Erziehung

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Kapitel 20: Bibelunterricht und Bibelstudium

“... daß dein Ohr auf Weisheit achthat”
und du “nach ihr forschest wie nach Schätzen”.

Jesus forschte in seiner Kindheit, in der Jugend und im Mannesalter in der Schrift. Als kleines Kind wurde er täglich zu Füßen seiner Mutter aus den Buchrollen der Propheten unterwiesen. In seiner Jugend fanden ihn oft der frühe Morgen und das Zwielicht des Abends allein am Bergeshang oder unter den Bäumen des Waldes, wo er eine ruhige Stunde mit Gebet und mit dem Studium des Gotteswortes verbrachte. Während seines Erdendienstes zeugte seine enge Vertrautheit mit der Schrift für den Fleiß, mit dem er sie durchforschte. Und da er seine Kenntnisse auf dem gleichen Wege erwarb, der auch uns offensteht, ist seine wunderbare geistige und geistliche Kraft ein Beweis für den Wert der Heiligen Schrift als Bildungsmittel. Ez54 171.1

Als unser himmlischer Vater sein Wort gab, übersah er die Kinder nicht. Wo könnte man unter allem, was Menschen geschrieben haben, etwas finden, das so nachhaltig das Herz ergreift, das unsere Kleinen so trefflich anregt wie die Geschichten der Bibel? Ez54 171.2

Durch diese einfachen Erzählungen lassen sich die großen Grundlinien des göttlichen Gesetzes klar umreißen. So können die Eltern schon sehr früh damit anfangen, durch anschauliche Darstellungen, die dem Verständnis der Kinder weitestgehend angepaßt sind, der Weisung des Herrn betreffs seiner Verordnungen nachzukommen: “Und sollst sie deinen Kindern einschärfen und davon reden, wenn du in deinem Hause sitzest oder auf dem Wege gehst, wenn du dich niederlegst oder aufstehst.” 5.Mose 6,7. Ez54 171.3

Die Verwendung von Anschauungsmaterial, von Wandtafeln, Landkarten und Bildern wird das Lehrziel deutlich herausstellen und es dem Gedächtnis einprägen helfen. Eltern und Lehrer sollten ständig eine bessere Lehrweise anstreben. Dem Bibelunterricht sollte unser ursprünglichstes Denken, unsere beste Methode, unsere ernsteste Bemühung gelten. Ez54 171.4

Um Liebe für das Bibelstudium zu wecken und zu nähren, kommt es sehr darauf an, wie man die Stunde der Andacht nützt. Die Zeit der Morgen- und Abendandacht sollte die trauteste und segensreichste des Tages sein. Jeder möge wissen, daß sich in diese Stunden keine unruhigen, unfreundlichen Gedanken eindrängen sollten, daß Eltern und Kinder sich versammeln, um Jesus zu begegnen und heilige Engel zum Verweilen im Heim einzuladen. Die Andachten seien kurz und voller Leben, der Gelegenheit angepaßt und von Zeit zu Zeit anders gestaltet. Alles beteilige sich am Lesen der Bibel, lerne das Gesetz Gottes und wiederhole es häufig. Die Kinder werden lebhafter teilnehmen, wenn sie zuweilen den Schriftabschnitt wählen dürfen. Befragt sie darüber und laßt sie selbst Fragen stellen. Zieht alles mit heran, was den Sinn veranschaulicht. Falls sich dabei die Andacht nicht zu weit ausdehnt, lasse man auch die Kleinen mitbeten und mitsingen, wenn auch nur einen einzigen Vers. Ez54 172.1

Um eine solche Andacht zu dem zu machen, was sie sein sollte, muß man sie sorgfältig vorbereiten. Eltern sollten sich täglich Zeit zum Bibelstudium mit ihren Kindern nehmen. Zweifellos wird das Mühe, Überlegung und auch einige Opfer kosten, doch die Anstrengung wird sich reichlich lohnen. Ez54 172.2

Als Vorbereitung zur Vermittlung seiner Vorschriften gebietet Gott den Eltern, sie im Herzen zu bewahren. “Und diese Worte, die ich dir heute gebiete, sollst du zu Herzen nehmen.” Er sagt: Du “sollst sie deinen Kindern einschärfen”. 5.Mose 6,6.7. Um unsere Kinder für die Bibel einzunehmen, muß sie selbst in uns leben. Wenn wir in ihnen die Liebe zum Studium der Schrift wecken wollen, müssen wir diese selbst lieben. Der Einfluß, den unser Unterricht auf sie ausstrahlt, hängt in seinem Gewicht ganz und gar von unserem Beispiel und von unserer Gesinnung ab. Ez54 172.3

