Christi Gleichnisse

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Die Gemeinde der Jetztzeit

Das Gleichnis vom Weinberg findet nicht nur auf das jüdische Volk Anwendung; es enthält auch eine Lehre für uns. Der Gemeinde des gegenwärtigen Geschlechts hat Gott große Vorrechte und Segnungen zuteil werden lassen und er erwartet auch, demgemäß Früchte zu sehen. CGl 294.1

Wir sind durch ein hohes Lösegeld erlöst worden. Nur wenn wir die Größe dieses Lösegeldes erkennen, können wir uns von dem Ergebnis desselben einen Begriff machen. Auf dieser Erde, der Erde, deren Boden durch die Tränen und das Blut des Sohnes Gottes befeuchtet worden ist, sollen die köstlichen Früchte des Paradieses hervorgebracht werden. Im Leben der Kinder Gottes sollen sich die Wahrheiten seines Wortes in ihrer Herrlichkeit und Vortrefflichkeit offenbaren. Durch seine Gemeinde wird Christus seinen Charakter und die Grundsätze seines Reiches kundtun. CGl 294.2

Satan versucht dem Werke Gottes entgegenzuwirken und er dringt beständig auf die Menschen ein, seine Grundsätze anzunehmen. Er stellt das erwählte Volk Gottes als betörte Menschen dar. Er ist ein Verkläger der Brüder und richtet seine Anklagen und Beschuldigungen gegen die, welche Gerechtigkeit wirken. Der Herr will durch die Seinen die Anklagen Satans beantworten, indem er die Folgen des Gehorsams gegen rechte Grundsätze zeigt. CGl 294.3

Diese Grundsätze sollen im einzelnen Christen, in der Familie und der Gemeinde und in jeder zur Förderung des Werkes Gottes begründeten Anstalt offenbart werden. Alle sollen Erkennungszeichen sein, was für die Welt getan werden kann. Sie sollen Vorbilder sein von der rettenden Kraft des Evangeliums. Alle sind Werkzeuge zur Erfüllung der großen Absicht Gottes mit dem Menschengeschlecht. CGl 294.4

Die jüdischen Leiter blickten mit Stolz auf ihren großartigen herrlichen Tempel und die feierlichen Gebräuche ihres Gottesdienstes; aber Gerechtigkeit, Barmherzigkeit und die Liebe Gottes mangelten ihnen. Die Herrlichkeit des Tempels und der Glanz ihres Gottesdienstes konnten sie vor Gott nicht angenehm machen, denn das, was in seinen Augen allein von Wert ist, brachten sie ihm nicht dar. Sie brachten ihm nicht das Opfer eines demütigen und zerschlagenen Geistes. Wenn die lebengebenden Grundsätze des Reiches Gottes aus den Augen verloren werden, dann häufen sich die Zeremonien und der Prunk mehrt sich. Wenn wir den Aufbau des Charakters vernachlässigen, wenn der Schmuck der Seele mangelt, wenn die Einfältigkeit der Gottseligkeit aus den Augen verloren wird, dann verlangen der Stolz und die Liebe zu äußerlichem Schaugepränge großartige Kirchen, kostbare Ausschmückungen und Achtung einflößende Zeremonien. Aber durch alles dieses wird Gott nicht geehrt. Eine Religion, die sich dem herrschenden Geschmack anpaßt, die aus Zeremonien, Schein und äußerlichem Gepränge besteht, nimmt er nicht an. An solchen Gottesdiensten nehmen die himmlischen Boten keinen Anteil. CGl 294.5

Die Gemeinde ist in den Augen Gottes köstlich geachtet. Er schätzt sie nicht ihrer äußerlichen Vorteile wegen, sondern wegen der aufrichtigen Frömmigkeit, durch welche sie sich von der Welt unterscheidet. Er schätzt sie nach dem Wachstum der Glieder in der Erkenntnis Christi, nach ihrem Fortschritt in geistlicher Erfahrung. CGl 295.1

Christus verlangt darnach, von seinem Weinberg die Frucht der Heiligkeit und Selbstlosigkeit zu bekommen. Er sucht nach den Grundsätzen der Liebe und Güte. Alle Schönheit der Kunst hält keinen Vergleich aus mit der Schönheit des Gemüts und des Charakters, die sich in Christi Nachfolger offenbaren soll. Die ganze Umgebung des Gläubigen atmet Gnade, der Heilige Geist wirkt auf Gemüt und Herz, so daß er ein Geruch des Lebens zum Leben wird und Gott sein Wirken segnen kann. CGl 295.2

