Christi Gleichnisse

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Der Sämann und der Same

Durch das Gleichnis vom Sämann stellt Christus das Himmelreich und das Werk des großen Ackermannes für sein Volk dar. Wie ein Sämann ins Feld geht zu säen, so kam Jesus, um den Samen himmlischer Wahrheiten auszustreuen, und seine Lehren in Gleichnissen waren der Same, in welchem die köstlichen Gnadenbotschaften ausgestreut wurden. Von dem natürlichen Samen, der auf das Erdreich gestreut wird, wünscht Christus unsere Gedanken auf den Evangeliumssamen zu lenken, durch dessen Aussaat der Mensch wieder zur Treue gegen Gott zurückgebracht wird. Der Herrscher des Himmels gab das Gleichnis von dem kleinen Samenkorn; und dieselben Gesetze, die das Säen des irdischen Samens regieren, regieren auch das Säen des Samens der Wahrheit. CGl 33.1

Dort, am Galiläischen Meer hatte sich eine Schar versammelt, um Jesum zu sehen und zu hören — eine begierige, erwartungsvolle Schar, in deren Mitte Kranke auf ihren Matten lagen und sich darnach sehnten, ihm ihr Bedürfnis vorzulegen. Ihm stand das Recht von Gott zu, die Leiden des sündigen Menschengeschlechts zu heilen, daher gebot er jetzt der Krankheit zu weichen, und verbreitete Leben, Gesundheit und Frieden um sich her. CGl 33.2

Als die Menge beständig wuchs und die Leute sich nahe an Christum drängten, blieb kein Raum mehr für andere. Er trat deshalb, indem er den Männern in ihren Fischerbooten ein paar Worte zurief, in das Schiff, welches bereit lag, um ihn auf die andere Seite des Sees zu bringen, gebot seinen Jüngern, ein wenig vom Lande abzustoßen und redete vom Boot aus zu der am Ufer versammelten Menge. An dem Ufer des Sees lag die schöne Ebene Genezareth, darüber hinaus erhoben sich die Hügel, und an deren Seiten sowie auch in der Ebene waren Sämänner und Schnitter, die einen mit dem Ausstreuen des Samens und die andern mit dem Einheimsen des frühen Getreides beschäftigt. Im Hinblick darauf sagte Christus: CGl 34.1

“Siehe, es ging ein Sämann aus, zu säen. Und indem er säte, fiel etliches an den Weg; da kamen die Vögel, und fraßen’s auf; etliches fiel in das Steinige, da es nicht viel Erde hatte. Als aber die Sonne aufging, verwelkte es, und dieweil es nicht Wurzel hatte, ward es dürre. Etliches fiel unter die Dornen; und die Dornen wuchsen auf und erstickten’s. Etliches fiel auf ein gut Land und trug Frucht, etliches hundertfältig, etliches sechzigfältig, etliches dreißigfältig.” Matthäus 13,3-8. CGl 34.2

Die Mission Christi wurde von den Menschen seinerzeit nicht verstanden. Die Art und Weise seines Kommens entsprach nicht ihren Erwartungen. Der Herr Jesus war die Grundlage der ganzen jüdischen Einrichtung, deren erhabener Gottesdienst von Gott angeordnet worden war und das Volk lehren sollte, daß zu der bestimmten Zeit der kommen würde, auf den die Zeremonien hinwiesen. Aber die Juden hatten den ganzen Wert auf die Formen und Zeremonien gelegt, und dabei ihren eigentlichen Zweck aus den Augen verloren. Die Überlieferungen, Satzungen und menschlichen Anordnungen verhüllten ihnen die Lehren, die Gott durch diese Zeremonien ihnen beibringen wollte. Diese Überlieferungen und Vorschriften wurden ihrem Verständnis und der Ausübung wahrer Religion nur ein Hindernis, und als die Wirklichkeit in der Person Christi erschien, da erkannten sie in ihm nicht die Erfüllung aller ihrer Vorbilder, nicht das Wesen aller ihrer Schatten. Sie verwarfen das Gegenbild und hielten an ihren Vorbildern und nutzlosen Zeremonien fest und fuhren fort — obgleich der Sohn Gottes gekommen war — um ein Zeichen zu bitten. Ihre Antwort auf die Botschaft: “Tut Buße, das Himmelreich ist nahe herbeigekommen” (Matthäus 3,2), war die Forderung eines Wunders; das Evangelium Christi wurde ihnen zum Stein des Anstoßes, weil sie nach Zeichen anstatt nach einem Heilande verlangten. Sie erwarteten, daß der Messias seine Ansprüche durch mächtige Siege beweisen und sein Reich auf den Trümmern irdischer Reiche aufrichten werde. Als Antwort auf diese Erwartung gab Christus das Gleichnis vom Sämann. Nicht durch Macht der Waffen, nicht durch gewaltsame Vermittlung sollte das Reich Gottes den Sieg davontragen, sondern durch das Einpflanzen eines neuen Grundsatzes in die Herzen der Menschen. CGl 34.3

