Für die Gemeinde geschrieben — Band 2

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Ellen G. Whites Verhalten in großem Leid

Während meiner kürzlich durchlittenen Zeit der Trauer wurde mir ein Blick in die Ewigkeit gewährt. Ich wurde vor den großen weißen Thron geführt und sah mein Leben so, wie es von Gott her gesehen wird. Dabei entdeckte ich nichts, dessen ich mich hätte rühmen oder das ich mir als Verdienst hätte anrechnen können. Ich konnte nur stammeln: “Ich bin völlig unwürdig, o Gott, und habe keine Deiner Gnadengaben verdient!” Meine Hoffnung gründet sich allein auf den gekreuzigten und auferstandenen Heiland, auf dessen Verdienste ich mich berufe. Jesus kann für immer selig machen, die ihm vertrauen. FG2 271.2

Es fällt mir manchmal schwer, nach außen hin ausgeglichen und freundlich zu sein, während mein Herz von Schmerz zerrissen wird. Aber ich gestatte es mir nicht, die Menschen um mich herum mit meinen Kümmernissen und Sorgen zu belasten. Von Natur aus neigen wir dazu, unseren Klagen freien Lauf zu lassen. Das führt schnell dazu, daß wir Anfechtungen und Leid zu sehr dramatisieren. Ich hatte mir vorgenommen, so etwas mit Jesu Hilfe zu vermeiden, aber das ist im Ernstfall nicht leicht zu verwirklichen. Der Tod meines Mannes hat mich innerlich schwer getroffen, vor allem, weil er so unerwartet kam. Als ich die Schatten des Todes auf seinem Gesicht sah, konnte ich es fast nicht ertragen. Am liebsten hätte ich meine Seelenpein laut herausgeschrien, aber das hätte ja das Leben meines geliebten Mannes auch nicht retten können. Darüber hinaus empfand ich es als unchristlich, mich von Kummer und Sorgen überwältigen zu lassen. So suchte ich Hilfe und Trost bei Gott und wurde nicht enttäuscht: Die Hand des Herrn hat mich gehalten! Es ist nicht richtig, sich in hemmungslosem Jammern und Klagen zu ergehen, weil es durch die Gnade und Kraft Christi möglich ist, selbst schwerste Anfechtungen getrost und zuversichtlich zu bestehen. FG2 271.3

Jesu letztes Zusammensein mit seinen Jüngern vor der Gefangennahme kann für uns beispielhaft sein. Die gewaltsame Trennung stand unmittelbar bevor. Bald würde der Herr den schweren Gang nach Golgatha antreten, um dort sein Leben auf qualvolle Weise zu beenden. Die Jünger hatten Jesu Leidensankündigungen gehört und waren von Sorge, Angst und Zweifeln erfüllt. Jesus aber, dem das entsetzliche Geschick bevorstand, ließ kein Wort der Klage und des Jammers hören. Im Gegenteil: Er nutzte die letzten Stunden, um seinen Jüngern Trost zuzusprechen und Zuversicht zu vermitteln. Schließlich vereinigten sich ihrer aller Stimmen in einem Lobgesang ... FG2 272.1

Gelegenheit zu Gebet und Lobpreis

Wenn uns Schwierigkeiten und Anfechtungen zu erdrücken drohen, dürfen wir im Gebet vor Gott treten und ihn um Beistand bitten. Er kann helfen und befreien. Wenn wir von Gott Segen empfangen möchten, müssen wir ihn darum bitten. Beten empfinden wir in der Regel als Pflicht und Notwendigkeit, aber wie steht es mit dem Lobpreis Gottes? Wird der nicht oftmals vernachlässigt? Müßten wir Gott nicht viel öfter für den empfangenen Segen danken? Es wäre dringend nötig, die Dankbarkeit mehr zu pflegen. Wir sollten uns Gottes Gnadengaben öfter bewußt machen — am besten einzeln aufzählen — und ihn dann laut und vernehmlich dafür preisen. Und das nicht nur in guten Zeiten, sondern auch dann, wenn wir mit Sorgen und Anfechtungen zu tun haben ... FG2 272.2

Unser Herr ist barmherzig und freundlich, er vergißt keinen, der auf ihn baut. Manche Dunkelheit in unserem Leben würde schon dadurch gelichtet, daß wir uns mehr mit Gottes Gnade und Güte befassen als mit unseren Anfechtungen und Kümmernissen. Meine Brüder und Schwestern, irgendwann müssen wir alle schwere Wege gehen. Dann mag es uns ums Herz sein wie den Israeliten, deren Lieder verstummten, als sie in der babylonischen Gefangenschaft ihre Harfen an die Weidenbäume hängten. Und dennoch: Laßt uns die Trübsal durch unseren Lobgesang vertreiben! FG2 272.3

Ihr werdet sagen: Wie kann ich singen, wenn die Zukunft drohend vor mir liegt und mich Sorge und Kummer fast erdrücken? Bedenkt doch: Hat es je eine Not gegeben, der Jesus, unser Freund, nicht gewachsen gewesen wäre? FG2 273.1

Sollte uns nicht gerade die unermeßliche Liebe Gottes, die sich in der Hingabe seines Sohnes gezeigt hat, ein Born der Zuversicht und Freude sein? Wenn wir also vor dem Thron Gottes mit unseren Bitten erscheinen, dann sollten wir den Lobpreis nicht vergessen. “Wer Dank opfert, der preiset mich.” Psalm 50,23. Unser Erlöser lebt! Das ist Grund genug zu Dank und Lobpreis. The Review and Herald, 1. November 1881. FG2 273.2