Gott berief Abraham, ein Lehrer seines Wortes zu sein. Er erkor ihn zum Vater eines großen Volkes, weil er sah, daß er seine Kinder und sein Hausgefolge in den Grundsätzen des göttlichen Gesetzes unterweisen würde. Was den Lehren Abrahams Durchschlagskraft verlieh, war der Einfluß seines eigenen Lebens. Sein großer Haushalt bestand aus mehr als tausend Seelen, von denen viele Familienoberhäupter waren. Nicht wenige waren erst kurz zuvor aus dem Heidentum bekehrt worden. Eine solche Großfamilie erforderte eine feste Hand am Steuer. Mit einer schwächlichen, schwankenden Handlungsweise war es da nicht getan. Gott sagte von Abraham: “Denn ich weiß, er wird befehlen seinen Kindern und seinem Hause nach ihm.” Doch er übte seine Autorität mit soviel Weisheit und Zartgefühl aus, daß er die Herzen gewann. Der göttliche Wächter bezeugte, “daß sie des Herrn Wege halten und tun, was recht und gut ist”. 1.Mose 18,19. Abrahams Einfluß erstreckte sich sogar noch über seinen eigenen Haushalt hinaus. Wo er auch sein Gezelt aufschlug, errichtete er daneben den Altar für Opfer und Anbetung. Wenn das Zelt abgebrochen wurde, blieb dieser Altar stehen, und mancher umherstreifende Kanaaniter, der durch den Lebenswandel Abrahams, des Knechtes Gottes, den Herrn erkannt hatte, verweilte an jener Stätte, um Jahve Opfer darzubringen. Ez54 172.4

Auch heute wird der Unterricht im Worte Gottes nicht weniger wirksam sein, wenn er einen ebenso getreuen Abglanz im Leben des Lehrers findet. Ez54 173.1

Es genügt nicht zu wissen, was andere über die Bibel gedacht und gelehrt haben. Jeder einzelne muß im Gericht vor Gott für sich selbst Rechenschaft ablegen, und jeder sollte jetzt für sich selbst danach fragen, was Wahrheit ist. Soll das Studium nützen, so muß der Schüler innerlich mitgehen. Besonders wer mit Kindern zu tun hat, die sich in Veranlagung, Erziehung und Denkgewohnheiten sehr unterscheiden, darf das nicht übersehen. Wenn wir Kinder in der Bibel unterweisen, können wir viel gewinnen durch die Beobachtung ihrer Neigungen und der Gegenstände, für die sie sich erwärmen, um dann ihr Interesse zu wecken für das, was die Bibel über diese Dinge sagt. Er, der uns mit unseren mannigfachen Fähigkeiten schuf, hat in seinem Worte für jeden etwas dargeboten. Wenn die Schüler erkennen, daß die Lehren der Bibel für ihr eigenes Leben gelten, dann lehrt sie, diese als Ratgeber anzunehmen. Ez54 173.2

Öffnet ihnen auch den Blick für ihre wunderbare Schönheit. Viele Bücher ohne wirklichen Wert, Bücher, die aufregend und schädlich sind, werden ihres vermeintlichen literarischen Wertes wegen empfohlen oder wenigstens zum Gebrauch zugelassen. Warum sollten wir unsere Kinder anweisen, aus diesen verunreinigten Strömen zu trinken, wo sie doch freien Zugang zu den reinen Quellen des Wortes Gottes haben können? Die Bibel birgt eine Fülle, eine Kraft, eine Tiefe, die unerschöpflich sind. Ermutigt die Kinder und Jugendlichen, nach den Schätzen zu graben, die an Gedanken wie an Schönheit des Ausdrucks in der Heiligen Schrift enthalten sind. Ez54 174.1

Wenn der Glanz dieser Kostbarkeiten den Geist der Schüler fesselt, wird eine lösende, ausgleichende Macht ihr Herz berühren. Sie werden zu dem hingezogen werden, der sich auf solche Weise ihnen offenbart hat. Und nur wenige werden nicht noch mehr von seinen Werken und Wegen erfahren wollen. Ez54 174.2

Wer sich mit der Bibel beschäftigt, sollte wissen, daß er mit der Geisteshaltung eines Lernenden an sie herantreten muß. Uns obliegt es, ihre Seiten zu durchforschen, nicht etwa nach Beweisen, die unsere Ansichten stützen, sondern um zu erfahren, was Gott sagt. Ez54 174.3