Eine Gemeinde mag die ärmste im Lande sein, sie mag in ihrem Äußeren nichts Anziehendes haben, wenn aber die Glieder die Grundsätze des Charakters Christi besitzen, dann wird auch seine Freude ihre Seelen füllen. Engel werden sich mit ihnen vereinen, wenn sie anbeten. Lob- und Danksagungen von dankerfüllten Herzen werden als ein süßer Weihrauch zu Gott aufsteigen. CGl 295.3

Der Herr wünscht, daß wir seiner Güte gedenken und von seiner Macht erzählen. Er wird durch unser Lob und unsern Dank geehrt. Sagt er doch: “Wer Dank opfert, der preiset mich.” Psalm 50,23. Als das Volk Israel durch die Wüste zog, pries es Gott in heiligen Liedern. Die Gebote und Verheißungen des Herrn wurden in Musik gesetzt und die ganze Reise hindurch von den Pilgrimen gesungen. Und wenn sie sich in Kanaan zu ihren heiligen Festen versammelten, sollten sie der wunderbaren Werke Gottes gedenken und seinem Namen Dank opfern. Gott wünschte, daß das ganze Leben der Seinen ein Leben des Lobes und Preises sein sollte. Dadurch sollten die Menschen auf Erden seinen Weg erkennen und sein Heil unter allen Heiden oder Völkern gesehen werden. Psalm 67,3. CGl 296.1

So sollte es auch jetzt sein. Die Weltmenschen beten falsche Götter an. Sie müssen von ihrer falschen Anbetung abgebracht werden und zwar nicht, indem man gegen ihre Götter spricht, sondern indem sie etwas Besseres sehen. Die Güte und Liebe Gottes soll bekannt gemacht werden. “Ihr seid meine Zeugen, spricht der Herr; so bin ich Gott.” Jesaja 43,12. CGl 296.2

Der Herr wünscht, daß wir den großen Erlösungsplan recht schätzen und würdigen, das uns als Gottes Kindern angebotene Vorrecht erkennen und mit dankbarem Herzen im Gehorsam vor ihm wandeln. Er wünscht, daß wir ihm in einem neuen Leben jeden Tag mit Freuden dienen. Er sehnt sich darnach, unsere Herzen in Dankbarkeit überwallen zu sehen, weil unsere Namen im Lebensbuch des Lammes geschrieben sind. Und weil wir alle unsere Sorgen auf ihn werfen können, der für uns sorgt. Er will, daß wir uns freuen, weil wir das Erbteil des Herrn sind, weil die Gerechtigkeit Christi das weiße Gewand seiner Heiligen ist, weil wir die selige Hoffnung der baldigen Wiederkunft unseres Heilandes haben. CGl 296.3

Gott mit aufrichtigem Herzen zu loben und zu preisen, ist ebensowohl eine Pflicht als das Gebet. Wir sollen der Welt und allen himmlischen Wesen zeigen, daß wir die wunderbare Liebe Gottes zu dem gefallenen Menschengeschlecht schätzen und daß wir größere und wiederum größere Segnungen aus seiner unendlichen Fülle erwarten. Wir müssen viel mehr, als wir es tun, von unsern köstlichen Erfahrungen im Herrn reden. Nach einer besonderen Ausgießung des Heiligen Geistes würde unsere Freude im Herrn und unsere Wirksamkeit in seinem Dienste bedeutend zunehmen, wenn wir von seiner Liebe und seinem wunderbaren Wirken für seine Kinder erzählten. CGl 296.4

Dadurch wird die Macht Satans zurückgetrieben. Der Geist des Murrens und Klagens schwindet, der Versucher verliert den Boden unter den Füßen, und Charaktereigenschaften, welche die Erdbewohner für die himmlischen Wohnungen geschickt machen, werden gestärkt. CGl 297.1

Ein solches Zeugnis wird einen Einfluß auf andere haben. Es kann kein wirksameres Mittel benutzt werden, um Seelen für Christum zu gewinnen. CGl 297.2

