Leben und Wirken von Ellen G. White

68/288

Ein Gesicht vom himmlischen Heiligtum

In einer am Sabbat, den 3. April 1847, in dem Hause Bruder Stockbridge Howlands abgehaltenen Versammlung fühlten wir einen außerordentlichen Geist des Gebets. Als wir beteten, fiel der Heilige Geist auf uns. Wir waren sehr glücklich. Bald war ich allem Irdischen entrückt und war in ein Gesicht von der Herrlichkeit Gottes eingeschlossen. LW 111.3

Ich sah einen Engel schnell auf mich zufliegen. Er trug mich schnell von der Erde nach der heiligen Stadt. In der Stadt sah ich einen Tempel, den ich betrat. Ich durchschritt eine Tür, ehe ich zum ersten Vorhang kam. Dieser Vorhang wurde emporgehoben, und dann trat ich in das Heiligtum. Hier sah ich den Räucheraltar, den Leuchter mit den sieben Lampen und den Tisch, auf welchem das Schaubrot lag. Nachdem ich die Herrlichkeit des Heiligen geschaut hatte, hob Jesus den zweiten Vorhang empor, und ich betrat das Allerheiligste. LW 111.4

In dem Allerheiligsten sah ich eine Lade, die oben und an den Seiten von reinstem Golde war. An jedem Ende der Lade stand ein lieblicher Cherub, mit Flügeln über der Lade ausgebreitet. Ihre Gesichter waren sich zugewandt, und sie schauten nach unten. Zwischen den Engeln war ein goldenes Räucherfass. Über der Lade, wo die Engel standen, war eine außerordentlich glänzende Herrlichkeit, die wie ein Thron, wo Gott wohnt, aussah. Jesus stand an der Lade, und da die Gebete der Heiligen vor ihm aufstiegen, rauchte das Räucherwerk im Räucherfass, und er brachte ihre Gebete mit dem Rauch des Räucherwerks vor seinem Vater dar. LW 112.1

In der Lade war der goldene Krug mit dem Himmelsbrot, die Rute Aarons, die gegrünt hatte, und die Steintafeln, die wie ein Buch geöffnet und zusammengelegt werden konnten. Jesus öffnete sie, und ich sah die Zehn Gebote mit dem Finger Gottes darauf geschrieben. Auf einer Tafel standen vier, und auf der andern sechs geschrieben. Die vier auf der ersten Tafel glänzten heller als die andern sechs. Aber das vierte, das Sabbatgebot, erglänzte heller als sie alle; denn der Sabbat war beiseite gesetzt worden, um zur Ehre des heiligen Namens Gottes gefeiert zu werden. Der heilige Sabbat sah herrlich aus — er war ganz von einem Glorienschein umgeben. Ich sah, dass das Sabbatgebot nicht ans Kreuz geheftet war. Wenn so, dann waren es auch die andern neun Gebote, und wir wären dann frei, sie alle zu übertreten, wie wir das vierte übertreten. Ich sah, dass Gott den Sabbat nicht verändert hat; denn er verändert sich nie. Aber der Papst hat ihn vom siebenten auf den ersten Tag der Woche verlegt; denn er sollte ja Zeit und Gesetz ändern. LW 112.2

Und ich sah, dass, wenn Gott den Sabbat vom siebenten Tag auf den ersten Tag verlegt hätte, er die Abschrift des Sabbatgebotes auf den steinernen Tafeln, die jetzt in der Lade im Allerheiligsten des himmlischen Tempels sind, geändert haben würde. Sie würde jetzt lauten: “Am ersten Tag ist der Sabbat des Herrn, deines Gottes.” Aber ich sah, dass der Wortlaut derselbe war wie zur Zeit, da die Gebote Gottes von dem Finger Gottes auf steinerne Tafeln geschrieben und dem Mose auf dem Berge Sinai überreicht wurden, nämlich: “Aber am siebenten Tage ist der Sabbat des Herrn, deines Gottes.” Ich sah, dass der heilige Sabbat die Scheidewand zwischen dem wahren Israel Gottes und den Ungläubigen ist und sein wird, und dass der Sabbat die große Frage ist, welche die Herzen der lieben, harrenden Heiligen verbinden wird. LW 112.3

