Für die Gemeinde geschrieben — Band 2

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Gottes Werk zeichnet sich aus durch Besonnenheit und Würde

Vor zwei Wochen, als ich gerade mit Arbeiten an einem Manuskript beschäftigt war, trat mein Sohn W.C. White ein und teilte mir mit, daß mich jemand zu sprechen wünsche. Im Wohnzimmer begegnete ich einem Ehepaar, das beteuerte, Gottes Weisungen zu folgen und seinen Zeugnissen zu glauben. Sie berichteten von ungewöhnlichen Erfahrungen, die sie in den verflossenen drei Jahren gemacht hätten. Während ich ihnen zuhörte, hatte ich den Eindruck, aufrichtige Menschen vor mir zu haben. Nachdem sie mir ihre Erfahrungen geschildert hatten, erzählte ich ihnen, wie sich nach der großen Enttäuschung Fanatismus in den Reihen der Adventgläubigen breitzumachen suchte. Ich machte sie auch darauf aufmerksam, daß vor dem Kommen des Herrn Gläubige auftreten werden, die ungewöhnliche Taten vollbringen. Sie nehmen für sich in Anspruch, vom Geist Gottes geführt zu sein, und halten ihre Botschaften für außerordentlich wichtig. In Wirklichkeit sind diese Leute nicht von Gott beauftragt. Ihr Einfluß schafft keine engere Verbindung zu Gott, wie sie behaupten, sondern führt von ihm weg und bringt nichts als Verwirrung. Um unseren Einfluß nach außen nicht von vornherein zu blockieren, sollten wir gerade jetzt darauf bedacht sein, fanatischen Tendenzen entgegenzuwirken. Wir wissen, daß der Feind der Wahrheit zum Ende hin versuchen wird, Menschen durch aufsehenerregende religiöse Phänomene, die jedoch nicht vom Geist Gottes ausgehen, auf einen falschen Weg zu locken. FG2 41.5

Ich sagte dem Ehepaar, daß ich durch die Erfahrungen der Vergangenheit sehr vorsichtig geworden sei, weil es viele Erscheinungen gegeben habe, die zwar dem Wirken des Geistes Gottes ähnlich sahen, es aber in Wirklichkeit nicht waren. Und auch heute könne der Gemeinde kaum etwas mehr schaden als religiöser Fanatismus oder Wundersucht. FG2 42.1

Je länger ich dem Ehepaar zuhörte und ihren Anspruch vernahm, den Heiligen Geist in apostolischer Vollmacht empfangen zu haben, desto stärker wurde ich an die Vorgänge in der Frühzeit unserer Bewegung erinnert, mit denen wir uns auseinandersetzen mußten. Gegen Ende des Gesprächs schlug Bruder L. eine Gebetsgemeinschaft vor, weil er meinte, daß sich bei seiner Frau während des Gebets die von ihnen beschriebenen geistgewirkten Phänomene zeigen würden. Mir wäre dadurch die Gelegenheit gegeben zu unterscheiden, ob hier tatsächlich der Geist Gottes wirke oder nicht. FG2 42.2

Ich konnte nicht darauf eingehen, denn wenn jemand besondere Geisteswirkungen gleichsam als Schaustellung anbietet, ist es ein deutlicher Beweis dafür, daß hier nicht im Auftrag Gottes gehandelt wird. FG2 42.3

Derartigen Ansprüchen werden wir immer wieder zu begegnen haben, aber das sollte uns nicht entmutigen. Wichtig ist nur, daß wir ihnen keinen Raum geben, denn sie machen unempfänglich für das echte Wirken des Heiligen Geistes. Gott erwartet keine frommen Sensationen, sondern besonnenes und schlichtes Verhalten. Wir können es uns angesichts des Ernstes der Zeit einfach nicht leisten, die Türen der Gemeinde für Dinge zu öffnen, die uns daran hindern, unsere Aufgabe zu erfüllen. Die Menschen sollen von uns erfahren, daß Christus bald wiederkommt! Brief 338, 1908. FG2 43.1