Wir sollen Gott durch einen wirklichen Dienst loben, indem wir alles tun, was in unserer Macht steht, um seinen Namen zu verherrlichen. Gott teilt uns seine Gaben mit, damit wir auch anderen geben und dadurch seinen Charakter der Welt bekannt machen können. Unter den göttlichen Einrichtungen für die Juden bildeten Gaben und Opfer einen wesentlichen Teil des Gottesdienstes. Die Israeliten wurden gelehrt, den Zehnten von ihrem ganzen Einkommen dem Dienste im Heiligtum zu weihen. Außerdem mußten sie Sündopfer, freiwillige Gaben und Dankopfer darbringen. Dies waren die Mittel, durch welche zu jener Zeit die Prediger des Evangeliums unterhalten wurden. Gott erwartet nicht weniger von uns, als er vor alters von seinem Volk erwartete. Das große Werk der Seelenrettung muß vorangehen. Durch Anordnung des Zehnten, sowie des Darbringens von Gaben und Opfern, hat er Vorkehrungen zur Förderung diese Werkes getroffen. Er will, daß auf diese Weise das Predigen des Evangeliums unterstützt werden soll. Er beansprucht den Zehnten als sein Eigentum und wir sollten ihn auch als heilig betrachten und ihn zurücklegen in die Schatzkammer des Herrn, um seine Sache zu fördern. Er ersucht uns auch um freiwillige Gaben und Dankopfer. Alles soll dazu verwandt werden, damit das Evangelium nach den entlegensten Teilen der Erde getragen werde. CGl 297.3

Dem Herrn dienen, schließt eine persönliche Arbeit ein. Durch persönliches Wirken sollen wir seine Mitarbeiter in der Errettung der Welt sein. Der Auftrag Christi: “Gehet hin in alle Welt, und prediget das Evangelium aller Kreatur” (Markus 16,15), ist an einen jeden seiner Nachfolger gerichtet. Alle, welche zum Leben in Christo berufen sind, sind auch berufen, für das Heil ihrer Mitmenschen zu wirken. Ihre Herzen werden in Harmonie mit dem Herzen Christi sein. Dasselbe Verlangen, welches er hatte, Seelen gerettet zu sehen, wird auch von ihnen bekundet werden. Nicht alle können dieselbe Stellung im Werke ausfüllen, aber es gibt einen Platz und eine Arbeit für jeden. CGl 298.1

Vor alters standen Abraham, Isaak, Jakob, Moses mit seiner Sanftmut und Weisheit und Josua mit seinen verschiedenen Fähigkeiten im Dienste Gottes. Die Musik Mirjams, der Mut und die Frömmigkeit Deboras, die kindliche Anhänglichkeit Ruts, der Gehorsam und die Treue Samuels, die strenge Gewissenhaftigkeit Elias, der besänftigende Einfluß Elisas — sie alle waren notwendig. So sollten auch jetzt alle, denen der Segen Gottes zuteil geworden ist, ihre Dankbarkeit durch tätiges Dienen bekunden; eine jede empfangene Gabe soll zur Förderung seines Reiches und zur Verherrlichung seines Namens benutzt werden. CGl 298.2

Alle, die Christum als einen persönlichen Heiland annehmen, sollen die Wahrheit des Evangeliums und seine errettende Kraft in ihrem Leben offenbaren. Gott stellt keine Forderung, ohne auch Vorkehrungen zu ihrer Erfüllung zu treffen. Durch die Gnade Christi können wir alles ausrichten, was Gott von uns fordert. Alle Schätze des Himmels sollen durch Gottes Volk offenbart werden. “Darinnen wird mein Vater geehret,” sagt Christus, “daß ihr viel Frucht bringet und werdet meine Jünger.” Johannes 15,8. CGl 298.3

Gott beansprucht die ganze Erde als seinen Weinberg. Obgleich sie jetzt in den Händen des Thronräubers ist, gehört sie doch Gott. Sie ist durch die Erlösung nichts weniger sein, als durch die Schöpfung; denn das Opfer Christi wurde für die ganze Welt dargebracht. “Also hat Gott die Welt geliebet, daß er seinen eingebornen Sohn gab.” Johannes 3,16. Durch diese eine Gabe werden den Menschen alle anderen Gaben mitgeteilt. Die ganze Welt empfängt täglich Segnungen von Gott. Jeder Regentropfen, jeder Lichtstrahl, der auf unser undankbares Geschlecht fällt, jedes Blatt, jede Blume und eine jede Frucht bezeugt die Langmut Gottes und seine große Liebe. CGl 298.4

