaften besaß und sein Kreuz zwischen der Menschlichkeit und der Göttlichkeit aufrichtete, um auf diese Weise den Abgrund zu überbrücken, der den Sünder von Gott trennte. FG1 275.1

“Denn er nimmt sich nicht der Engel an, sondern der Kinder Abrahams nimmt er sich an. Daher mußte er in allem seinen Brüdern gleich werden, damit er barmherzig würde und ein treuer Hoherpriester vor Gott, zu sühnen die Sünden des Volkes. Denn worin er selber gelitten hat und versucht worden ist, kann er helfen denen, die versucht werden.” Hebräer 2,16-18. FG1 275.2

“Denn wir haben nicht einen Hohenpriester, der nicht könnte mit leiden mit unserer Schwachheit, sondern der versucht worden ist in allem wie wir, doch ohne Sünde.” Hebräer 4,15. FG1 275.3

“Denn jeder Hohepriester, der von den Menschen genommen wird, der wird eingesetzt für die Menschen zum Dienst vor Gott, damit er Gaben und Opfer darbringe für die Sünden. Er kann mitfühlen mit denen, die unwissend sind und irren, weil er auch selber Schwachheit an sich trägt. Darum muß er, wie für das Volk, so auch für sich selbst opfern für die Sünden. Und niemand nimmt sich selbst die hohepriesterliche Würde, sondern er wird von Gott berufen wie auch Aaron. So hat auch Christus sich nicht selbst die Ehre beigelegt, Hoherpriester zu werden, sondern der, der zu ihm gesagt hat: ‘Du bist mein Sohn, heute habe ich dich gezeugt.’ Wie er auch an anderer Stelle spricht: ‘Du bist ein Priester in Ewigkeit nach der Ordnung Melchisedeks.’ Und er hat in den Tagen seines irdischen Lebens Bitten und Flehen mit lautem Schreien und mit Tränen dem dargebracht, der ihn vom Tode erretten konnte; und er ist auch erhört worden, weil er Gott in Ehren hielt. So hat er, obwohl er Gottes Sohn war, doch an dem, was er litt, Gehorsam gelernt. Und als er vollendet war, ist er für alle, die ihm gehorsam sind, der Urheber des ewigen Heils geworden.” Hebräer 5,1-9. FG1 275.4

Jesus kam, um moralische Kraft zu bringen, die mit menschlichen Bemühungen verbunden werden soll, und seine Nachfolger sollten keinesfalls Christus, der in allen Dingen ihr Vorbild ist, aus dem Blick verlieren. Er sagte: “Ich heilige mich selbst für sie, damit auch sie geheiligt seien in der Wahrheit.” Johannes 17,19. Jesus zeigt seinen Kindern die Wahrheit, damit sie darauf schauen mögen und, indem sie darauf schauen, durch seine Gnade von der Übertretung zum Gehorsam, von der Unreinheit zur Reinheit, von der Sünde zur Heiligkeit des Herzens und einem Leben der Gerechtigkeit umgewandelt werden. FG1 276.1

Eine besondere Gruppe im Himmel

Einige unter den Erlösten werden Christus erst in den letzten Stunden ihres Lebens angenommen haben. Jene, die zum Zeitpunkt ihres Todes den Erlösungsplan nicht völlig verstanden, werden im Himmel darüber unterrichtet werden. Christus wird die Erlösten zum Strom des Lebens führen, um ihr Verständnis für das zu öffnen, was sie zu Lebzeiten nicht verstehen konnten. Brief 203, 1905. FG1 276.2