Für die Gemeinde geschrieben — Band 1

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Kapitel 30: Das Gesetz und das Evangelium*

Als die Juden Christus verwarfen, verwarfen sie die Grundlage ihres Glaubens. Die Christen der heutigen Zeit, die den Glauben an Christus zwar vorgeben, das Gesetz Gottes aber ablehnen, begehen einen ähnlichen Fehler wie die irregeführten Juden. Diejenigen, die sich zu Christus bekennen und alle Hoffnungen auf ihn setzen, gleichzeitig aber dem Moralgesetz und den Weissagungen mit Verachtung gegenüberstehen, sind in keiner besseren Lage als die ungläubigen Juden. Verständlicherweise können sie Sünder nicht zur Buße rufen, da sie zu einer sinnvollen Erklärung dessen, was eigentlich bereut werden sollte, gar nicht in der Lage sind. Der Sünder, der aufgefordert wird, von seinen Sünden zu lassen, hat ein Recht darauf zu fragen: Was ist Sünde? Diejenigen, die Gottes Gesetz achten, können darauf antworten: “Sünde ist Übertretung des Gesetzes.” Zur Bekräftigung dessen sagt der Apostel Paulus: “Aber die Sünde erkannte ich nicht außer durchs Gesetz.” FG1 242.1

Nur diejenigen, die die Verbindlichkeit des Moralgesetzes anerkennen, können das Wesen der Versöhnung erklären. Christus kam, um zwischen Gott und Mensch zu vermitteln, um den Menschen mit Gott zu vereinen, indem er ihn in Übereinstimmung mit seinem Gesetz bringt. Das Gesetz hatte nicht die Macht, dem Übertreter zu vergeben. Nur Jesus konnte für die Schuld des Sünders bezahlen. Doch die Tatsache, daß Jesus für die Straffreiheit des bußfertigen Sünders bezahlt hat, gibt ihm nicht das Recht, weiterhin Gottes Wort zu übertreten, sondern von nun an muß er im Gehorsam gegenüber diesem Gesetz leben. FG1 242.2

Das Gesetz Gottes existierte schon vor der Erschaffung des Menschen. Andernfalls hätte Adam nicht sündigen können. Nach Adams Übertretung wurden die Prinzipien des Gesetzes nicht verändert, doch sie wurden genau gegliedert und so formuliert, daß sie dem Menschen in seinem gefallenen Zustand gerecht wurden. In Absprache mit seinem Vater setzte Christus den Opferdienst ein; jener Tod, der ursprünglich unmittelbar den Übertreter hätte treffen müssen, sollte auf ein Opfer übertragen werden, das auf das große und vollkommene Opfer des Sohnes Gottes hinweisen sollte. FG1 242.3

Die Sünden des Volkes wurden symbolisch auf den amtierenden Priester übertragen, der für das Volk ein Mittler war. Der Priester selbst konnte kein Opfer für die Sünde werden und mit seinem Leben Versöhnung bewirken, denn auch er war ja ein Sünder. Deshalb schlachtete er ein makelloses Lamm, anstatt selbst den Tod auf sich zu nehmen; die Strafe der Sünde wurde auf das unschuldige Tier übertragen, welches auf diese Weise zu seinem unmittelbaren Stellvertreter wurde und das vollkommene Opfer Jesu Christi symbolisierte. Durch das Blut dieses Opfers schaute der Mensch im Glauben auf das Blut Christi, das für die Sünden der Welt Sühne leisten würde. FG1 243.1

Der Zweck des Zeremonialgesetzes

Hätte Adam nicht Gottes Gesetz übertreten, wäre das Zeremonialgesetz niemals eingesetzt worden. Adam wurde als erstem das Evangelium der Guten Nachricht übergeben, verbunden mit der Ankündigung, daß der Same des Weibes der Schlange den Kopf zertreten sollte; dies wurde an die nachfolgenden Generationen überliefert, an Noah, Abraham und Moses. Christus selbst vermittelte Adam und Eva die Kenntnis von Gottes Gesetz und dem Erlösungsplan. Sorgfältig bewahrten sie diese wichtige Lehre und gaben sie durch mündliche Überlieferung an ihre Kinder und Kindeskinder weiter. Auf diese Weise blieb das Wissen um Gottes Gesetz erhalten. FG1 243.2

Zu jener Zeit wurden die Menschen fast tausend Jahre alt, und es kamen Engel mit direkt von Christus stammenden Anweisungen zu ihnen. Man begann allmählich, einen Gottesdienst, der mit dem Opferdienst verbunden war, einzuführen, und diejenigen, die Gott fürchteten, bekannten ihre Sünden vor ihm und freuten sich in Dankbarkeit und heiligem Vertrauen auf das Kommen des Morgensterns, der die gefallenen Söhne Adams durch Reue Gott gegenüber und durch den Glauben an unseren Herrn und Erlöser Jesus Christus zum Himmel führen sollte. Somit wurde bei jedem Opfer das Evangelium verkündet; und alles, was die Gläubigen in Angriff nahmen, ließ immer mehr ihren Glauben an den kommenden Retter erkennen. Jesus sagte zu den Juden: “Wenn ihr Mose glaubtet, so glaubtet ihr auch mir; denn er hat von mir geschrieben. Wenn ihr aber seinen Schriften nicht glaubt, wie werdet ihr meinen Worten glauben?” Johannes 5,46.47. FG1 243.3