“Des Menschen Sohn ist’s, der da guten Samen sät.” Matthäus 13,37. Christus war gekommen, nicht als König, sondern als Sämann; nicht um Königreiche zu stürzen, sondern um Samen auszustreuen; nicht um seine Nachfolger auf irdische Triumphe und nationale Größe hinzuweisen, sondern auf eine Ernte, die nach geduldiger Arbeit, unter Verlust und Enttäuschungen eingeheimst werden wird. CGl 35.1

Die Pharisäer verstanden wohl die Bedeutung des von Christo gegebenen Gleichnisses, aber die darin liegende Lehre war ihnen unwillkommen und deshalb taten sie, als ob sie dieselbe nicht verständen. Der großen Masse aber wurde die Absicht des neuen Lehrers, dessen Worte ihre Herzen so eigentümlich bewegten und ihre ehrgeizigen Bestrebungen so bitter enttäuschten, in ein noch größeres Geheimnis gehüllt. Selbst die Jünger hatten das Gleichnis nicht verstanden, doch war ihr Interesse erweckt worden und sie kamen zu Jesu besonders und baten ihn um eine Erklärung. CGl 35.2

Dies Verlangen zu erwecken, war gerade der Wunsch Jesu, damit er ihnen eingehendere Unterweisungen geben könnte. Er erklärte ihnen das Gleichnis, wie er allen, die ihn aufrichtigen Herzens bitten, sein Wort klar machen wird. Diejenigen, die das Wort Gottes mit dem herzlichen Verlangen nach Erleuchtung durch den Heiligen Geist studieren, werden betreffs der Bedeutung des Wortes nicht in Dunkelheit bleiben. “So jemand will des Willen tun,” sagte Christus, “der wird innewerden, ob diese Lehre von Gott sei, oder ob ich von mir selbst rede.” Johannes 7,17. Alle die mit dem Verlangen nach einer klareren Erkenntnis der Wahrheit zu Christo kommen, werden sie auch erhalten; er wird ihnen die Geheimnisse des Himmelreichs entfalten, und diese Geheimnisse werden von dem Herzen, das darnach verlangt, die Wahrheit zu erkennen, verstanden werden. Ein himmlisches Licht wird in den Seelentempel hineinscheinen und wird anderen offenbar werden wie das helle Licht einer Lampe auf dem dunklen Pfad. CGl 35.3

“Es ging ein Sämann aus zu säen.” Im Orient waren die Zustände so unsicher und ungeregelt, und die Gefahr der Gewalttaten war so groß, daß die Bevölkerung meistens in mit Mauern umgebenen Städten wohnte und die Ackerleuchte täglich hinausgingen, um außerhalb der Stadtwälle ihre Arbeit zu verrichten. So ging auch Christus, der himmlische Sämann, aus zu säen: er verließ sein sicheres, friedliches Heim, verließ die Herrlichkeit, die er bei dem Vater hatte, ehe die Welt war, und entsagte seiner Stellung auf dem Throne des Weltalls. Er ging hinaus, als ein Mann des Leidens, einsam und allein und der Versuchung ausgesetzt, um für eine gefallene Welt den Samen des Lebens mit Tränen zu säen und ihn mit seinem Blute zu begießen. CGl 36.1

In gleicher Weise müssen auch seine Knechte ausgehen, um zu säen. Als Abraham berufen ward, den Samen den Wahrheit zu säen, wurde ihm geboten: “Gehe aus deinem Vaterlande und von deiner Freundschaft und aus deines Vaters Hause in ein Land, das ich dir zeigen will.” 1.Mose 12,1. “Und ging aus, und wußte nicht, wo er hinkäme.” Hebräer 11,8. So erhielt auch der Apostel Paulus, als er im Tempel zu Jerusalem betete, die göttliche Weisung: “Gehe hin, denn ich will dich ferne unter die Heiden senden.” Apostelgeschichte 22,21. Also müssen alle, die berufen werden, sich mit Christo vereinigen, alles verlassen, um ihm nachzufolgen; alte Verbindungen müssen abgebrochen, Lebenspläne aufgegeben und alle irdischen Hoffnungen begraben werden. Unter Arbeit und mit Tränen, in der Einsamkeit und mit Aufopferung muß der Same gesät werden. CGl 36.2