Eine wahre Bibelerkenntnis vermittelt nur jener Geist, der auch das Wort gab. Um dieses Wissen zu erlangen, müssen wir danach leben. Wir haben allem zu gehorchen, was Gottes Wort befiehlt; alles, was es verheißt, dürfen wir beanspruchen. Das darin vorgezeichnete Leben ist es, das wir in seiner Kraft leben sollen. Nur wer sich so zur Heiligen Schrift stellt, kann sie mit Nutzen durchforschen. Ez54 174.4

Das Studium der Bibel erfordert unsere angestrengtesten Bemühungen und Ausdauer im Denken. Wie der Bergmann nach dem Goldvorkommen in der Erde gräbt, so ernsthaft und beharrlich müssen wir nach dem Schatz des Wortes Gottes suchen. Ez54 174.5

Im täglichen Studium ist die Methode, Vers um Vers zu durchforschen, oft recht nutzbringend. Man lasse den Schüler einen Text vornehmen und mit gesammeltem Geist erfassen, was Gott für ihn hineingelegt hat, um dann bei dem Gedanken zu verweilen, bis er sein geistiges Eigentum geworden ist. In dieser Weise eine Stelle zu betrachten, bis ihre Bedeutung klar ist, hat mehr Wert als das Durchlesen vieler Kapitel ohne bestimmten Zweck und ohne greifbares Ergebnis. Ez54 175.1

Eine der Hauptursachen geistiger Unfähigkeit und sittlicher Schwäche liegt in mangelnder Zielstrebigkeit. Wir sind stolz auf die weite Verbreitung des Schrifttums; doch die Vermehrung von Büchern, selbst von solchen, die an sich nicht schädlich sind, kann zu einem wirklichen Übel werden. Durch die unermeßliche Flut von Druckwerken, die sich beständig von den Pressen ergießt, bildet sich bei alt und jung die Gewohnheit, hastig und oberflächlich zu lesen, und der Geist verliert die Fähigkeit zusammenhängenden und kraftvollen Denkens. Überdies erweist sich ein großer Teil der Zeitschriften und Bücher, die gleich den Fröschen Ägyptens das Land überschwemmen, nicht nur als nichtssagend, unnütz und nervenschädigend, sondern auch als unsauber und erniedrigend. Sie bewirken nicht nur eine Betäubung und Zerstörung des Denkens, sondern verderben und zersetzen auch die Seele. Der Geist und das Herz, die träge und ziellos sind, fallen als leichte Beute dem Übel anheim. Nur in kranken, leblosen Organismen setzen sich Pilze fest. Der müßige Geist ist ein Tummelplatz Satans. Laßt die Gedanken auf hohe und heilige Ideale gerichtet sein, gebt dem Leben ein edles Ziel, einen ganzen Einsatz fordernden Zweck, und das Böse wird kaum Fuß fassen. Ez54 175.2

Lehrt die Jugend also, sich mit dem Worte Gottes genau zu beschäftigen. In die Seele aufgenommen, wird es sich als ein machtvolles Bollwerk gegen die Versuchung erweisen. Der Psalmist kündet: “Ich behalte dein Wort in meinem Herzen, auf daß ich nicht wider dich sündige.” Psalm 119,11. “Ich bewahre mich in dem Wort deiner Lippen ... vor dem Wege des Mörders.” Psalm 17,4. Ez54 175.3

Die Bibel legt sich selbst aus. Eine Schriftstelle soll mit der andern verglichen werden. Der Forschende muß lernen, das Wort als Ganzes zu betrachten und die Beziehungen der einzelnen Teile zueinander zu erkennen. Er sollte das große, zentrale Thema erfassen: Gottes ursprüngliche Absicht mit dieser Welt, der Ausbruch des großen Kampfes und das Werk der Erlösung. Er sollte in ihrem Wesen die beiden Machtgruppen verstehen, die um die Oberherrschaft ringen, und sollte es lernen, ihre Auswirkungen in den Berichten der Geschichte und der Prophetie bis zu dem großen Abschluß hin zu verfolgen. Er muß begreifen, wie diese Auseinandersetzung jede Phase menschlicher Erfahrung durchdringt, wie er selbst in jeder Handlung seines Lebens die eine oder andere der beiden feindlichen Triebkräfte offenbart, und wie er sich, ob er will oder nicht, gerade jetzt entscheidet, auf welcher Seite des Kampfes er zu finden sein soll. Ez54 176.1