Welcher Dank aber wird dem großen Geber dafür? Wie nehmen die Menschen die Ansprüche Gottes auf? Wem weihen die großen Massen des Menschengeschlechts ihr ganzes Leben hindurch ihren Dienst? Sie dienen dem Mammon. Reichtum, Stellung, Vergnügen in der Welt ist ihr Ziel. Sie verschaffen sich Reichtum durch Raub, indem sie nicht nur Menschen, sondern auch Gott berauben. Sie benutzen seine Gaben, um ihre selbstsüchtigen Gelüste zu befriedigen. Alles, was sie nur erhaschen können, muß ihrer Habsucht und ihrer selbstsüchtigen Vergnügungsliebe dienen. CGl 299.1

Die Sünde der Welt ist heute dieselbe, welche das Verderben über Israel brachte. Undankbarkeit gegen Gott, die Vernachlässigung von Gelegenheiten und Segnungen, die selbstsüchtige Verwendung der Gaben Gottes — diese alle waren in der Sünde einbegriffen, welche den Zorn Gottes über Israel brachte. Sie bringen auch heute noch Verderben über die Welt. CGl 299.2

Die Tränen, welche Christus auf dem Ölberge vergoß, als er auf die erwählte Stadt blickte, wurden nicht über Jerusalem allein vergossen. Im Schicksal Jerusalems schaute er die Zerstörung der Welt. CGl 299.3

“Wenn doch auch du erkennetest zu dieser deiner Zeit, was zu deinem Frieden dienet! Aber nun ist’s vor deinen Augen verborgen.” Lukas 19,42. CGl 299.4

“Zu dieser deiner Zeit.” Die Zeit nähert sich ihrem Abschluß. Die Zeit der Gnade und der angebotenen Vorrechte ist beinahe dahin. Die Wolken der Rache sammeln sich. Die Verächter der Gnade Gottes stehen im Begriff von dem schnell eilenden, unvermeidlichen Verderben verschlungen zu werden. CGl 299.5

Dennoch schläft die Welt. Die Menschen erkennen die Zeit ihrer Heimsuchung nicht. CGl 299.6

Wo befindet sich in dieser Zeit der Krisis die Gemeinde? Entsprechen ihre Glieder den Anforderungen Gottes? Erfüllen sie seine Aufträge und stellen sie seinen Charakter der Welt dar? Lenken sie die Aufmerksamkeit ihrer Mitmenschen auf die letzte gnadenvolle Botschaft? CGl 299.7

Den Menschen droht Gefahr. Große Scharen kommen um. Aber wie wenige derer, die sich für Nachfolger Christi ausgeben, fühlen eine Last für diese Seelen! Das Schicksal einer Welt liegt auf der Waagschale, aber das bewegt selbst diejenigen kaum, welche vorgeben, die weitreichendste Wahrheit, die je an Sterbliche ergangen ist, zu glauben. Es mangelt ihnen jene Liebe, die Christum trieb, sein himmlisches Heim zu verlassen und die Natur des Menschen anzunehmen, auf daß das Menschliche die Menschheit berühren und sie zur Gottheit hinziehen könnte. Es ist eine Lähmung, eine Betäubung über die Kinder Gottes gekommen, wodurch sie gehindert werden, ihre gegenwärtige Pflicht zu erkennen. CGl 300.1

Als die Israeliten ins Land Kanaan hineingingen, erfüllten sie nicht die Absicht Gottes, Besitz von dem ganzen Lande zu nehmen; sondern nachdem sie es teilweise eingenommen hatten, ließen sie sich nieder, um die Früchte ihrer Siege zu genießen. In ihrem Unglauben und in ihrer Liebe zur Bequemlichkeit sammelten sie sich in den schon unterworfenen Teilen an, anstatt vorwärts zu dringen und neues Gebiet einzunehmen. Auf diese Weise fingen sie an von Gott abzuweichen und indem sie es unterließen, seine Absicht auszuführen, machten sie es ihm unmöglich, ihnen den verheißenen Segen zu geben. Tut nicht die Gemeinde der Jetztzeit ganz dasselbe? Mit der ganzen Welt, die doch des Evangeliums so dringend bedarf, vor sich, lassen vorgebliche Christen sich da nieder, wo sie sich zusammen des Evangeliums erfreuen können. Sie fühlen nicht die Notwendigkeit, ein neues Gebiet einzunehmen und die Botschaft des Heils nach entfernten Gegenden zu tragen. Sie weigern sich, den Auftrag Christi zu erfüllen: “Gehet hin in alle Welt und prediget das Evangelium aller Kreatur.” Markus 16,15. Sind sie weniger schuldig als die jüdische Gemeinde es war? CGl 300.2