“Der Sämann sät das Wort.” Christus kam, um in der Welt Wahrheit zu säen. Seit dem Sündenfall hat Satan immerdar den Samen des Irrtums gesät. Durch eine Lüge erlangte er zuerst die Herrschaft über den Menschen, und in derselben Weise wirkt er auch noch, um das Reich Gottes auf Erden zu stürzen und die Menschen unter seine Macht zu bringen. Als ein Sämann aus einer höhern Welt kam Christus, um den Samen der Wahrheit zu säen. Er, der am Ratschluß Gottes teilgenommen und im innersten Heiligtum des Ewigen gewohnt hatte, konnte den Menschen die reinen Grundsätze der Wahrheit bringen. Seitdem der Mensch gefallen ist, hat Christus der Welt beständig die Wahrheit offenbart. Durch ihn wird der unvergängliche Same, nämlich das lebendige “Wort Gottes, das da ewiglich bleibet” (1.Petrus 1,23), mitgeteilt. Schon in jener ersten Verheißung, die unserm gefallenen Geschlecht im Garten Eden gegeben wurde, säte Christus den Evangeliumssamen. Doch das Gleichnis vom Sämann bezieht sich besonders auf sein persönliches Wirken unter den Menschen und auf das Werk, welches er dadurch gründete. CGl 37.1

Das Wort Gottes ist der Same. Aller Same hat einen Lebenskeim in sich, in welchem das Leben der Pflanze sozusagen eingeschlossen liegt. Gleicherweise ist auch Leben im Worte Gottes. Christus sagt: “Die Worte, die ich rede, die sind Geist und sind Leben.” Johannes 6,63. “Wer mein Wort höret, und glaubet dem, der mich gesandt hat, der hat das ewige Leben.” Johannes 5,24. In einem jeden Gebot und in einer jeden Verheißung des Wortes Gottes liegt die Kraft, das Leben Gottes selbst, durch welche das Gebot erfüllt und die Verheißung verwirklicht werden kann. Wer im Glauben das Wort annimmt, empfängt direkt das Leben und den Charakter Gottes. CGl 38.1

Ein jedes Samenkorn bringt Frucht nach seiner Art. Wenn man den Samen unter den richtigen Bedingungen sät, so wird er ein Leben nach seiner Art in der Pflanze entwickeln. Gleicherweise wird auch der unvergängliche Same des Wortes, der im Glauben in die Seele aufgenommen ist, einen Charakter und ein Leben hervorbringen, welche dem Charakter und dem Leben Gottes ähnlich sind. Die Lehrer Israels säten den Samen des Wortes Gottes nicht. Das Werk Christi als eines Lehrers der Wahrheit war in einem entschiedenen Gegensatz zu dem der Rabbiner seiner Zeit. Sie bestanden auf den Überlieferungen, auf menschlichen Theorien und Anschauungen, stellten das, was ein Mensch über das Wort gelehrt oder geschrieben hatte, oft über das Wort selbst und ihre Lehren hatten keine Kraft, die Seele zu beleben. Christus aber lehrte und predigte das Wort Gottes; denen die ihn durch Fragen verwirren wollten, antwortete er mit einem: “Es steht geschrieben”; “Was sagt die Schrift?” “Wie liesest du?” Bei jeder Gelegenheit, gleichviel ob durch Freund oder Feind das Interesse erweckt worden war, säte er den Samen des Wortes. Der, welcher die Wahrheit und das Leben, das lebendige Wort selbst ist, weist auf die Heilige Schrift und sagt: “Sie ist’s, die von mir zeuget.” Johannes 5,39. Und “von Mose und allen Propheten anfangend, legte er seinen Jüngern alle Schriften aus, die von ihm gesagt waren”. Lukas 24,27. CGl 38.2

