Ruf an die Jugend

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Der Maßstab der Kraft

Charakterstärke ruht auf zwei Säulen — auf Willenskraft und Selbstbeherrschung. Viele Jugendliche halten starke, unbeherrschte Leidenschaft für Charakterstärke; in Wahrheit aber ist derjenige, der sich von der Leidenschaft beherrschen läßt, ein Schwächling. Wahre Größe und Seelenadel des Menschen wird nach dem Vermögen, seine Gefühle zu zügeln, gemessen, nicht aber daran, daß die Gewalt der Leidenschaft ihn beherrscht. Der stärkste Mensch ist derjenige, der, obwohl keineswegs gefühllos gegen Kränkungen, doch seine Empfindungen meistern und seinen Feinden vergeben kann. RJ 262.1

Gott hat uns geistige und sittliche Kraft verliehen. In großem Maße ist jeder einzelne der Baumeister seines Charakters. Mit jedem Tag nähert sich der Bau seiner Vollendung. Gottes Wort mahnt uns, aufzupassen, wie wir bauen, und darauf zu achten, daß wir uns auf den ewigen Felsen gründen. Die Zeit naht heran, da sich unser Werk als das erweist, was es ist. Jetzt können wir die uns von Gott mitgeteilten Kräfte noch ausbilden, damit durch sie Charaktere geformt werden, brauchbar für dieses Leben und für ein zukünftiges, höheres. RJ 262.2

Der Glaube an Christus als an einen persönlichen Heiland wird dem Charakter Kraft und Festigkeit geben. Wer wahren Glauben an Christus hat, wird allzeit nüchtern sein und sich stets dessen erinnern, daß des Herrn Augen auf ihm ruhen und der Richter aller Menschen seinen sittlichen Wert abwägt und himmlische Mächte genau beobachten, welchen Charakter er hier entwickelt. RJ 262.3

Der Grund, daß die Jugendlichen so schwere Irrtümer begehen, liegt darin, daß sie nicht aus der Erfahrung derer, die schon länger leben als sie, lernen. Schüler dürfen sich nicht erlauben, mit einem Scherz oder Lächeln die Warnungen und Belehrungen der Eltern und Lehrer zu übergehen. Sie sollten jede der ihnen erteilten Lehren beherzigen und gleichzeitig daran denken, daß sie noch tiefgründigerer Lehre, als sie irgendein Mensch geben kann, bedürfen. Wenn Christus durch den Glauben im Herzen wohnt, dann wird sein Geist eine Macht, welche die Seele läutern und beleben kann. Die Wahrheit im Herzen wird nicht verfehlen, einen bessernden Einfluß auf das Leben auszuüben. RJ 262.4

Erinnert jene Schüler, die ihr Vaterhaus verlassen haben und sich nicht mehr unter dem unmittelbaren Einfluß ihrer Eltern befinden, daran, daß das Auge ihres himmlischen Vaters auf sie schaut. Er liebt die Jugend. Er kennt ihre Bedürfnisse, und er versteht ihre Anfechtungen. Er sieht in ihnen große Möglichkeiten und ist bereit, ihnen zu helfen, den höchsten Lebensstand zu erreichen, wenn sie sich ihrer Hilflosigkeit bewußt sind und um seinen Beistand flehen. RJ 262.5

Ihr lieben Schüler, Tag und Nacht steigen Gebete eurer Eltern euretwegen zu Gott auf; Tag für Tag umgibt euch ihr liebendes Interesse. Hört auf ihre Bitten und Warnungen und seid entschlossen, mit allen Mitteln, die in eurer Macht stehen, euch von dem Bösen fernzuhalten, das euch umgibt. Ihr könnt noch nicht unterscheiden, wie hinterlistig der Feind arbeitet, um euren Geist und eure Gewohnheiten zu verderben und in euch ungesunde Grundsätze zu entwickeln. RJ 263.1

Ihr mögt keine Gefahr darin sehen, den ersten Schritt zum Leichtsinn und zur Vergnügungssucht zu tun; ihr denkt, ihr könntet den eingeschlagenen Kurs wieder ändern, wenn ihr wollt, und ebenso leicht wieder das Gute tun, wie ihr euch dazu verstanden habt, in das Böse zu willigen. Das ist aber ein Irrtum. Durch die Wahl böser Kameraden sind schon viele Schritt für Schritt vom Pfad der Tugend abgekommen und in die Tiefen des Ungehorsams und der Liederlichkeit geraten, was sie früher für unmöglich gehalten hätten. RJ 263.2

Der Schüler, der einer Versuchung nachgibt, schwächt seinen Einfluß zum Guten. Wer sich durch seinen schlechten Lebenswandel zum Helfer des Seelenfeindes gemacht hat, muß Gott Rechenschaft geben für den Anteil, den er daran hatte, daß Steine des Anstoßes in den Weg der andern gelegt wurden. Warum sollten sich unsre Schüler mit dem großen Abtrünnigen verbinden? Warum sollten sie seine Helfer zur Versuchung anderer werden? Sollten sie nicht vielmehr darüber nachdenken, wie sie ihren Mitschülern helfen und ihre Lehrer ermutigen könnten? Es ist ja ihr Vorrecht, ihren Lehrern die Lasten tragen zu helfen und den Schwierigkeiten entgegenzutreten, die der Satan so entmutigend mühevoll und untragbar gestaltet. Sie können mithelfen, eine Atmosphäre gegenseitiger Hilfe und Aufheiterung zu schaffen. Jeder Schüler darf sich über das Bewußtsein, an Jesu Seite zu stehen, freuen; er sollte Ordnung, Fleiß und Gehorsam schätzen und sich weigern, auch nur das Geringste seiner Fähigkeiten oder seines Einflusses dem großen Feind alles Guten und Erhabenen auszuliefern. RJ 263.3

Der Schüler, der die Wahrheit gewissenhaft beachtet und das rechte Pflichtbewußtsein hat, vermag einen guten Einfluß für Christus auf seine Mitschüler auszuüben. Die jungen Menschen, die Christi Joch auf sich genommen haben, werden nicht ungebärdig sein; sie werden auch nicht nach ihrem eigenen Vergnügen und nach der Befriedigung ihrer Selbstsucht trachten. Weil sie im Geist eins sind mit dem Herrn, werden sie auch eins sein mit ihm in der Tat. Die älteren Schüler unsrer Anstalten sollten eingedenk sein, daß es in ihrer Macht steht, die Angewohnheiten und Handlungen ihrer jüngeren Kameraden zu formen. Von dieser Möglichkeit sollten sie den besten Gebrauch machen. Mögen sie dazu entschlossen sein, daß durch ihren Einfluß keiner ihrer Mitschüler in die Hände des Feindes getrieben wird. RJ 263.4

Jesus wird allen ein Helfer sein, die ihr Vertrauen auf ihn setzen. Wer sich mit dem Heiland verbunden hat, wird glücklich sein. Die Gläubigen folgen willig auf dem Wege, den sie ihr Heiland führt. Um seinetwillen kreuzigen sie täglich “ihr Fleisch samt den Lüsten und Begierden”. Galater 5,24. Sie haben ihre Hoffnung auf Christus gegründet, und kein Sturm der Welt vermag sie von ihrem Fundament zu reißen. RJ 264.1