Für die Gemeinde geschrieben — Band 2

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Unanstößigkeit macht Botschaften noch nicht annehmbar

Du wirst Dich vielleicht wundern, wenn ich Dir mitteile, wie im Falle der Schriften von Anna Phillips vorgegangen werden sollte. Auf keinen Fall darf vorschnell gehandelt werden. Weil ich diese Schwester persönlich sehr schätze, möchte ich alles vermeiden, was sie schmerzlich berühren könnte. Ihre schriftlichen Zeugnisse sind von vielen begierig aufgenommen worden und inzwischen — vor allem durch die Fürsprache leitender Brüder der Gemeinschaft — weit verbreitet. FG2 93.1

Mich wundert es allerdings, daß unsere Geschwister diese Botschaften einfach deshalb als von Gott gewirkt annehmen, weil sie nichts gefunden haben, was dagegenspricht. Warum habt Ihr nicht genau geprüft, ob daran überhaupt etwas ist, was Eure Unterstützung rechtfertigt? Weil diese Botschaften mit Eurer Zustimmung weitergegeben wurden, hat die ganze Sache soviel Staub aufgewirbelt. FG2 93.2

Zu weiteren Aspekten dieser Angelegenheit werde ich später Stellung nehmen. Im Augenblick möchte ich alles vermeiden, was Anna Phillips verletzen könnte, fühle mich aber auch nicht frei, die Sache schweigend zu übergehen ... Es war falsch, die Dinge so weit auf die Spitze zu treiben, daß ich nicht umhin kann, mich dazu zu äußern. Das tut mir in der Seele weh. Am liebsten würde ich alles auf sich beruhen lassen und wünschte, die Geschwister würden sich selbst ein zutreffendes Bild von der Sache machen ... Aber das ist nicht mehr möglich, denn ich sehe Gefahr auf uns zukommen. Dabei sind es nicht die Aussagen in den Schriften von Anna Phillips, die mich bedenklich stimmen, sondern die negativen Entwicklungen, die sich aus dem ganzen Drum und Dran ergeben haben. FG2 93.3

Du erwartest sicher, daß ich Dir konkret meine Bedenken nenne. Wie gesagt, in dem, was mir schriftlich vorliegt, kann ich nichts entdecken, was ich grundsätzlich ablehnen müßte. Auch Ihr habt ja nichts finden können, was von vornherein bedenklich wäre. Aber das kann kein Grund dafür sein, die Schriften so zu verwenden, wie Ihr das getan habt. Euer Vorgehen ist höchst fragwürdig. Seid Ihr nur dann mit der Weitergabe von Botschaften vorsichtig, wenn Ihr den Irrtum förmlich mit Händen greifen könnt oder wenn sich auf den ersten Blick eine Gefährdung der Gemeinde voraussehen läßt? Meint Ihr, eine Sache müsse von Euch schon deshalb unterstützt werden, weil das nicht der Fall ist? ... FG2 93.4

Verbreitet bitte in Zukunft keine derartigen Schriften, bevor Ihr genau das Für und Wider abgewogen habt und Euch über die Konsequenzen klar seid ... Der Fanatismus liegt ständig auf der Lauer, um sich auch in unseren Kreisen breitzumachen. Jesus hat vorausgesagt, daß sogar die Auserwählten nicht vor Täuschungen sicher sind. Wenn in sogenannten Offenbarungen und Visionen die Irrtümer gleich sichtbar wären, wäre Jesu Warnung überflüssig. Der Geist Gottes hat mir aber auch die fragwürdigen Seiten solcher Botschaften und ihre Konsequenzen gezeigt, die nicht gleich ins Auge fallen. Deshalb muß ich Euch und die Gemeinde davor warnen, alles unbesehen anzunehmen, was den Anspruch erhebt, von Gott zu kommen. FG2 94.1

Wenn wir darauf aus sind, die Gefühle der Menschen zu erregen, erreichen wir meist mehr, als uns lieb sein kann. Deshalb sollten wir uns auf solche Praktiken nicht einlassen, sondern Gottes Wort klar und mit Bedacht verkündigen. 2.Timotheus 4,2. Echte “Begeisterung” kommt vom Heiligen Geist und nicht durch das Aufputschen von Gefühlen. Laßt uns wachsam sein und demütig darum beten, daß der Herr wirkt und Menschen bewegt. Was könnte es besseres geben, als sich ganz der Herrschaft und der Führung durch seinen Geist auszuliefern? FG2 94.2

In den Tagen Jesu wollten die Leute Zeichen sehen. Heute ist es nicht anders. Der Herr sagte ihnen damals, sie würden kein Zeichen erhalten. Das einzige Zeichen, an dem Gottes Wirken jederzeit erkennbar sein soll, ist die Erneuerung derer, die mit seinem Wort leben und es weitergeben. Gottes Wort ist ja nicht nur eine wirklichkeitsferne Theorie, sondern Geist und Leben. Satan möchte die Menschen vom Wort Gottes ablenken, damit sie sich, “um etwas zu erleben”, anderen Quellen der Erkenntnis zuwenden. Dennoch bleibt es dabei: Nicht Träume und Visionen helfen uns auf dem Weg zum ewigen Leben, sondern der schlichte Glaube an Gottes Wort und das Annehmen des Opfers Jesu. Brief 68, 1894. FG2 94.3