Dennoch war es Adam nicht möglich, durch sein Beispiel und seine Unterweisung die Welle des Leides aufzuhalten, die er durch seine Übertretung über die Menschen gebracht hatte. Unglaube machte sich in den Herzen der Menschen breit. Adams Kinder zeigen das früheste Beispiel für zwei verschiedene Richtungen, die die Menschen hinsichtlich der Forderungen Gottes einschlugen. Abel sah Christus in den symbolischen Handlungen des Opferdienstes. Kain glaubte nicht an die Notwendigkeit von Opfern; er weigerte sich zu begreifen, daß Christus durch das getötete Lamm symbolisiert wurde. Das Blut der Tiere schien ihm bedeutungslos. Kain war das Evangelium genauso gepredigt worden wie seinem Bruder; doch für ihn war es ein “Geruch des Todes zum Tode”, da er in dem Blut des Opferlammes nicht Jesus Christus, das einzige Mittel zur Rettung der Menschheit, erkennen wollte. FG1 244.1

Unser Erlöser erfüllte in seinem Leben und durch seinen Tod alle Prophezeiungen, die auf ihn hinwiesen, und stellte somit den wesentlichen Inhalt aller Symbole und Schattenbilder dar. Er hielt das Moralgesetz und erhöhte es dadurch, daß er als Vertreter der Menschen dessen Forderungen erfüllte. Jene aus dem Volk Israel, die sich dem Herrn zuwandten und Christus als die Verkörperung all dessen annahmen, worauf die symbolischen Opferdienste hinwiesen, begriffen auch, warum manches abgeschafft werden mußte. Die Unverständlichkeit, die das jüdische System wie ein Schleier bedeckte, war für sie wie der Schleier, der den Glanz auf dem Gesicht Moses bedeckte. Die Herrlichkeit auf dem Gesicht Moses war die Spiegelung jenes Lichts, das Christus zum Segen der Menschen in die Welt bringen sollte. FG1 244.2

Als Mose mit Gott auf dem Berg war, wurde ihm der Erlösungsplan, ausgehend von Adams Fall, auf die eindrucksvollste Art und Weise offenbart. Von da an wußte er, daß genau jener Engel, der die Kinder Israel bei ihren Wanderungen anführte, im Fleisch offenbart werden sollte. Gottes lieber Sohn, der eins war mit dem Vater, sollte alle Menschen, die an ihn glauben und ihm vertrauen würden, mit Gott vereinen. Mose erkannte die wahre Bedeutung des Opferdienstes. Christus führte Mose in den Plan des Evangeliums ein, und durch Christus ließ die Herrlichkeit des Evangeliums das Angesicht Moses so hell erstrahlen, daß ihn das Volk nicht ansehen konnte. FG1 245.1

Mose selbst war sich der strahlenden Herrlichkeit auf seinem Gesicht nicht Bewußt; er wußte nicht, warum die Kinder Israel vor ihm flohen, als er sich ihnen näherte. Er rief sie zu sich, aber sie wagten nicht, jenes erleuchtete Gesicht anzusehen. Als Mose begriff, daß die Menschen sein Gesicht wegen seiner Herrlichkeit einfach nicht ansehen konnten, bedeckte er es mit einem Schleier. Der Glanz, der sich auf dem Gesicht Moses widerspiegelte, war für die Kinder Israel äußerst schmerzhaft, weil sie Gottes Gesetz übertreten hatten. Dies ist ein Bild für die Gefühle jener, die Gottes Gesetz mit Füßen treten. Sie wünschen sich sehnlichst, diesem durchdringenden Licht zu entfliehen, das dem Übertreter als eine Qual, dem Gerechten hingegen als heilig, gerecht und gut erscheint. Nur wer die rechte Einstellung gegenüber dem Gesetz Gottes hat, vermag die Bedeutung des Opfers Christi richtig einzuschätzen. FG1 245.2

Jene, die der Meinung sind, im Alten Bund hätte es keinen Erlöser gegeben, haben — genauso wie die Juden, die Jesus ablehnten — einen dunklen Schleier über ihrem Verstand. Die Juden bekundeten ihren Glauben an einen kommenden Messias durch den Opferdienst, der ein Hinweis auf Christus war. Doch als Jesus kam, alle Prophezeiungen hinsichtlich des versprochenen Messias erfüllte und Werke tat, die ihn als den Sohn Gottes auswiesen, lehnten sie ihn ab und weigerten sich, die einfachsten Beweise seines wahren Charakters anzunehmen. Die christliche Kirche aber, die scheinbar einen großen Glauben an Christus bekennt, zeigt durch die Verachtung des jüdischen Systems, daß sie im Grunde Christus ablehnt, der der Begründer der gesamten jüdischen Ordnung war. FG1 245.3