Jeder Teil der Bibel ist durch göttliche Eingebung vermittelt und von Nutzen. Dem Alten Testament sollte nicht weniger Beachtung geschenkt werden als dem Neuen. Wenn wir uns mit der Alten Stiftung befassen, werden wir auf lebendig sprudelnde Brünnlein stoßen, wo der oberflächliche Leser nur eine Wüstenei erblickt. Ez54 176.2

Besonderes Studium erfordert das Buch der Offenbarung in Verbindung mit dem Buche Daniel. Jeder gottesfürchtige Lehrer sollte darüber nachsinnen, wie er das Evangelium, das unser Heiland seinem Knecht Johannes persönlich kundtat, am klarsten fassen und darstellen kann, “die Offenbarung Jesu Christi, die ihm Gott gegeben hat, seinen Knechten zu zeigen, was in Kürze geschehen soll”. Offenbarung 1,1. Ez54 176.3

Niemand darf sich beim Forschen in der Offenbarung durch ihre scheinbar geheimnisvollen Sinnbilder entmutigen lassen. “So aber jemand unter euch Weisheit mangelt, der bitte Gott, der da gibt einfältig jedermann und rücket’s niemand auf.” Jakobus 1,5. Ez54 176.4

“Selig ist, der da liest und die da hören die Worte der Weissagung und behalten, was darin geschrieben ist; denn die Zeit ist nahe.” Offenbarung 1,3. Ez54 176.5

Wenn wirkliche Liebe zur Bibel geweckt wird und der Lernende einzusehen beginnt, wie weit das Gebiet ist und wie kostbar seine Schätze sind, wird er jede Gelegenheit ergreifen wollen, sich mit Gottes Wort vertraut zu machen. Sein Studium wird auf keinen bestimmten Zeitpunkt oder Ort beschränkt sein. Dazu ist dieses beständige Forschen eines der besten Mittel, die Liebe zur Schrift zu vertiefen. Als Schüler trage deine Bibel immer bei dir. Ergibt sich die Gelegenheit, lies einen Text und denke darüber nach. Ob du auf der Straße gehst, im Bahnhof wartest oder einer Verabredung entgegensiehst: nutze den Augenblick, dir irgendeinen kostbaren Gedanken aus der Schatzkammer der Wahrheit anzueignen. Ez54 177.1

Die großen, bewegenden Grundkräfte der Seele sind Glaube, Hoffnung und Liebe. Gerade sie werden durch das richtig betriebene Bibelstudium stark bestimmt. Die äußere Schönheit der Bibel, der Reiz der Bildhaftigkeit und des Ausdrucks sind gewissermaßen nur die Fassung für ihr wahres Kleinod: die Schönheit heiligen Wesens. Wo sie von Menschen berichtet, die mit Gott wandelten, können wir einen Schimmer göttlicher Herrlichkeit erhaschen. In Ihm, der “ganz lieblich” ist, schauen wir den, gegen den alle Schönheit Himmels und der Erden nur ein matter Abglanz ist. Er hat gesagt: “Und ich, wenn ich erhöht werde von der Erde, so will ich sie alle zu mir ziehen.” Johannes 12,32. Wenn der Bibelleser den Erlöser erschaut, bricht in seiner Seele die geheimnisvolle Kraft des Glaubens, der Anbetung und der Liebe auf. Sein Blick ist auf die Erscheinung Christi geheftet, und der Schauende wächst zum Ebenbild dessen heran, den er verehrt. Ez54 177.2

Die Worte des Apostels Paulus werden zur Sprache des Herzens: “Ich achte es noch alles für Schaden gegen die über schwengliche Erkenntnis Christi Jesu, meines Herrn,... zu erkennen ihn und die Kraft seiner Auferstehung und die Gemeinschaft seiner Leiden.” Philipper 3,8.10. Ez54 177.3

Die Quellen himmlischen Friedens und himmlischer Freude, die durch die vom Heiligen Geist eingegebenen Worte in der Seele erschlossen werden, vereinigen sich zu einem mächtigen Strom des Einflusses, der allen zum Segen wird, die in seinen Bereich kommen. Laßt die Jugend von heute mit der Bibel in der Hand aufwachsen und macht sie so zu Empfängern und Vermittlern der lebenspendenden Kraft des Wortes Gottes. Reiche Segensströme werden sich dann über die Welt ergießen — Einflüsse, deren heilende und tröstende Macht wir kaum zu fassen vermögen — Ströme des lebendigen Wassers, Brunnen, “die in das ewige Leben fließen”! Ez54 177.4