Die vorgeblichen Nachfolger Christi werden vor dem ganzen Weltall geprüft, aber ihr Mangel an Eifer und die Lauheit ihrer Bestrebungen im Dienste Gottes, kennzeichnen sie als untreu. Wenn das, was sie tun, das Beste wäre, das sie tun können, dann würde keine Verdammnis auf ihnen ruhen; aber sie könnten viel mehr tun, wenn ihre Herzen im Werke wären. Sie wissen und die Welt weiß es, daß sie in einem hohen Grade den Geist der Selbstverleugnung und des Kreuztragens verloren haben. Es gibt viele, gegenüber deren Namen in den Büchern des Himmels geschrieben steht: Kein Sammler, sondern ein Zerstreuer. Viele, die den Namen Christi tragen, verdunkeln seine Herrlichkeit, verschleiern seine Schönheit und enthalten ihm die ihm gebührende Ehre vor. CGl 300.3

Es gibt viele, deren Namen wohl in den Gemeindebüchern, die aber selbst nicht unter der Herrschaft Christi stehen. Sie mißachten seine Lehren und tun seinen Willen nicht. Darum sind sie unter der Herrschaft des Feindes. Sie tun nichts ausdrücklich Gutes und darum tun sie unberechenbaren Schaden. Weil ihr Einfluß kein Geruch des Lebens zum Leben ist. So ist er ein Geruch des Todes zum Tode. CGl 301.1

Der Herr sagt: “Und ich sollte sie um solches nicht heimsuchen?” Jeremia 5,9. Weil die Kinder Israel Gottes Absicht nicht ausführten, wurden sie beiseite gesetzt und der Ruf Gottes erging an andere Völker. Wenn diese sich auch als untreu erweisen, werden sie dann nicht in gleicher Weise verworfen werden? CGl 301.2

Im Gleichnis vom Weinberg waren es die Weingärtner, die von Christo als schuldig bezeichnet wurden. Sie waren es, die sich geweigert hatten, ihrem Herrn die Frucht seines Weinberges zu geben. Im jüdischen Volke waren es die Priester und Lehrer, welche, indem sie das Volk irreleiteten, Gott des Dienstes beraubt hatten, den er beanspruchte. Sie waren es, die das Volk von Christo abwendig machten. CGl 301.3

Das Gesetz Gottes, frei von menschlichen Überlieferungen, wurde von Christo als die große Richtschnur des Gehorsams hingestellt. Dies erregte die Feindschaft der Rabbiner. Sie hatten menschliche Lehren über Gottes Wort gestellt und das Volk von seinen Vorschriften abgebracht. Sie wollten ihre Menschensatzungen nicht aufgeben, um den Forderungen des Wortes Gottes nachzukommen. Sie wollten um der Wahrheit willen den Eigenstolz und das Lob der Menschen nicht preisgeben. Als Christus kam und dem Volke die Ansprüche Gottes vorhielt, da versagten die Priester und Ältesten ihm das Recht, sich zwischen sie und das Volk zu stellen. Sie wollten seine Zurechtweisungen und Warnungen nicht annehmen und bemühten sich, das Volk gegen ihn aufzustacheln und seinen Tod herbeizuführen. CGl 301.4

Sie waren verantwortlich für die Verwerfung Christi und die daraus entstandenen Folgen. Die Sünde eines ganzen Volkes und das Verderben eines ganzen Volkes waren den religiösen Leitern zuzuschreiben. CGl 302.1