Die Diener Christi sollen dasselbe Werk tun. In unserer Zeit werden, wie vor alters, die lebendigen Wahrheiten des Wortes Gottes beiseite gesetzt, und menschliche Theorien und Anschauungen an ihrer Statt angenommen. Viele, die sich Prediger des Evangeliums nennen, nehmen nicht die ganze Bibel als das von Gott eingegebene Wort an; ein weiser Mann verwirft einen Teil, und ein anderer stellt einen andern Teil in Frage. Sie setzen ihr Urteil über das Wort, und die Schrift, welche sie lehren, ruht auf ihrer eigenen Autorität, und somit wird der Glaube an ihren göttlichen Ursprung vernichtet. Auf diese Weise wird der Same des Unglaubens allenthalben gesät, denn die Leute werden verwirrt und wissen nicht mehr, was sie glauben sollen. Vieles wird geglaubt, wozu die Menschen gar keinen Grund haben. So legten die Rabbiner zur Zeit Christi vielen Teilen der Heiligen Schrift einen geheimnisvollen, dunklen erzwungenen Sinn unter. Weil die klaren Lehren des Wortes Gottes ihre Handlungsweise verdammten, versuchten sie die Kraft desselben abzuschwächen. Dasselbe geschieht auch heute. Man stellt das Wort Gottes als etwas Geheimnisvolles und Dunkles dar, um die Übertretung des göttliches Gesetzes zu entschuldigen. Diese Handlungsweise tadelte Christus; er lehrte, daß das Wort Gottes von allen verstanden werden sollte. Er wies hin auf die Schrift als auf eine unbestreitbare Autorität, und wir sollten dasselbe tun. Die Bibel soll als das Wort des ewigen Gottes, als das Ende aller Streitfragen und das Fundament alles Glaubens dargestellt werden. CGl 39.1

Die Bibel ist ihrer Kraft beraubt worden und die Folgen zeigen sich im Dahinschwinden des geistlichen Lebens. In den Predigten, die heutzutage von vielen Kanzeln ertönen, ist nicht jene göttliche Kraft, welche das Gewissen erweckt und der Seele Leben gibt. Die Zuhörer können nicht sagen: “Brannte nicht unser Herz in uns, da er mit uns redete auf dem Wege, als er uns die Schrift öffnete?” Lukas 24,32. Viele verlangen nach dem lebendigen Gott und sehnen sich nach der göttlichen Gegenwart, aber philosophische Theorien oder literarische Abhandlung, so prächtig sie auch sein mögen, können das Herz nicht befriedigen; Behauptungen und Erfindungen von Menschen haben keinen Wert. Das Wort Gottes muß zu den Menschen reden. Wer nur Überlieferungen, menschliche Theorien und Vorschriften gehört hat, muß die Stimme dessen hören, dessen Wort die Seele zum ewigen Leben erneuern kann. Das Lieblingsthema Christi war die väterliche Liebe und die Gnadenfülle Gottes; er sprach viel über die Heiligkeit seines Charakters und seines Gesetzes, und stellte sich selbst den Menschen als den Weg, die Wahrheit und das Leben dar. Die Prediger Christi sollten diese Dinge auch zu ihrem Thema nehmen. Verkündigt die Wahrheit, wie sie in Jesu ist; erklärt die Forderungen des Gesetzes und des Evangeliums; erzählt den Leuten von Christi Selbstverleugnung und Aufopferung, von seiner Demütigung und seinem Tode, von seiner Auferstehung und Himmelfahrt, von seiner Fürsprache für sie vor dem Throne Gottes und von seiner Verheißung: Ich will “wiederkommen und euch zu mir nehmen”. Johannes 14,3. CGl 39.2

Anstatt irrige Theorien zu erörtern oder zu versuchen Gegner des Evangeliums Christi zu bekämpfen, folgt dem Beispiel Christi. Laßt frische Wahrheiten aus dem Schatzhause Gottes aufflammen ins Leben. “Predigt das Wort.” “Säet allenthalben an den Wassern,” “es sei zu rechter Zeit oder zur Unzeit.” “Wer aber mein Wort hat, der predige mein Wort recht. Wie reimen sich Stroh und Weizen zusammen? Spricht der Herr.” “Alle Worte Gottes sind durchläutert ... Tue nichts zu seinen Worten, daß er dich nicht strafe, und werdest lügenhaft erfunden.” 2.Timotheus 4,2; Jesaja 32,20; Jeremia 23,28; Sprüche 30,5.6. CGl 40.1

“Der Sämann sät das Wort.” Hier wird der große Grundsatz dargelegt, welcher aller Erziehungsarbeit zugrunde liegen sollte. “Der Same ist das Wort Gottes.” Aber in vielen Schulen heutzutage wird das Wort Gottes beiseite gesetzt; andere Gegenstände beschäftigen den Geist, das Studium ungläubiger Schriftsteller nimmt einen großen Platz in dem jetzigen Erziehungssystem ein. Die Lesebücher in den Schulen enthalten ungläubige Gedanken. Auch wissenschaftliche Forschungen leiten irre, weil ihre Entdeckungen mißdeutet und verkehrt werden. Das Wort Gottes wird mit mutmaßlichen Lehren der Wissenschaft verglichen und als unsicher und unzuverlässig hingestellt. So wird der Same des Zweifels in die Gemüter der Jugend gepflanzt, der dann zur Zeit der Versuchung aufgeht. Wenn der Glaube an das Wort Gottes verloren ist, dann hat die Seele keinen Führer, keinen Leiter; die Jugend gerät auf Abwege, welche von Gott und dem ewigen Leben entfernen. CGl 40.2

