Christi Gleichnisse

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Freundliches Entgegenkommen und Herzlichkeit

Freundlichkeit, edle Triebe und schnelles Erfassen geistlicher Dinge sind köstliche Gaben und legen ihrem Besitzer eine schwere Verantwortung auf. Alle diese Eigenschaften sollten im Dienst Gottes benutzt werden. Aber hier begehen viele einen Fehler. Zufrieden im Besitz dieser Eigenschaften versäumen sie es, dieselben im täglichen Dienst für andere zu verwerten. Sie schmeicheln sich, daß sie, wenn sich Gelegenheiten bieten sollten, wenn die Umstände günstig wären, ein großes und gutes Werk tun würden. Aber sie warten immer auf solche Gelegenheiten. Sie verachten die Engherzigkeit des knickerigen Geizhalses, welcher den Bedürftigen selbst die kleinste Gabe mißgönnt. Sie sehen, daß er nur für sich selbst lebt und wissen, daß er für seine mißbrauchten Gaben Rechenschaft ablegen muß. Mit großer Selbstgefälligkeit ziehen sie einen Vergleich zwischen sich selbst und solchen engherzigen Menschen und halten ihren eigenen Zustand für viel besser, als den von solch unedel denkenden Nachbarn. Aber sie betrügen sich selbst. Das alleinige Besitzen unbenutzter Eigenschaften und Gaben erhöht nur noch die Verantwortung. Menschen, die von Natur aus freundlich sind, stehen Gott gegenüber unter der Verpflichtung, diese Herzlichkeit nicht nur ihren Freunden zuteil werden zu lassen, sondern allen, die ihrer Hilfe bedürfen. Angenehm im gesellschaftlichen Verkehr zu sein, ist auch eine Gabe, die zum Nutzen aller derer, die unter ihren Einfluß kommen, angewandt werden sollte. Die Liebe, die nur gegen einige gütig ist, ist keine Liebe, sondern Selbstsucht. Sie wird in keiner Weise Seelen nützen, noch zur Verherrlichung Gottes beitragen. Menschen, die auf diese Weise die ihnen von ihrem Meister anvertrauten Gaben unbenutzt lassen, werden schuldiger dastehen, als die, gegen welche sie eine solche Verachtung fühlten; zu ihnen wird dereinst gesagt werden: ihr wußtet eures Meisters Willen, tatet ihn aber nicht. CGl 348.4