Sind nicht in unserer Zeit dieselben Einflüsse am Wirken? Folgen nicht viele Weingärtner im Weinberge des Herrn den Fußtapfen der jüdischen Leiter? Bringen nicht viele Religionslehrer die Menschen von den klaren Forderungen des Wortes Gottes ab? Veranlassen sie dieselben nicht zur Übertretung, anstatt sie zum Gehorsam gegen das Gesetz Gottes anzuleiten? Von vielen Kanzeln in den Kirchen wird das Volk gelehrt, daß das Gesetz Gottes nicht bindend für sie ist. Menschliche Überlieferungen, Satzungen und Gebräuche werden erhoben. Stolz und Selbstzufriedenheit wegen der Gaben Gottes werden genährt, während Gottes Ansprüche unbeachtet bleiben. CGl 302.2

Wenn die Menschen das Gesetz Gottes beiseite setzen, wissen sie nicht, was sie tun. Gottes Gesetz ist der Ausdruck seines Charakters. Es verkörpert die Grundsätze seines Reiches. Wer sich weigert, diese Grundsätze anzunehmen, bringt sich selbst in eine Verfassung, in der ihm der Segen Gottes nicht zufließen kann. CGl 302.3

Die großen Herrlichkeiten, die Israel gezeigt wurden, konnten nur durch Gehorsam gegen Gottes Gebote erkannt werden. So können auch wir nur durch Gehorsam denselben edlen Charakter, dieselbe Fülle der Segnungen — Segen an Seele, Körper und Geist, Segen auf Haus und Feld, Segen für dieses und das zukünftige Leben — erhalten. CGl 302.4

In der geistlichen, wie auch in der natürlichen Welt wird das Hervorsprießen der Frucht durch den Gehorsam gegen die Gesetze Gottes bedingt. Wenn Menschen lehren, Gottes Gebote zu mißachten, so hindern sie andere daran, zu seiner Ehre Frucht zu bringen. Sie laden dann die Schuld auf sich, dem Herrn die Früchte seines Weinberges vorzuenthalten. CGl 302.5

Die Boten Gottes kommen auf das Gebot des Meisters zu uns. Sie kommen und fordern, wie Christus es tat, Gehorsam gegen das Wort Gottes. Sie begründen seinen gerechten Anspruch auf die Früchte des Weinberges, Früchte der Liebe und Demut und des selbstaufopfernden Dienstes. Werden nicht viele Weingärtner des Weinberges, wie jene jüdischen Leiter, zornig, und benutzen, wenn die Ansprüche des göttlichen Gesetzes dem Volke vorgelegt werden, ihren Einfluß, um die Menschen zu veranlassen, es zu verwerfen? Solche Lehrer nennt Gott untreue Knechte. CGl 303.1

Die Worte Gottes an das alte Israel enthalten eine ernste, feierliche Mahnung an die Gemeinde dieser Zeit und ihre Lehrer. Von Israel sagte der Herr: “Wenn ich ihm gleich viel tausend Gebote meines Gesetzes schreibe, so wird’s geachtet wie eine fremde Lehre.” Hosea 8,12. Und den Priestern und Lehrern erklärte er: “Mein Volk ist dahin, darum daß es nicht lernen will. Denn du verwirfest Gottes Wort, darum will ich dich auch verwerfen ... Du vergißest des Gesetzes deines Gottes, darum will ich auch deiner Kinder vergessen.” Hosea 4,6. CGl 303.2

Sollen die Warnungen Gottes unbeachtet bleiben? Sollen die Gelegenheiten, ihm zu dienen, unbenutzt bleiben? Sollen der Hohn der Welt, das Brüsten mit dem eigenen Wissen, das Sichanpassen an die menschlichen Gebräuche und Überlieferungen die bekenntlichen Nachfolger Christi davon abhalten, Gott zu dienen? Werden sie das Wort Gottes verwerfen, wie die jüdischen Leiter Christum verwarfen? Die Folgen der Sünde Israels sind längst offenbar. Wird die Gemeinde der Jetztzeit sich dadurch warnen lassen? CGl 303.3

“Ob aber nun etliche von den Zweigen ausgebrochen sind und du, da du ein wilder Ölbaum warest, bist unter sie gepfropfet und teilhaftig worden der Wurzel und des Saftes im Ölbaum, so rühme dich nicht ... Sie sind ausgebrochen um ihres Unglaubens willen; du stehest aber durch den Glauben. Sei nicht stolz, sondern fürchte dich. Hat Gott der natürlichen Zweige nicht verschonet, daß er vielleicht dein auch nicht verschone.” Römer 11,17-21. CGl 303.4

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