Die allenthalben um sich greifende Gottlosigkeit in unserer Zeit ist in einem hohen Grade gerade dieser Ursache beizumessen. Wenn das Wort Gottes beiseite gesetzt wird, so wird damit auch die Kraft desselben, die sündigen Leidenschaften des natürlichen Herzens zu dämpfen, verworfen. Die Menschen säen auf ihr Fleisch und ernten vom Fleisch das Verderben. CGl 41.1

Hier liegt auch die große Ursache geistiger Schwäche und Unfähigkeit. Indem man sich von Gottes Wort abwendet und sich von den Schriften nichtinspirierter Menschen nährt, verkümmert der Geist, weil er nicht in Berührung mit den tiefen, viel umfassenden Grundsätzen der ewigen Wahrheit gebracht wird. Das Verständnis paßt sich den Dingen an, mit deren Erfassen es sich vertraut macht. Gibt es sich mit vergänglichen Dingen ab, so wird es so geschwächt und seine Kraft schrumpft so zusammen, daß es mit der Zeit jeder weiteren Ausdehnung unfähig ist. CGl 41.2

Solch eine Erziehung ist eine ganz unrichtige. Ein jeder Lehrer sollte es sich zur Aufgabe machen, die Gemüter der Jugend auf die großen Wahrheiten der Heiligen Schrift zu lenken, denn nur sie wirkt eine Erziehung, welche für dieses und für das zukünftige Leben wesentlich ist. CGl 41.3

Man denke ja nicht, daß dies das Studium der Wissenschaften hindern oder einen minderwertigen Bildungsgrad zur Folge haben werde. Die Kenntnisse, die Gott mitteilt, sind so hoch wie der Himmel und so umfassend wie das Weltall. Nichts veredelt und belebt so sehr, als das Studium der großen Dinge, die unser ewiges Leben betreffen. Wenn die Jugend gelehrt wird, diese von Gott gegebenen Wahrheiten zu erfassen und zu begreifen, dann wird ihre Fassungskraft sich erweitern und erstarken, und jeder Schüler, der ein Täter des Wortes ist, wird in ein größeres Feld des Denkens versetzt und sichert sich einen Schatz der Erkenntnis, welcher unvergänglich ist. CGl 41.4

Die Bildung, welche man durch Forschen in der Heiligen Schrift erlangen soll, besteht in einer Erkenntnis des Erlösungsplanes aus eigener Erfahrung. Eine solche Bildung wird das Ebenbild Gottes in der Menschenseele wiederherstellen, wird sie gegen Versuchungen stärken und festigen und den Lernenden befähigen, ein Mitarbeiter in seinem Werk der Gnade für die Welt zu werden. Sie wird ihn zu einem Gliede der himmlischen Familie machen und ihn vorbereiten, am Erbteil der Heiligen im Licht teilzunehmen. CGl 42.1

Aber der Lehrer göttlicher Wahrheit kann nur das mitteilen, was er selbst durch Erfahrung weiß. “Der Sämann säte seinen Samen.” Christus lehrte die Wahrheit, weil er die Wahrheit war. Sein eigenes Denken, sein Charakter, seine Lebenserfahrungen waren in seinen Lehren verkörpert. So sollte es auch mit seinen Dienern sein. Diejenigen, welche das Wort lehren wollen, müssen es sich durch persönliche Erfahrung zu eigen machen, müssen wissen, was es bedeutet, daß Christus ihnen zur Weisheit, zur Gerechtigkeit, zur Heiligung und zur Erlösung gemacht ist. Wenn sie das Wort Gottes verkündigen, so sollten sie es nicht als etwas Zweifelhaftes oder etwas Fragliches hinstellen; sie sollten vielmehr mit dem Apostel Petrus sagen: “Denn wir sind nicht klugen Fabeln gefolget, da wir euch kundgetan haben die Kraft und Zukunft unsers Herrn Jesu Christi, sondern wir haben seine Herrlichkeit selber gesehen.” 2.Petrus 1,16. Ein jeder Prediger Christi und ein jeder Lehrer sollte imstande sein, mit dem geliebten Johannes zu sagen: “Das Leben ist erschienen, und wir haben gesehen und bezeugen und verkündigen euch das Leben, das ewig ist, welches war bei dem Vater, und ist uns erschienen.” 1.Johannes 1,2. CGl 42.2