Ich sah, dass Gott Kinder hat, die den Sabbat nicht erkennen und halten. Sie haben das Licht betreffs desselben nicht verworfen. Und am Anfang der Zeit der Trübsal wurden wir mit dem Heiligen Geist erfüllt, da wir ausgingen und den Sabbat völliger verkündigten. Dies erfüllte die Kirchen und die nominellen Adventisten mit Wut, da sie die Sabbatwahrheit nicht widerlegen konnten. Und zu dieser Zeit sahen alle Erwählten Gottes deutlich, dass wir die Wahrheit haben, und sie traten aus und erlitten Verfolgungen mit uns. Ich sah im Lande das Schwert, Hungersnot, Pestilenz und große Verwirrung. Die Gottlosen dachten, wir hätten die Gerichte Gottes über sie gebracht, und sie erhoben sich und beratschlagten, uns von der Erde zu vertilgen, indem sie dachten, dass dann dem Übel gesteuert werde. LW 113.1

Zur Zeit der Trübsal flohen wir alle aus den Städten und Dörfern; aber wir wurden von den Gottlosen verfolgt, die mit einem Schwert die Häuser der Heiligen betraten. Sie erhoben das Schwert, um uns zu töten; aber es zerbrach und fiel machtlos wie ein Strohhalm zu Boden. Dann schrieen wir alle Tag und Nacht um Befreiung, und das Schreien kam vor Gott. LW 113.2

Die Sonne ging auf, und der Mond stand still. Die Ströme hörten auf zu fließen. Dunkle, schwere Wolken kamen herauf und stießen gegeneinander. Aber am Himmel war ein Fleck von beständiger Herrlichkeit zu sehen, aus dem die Stimme Gottes wie große Wasser ertönte und Himmel und Erde bewegte. Der Wolkenhimmel öffnete und schloss sich und war in Aufruhr. Die Berge erzitterten wie ein vom Winde bewegtes Rohr und warfen zackige Felsen nach allen Richtungen aus. Das Meer kochte wie aus einem Topfe und warf Steine aufs Land. LW 114.1

Und da Gott den Tag und die Stunde des Kommens Jesu ankündigte und seinem Volke den ewigen Bund übergab, sprach er einen Satz und hielt dann inne, während die Worte über die ganze Erde dahinrollten. Das Israel Gottes stand mit den Blicken nach oben gerichtet und lauschte den Worten, die aus dem Munde Jehovas kamen und wie der Schall des lautesten Donners durch die Erde rollten. Es war furchtbar feierlich. Und am Ende eines jedes Satzes riefen die Heiligen: “Gloria! Halleluja!” Ihre Angesichter waren von der Herrlichkeit Gottes erleuchtet; sie erglänzten von einer Herrlichkeit wie das Antlitz Mose, als er vom Berge Sinai herabkam. Die Gottlosen konnten sie wegen der Herrlichkeit nicht anschauen, und als der ewige Segensspruch über diejenigen ausgesprochen wurde, die Gott im Heilighalten seines Sabbats geehrt hatten, ertönte ein gewaltiger Siegesruf über das Tier und über sein Bild. LW 114.2

Dann fing das Halljahr an, da das Land ruhen sollte. Ich sah den frommen Sklaven sich im Triumphe und Siege erheben und die Ketten abstreifen, die ihn gebunden hatten, während sein gottloser Herr verwirrt war und nicht wusste, was er tun solle; denn die Gottlosen konnten die Worte der Stimme Gottes nicht verstehen. LW 114.3

Bald erschien die große weiße Wolke. Sie sah schöner aus als je zuvor. Auf ihr saß des Menschen Sohn. Zuerst sahen wir Jesum auf der Wolke nicht; aber als sie sich der Erde näherte, konnten wir seine liebliche Person erkennen. Diese Wolke, als sie zuerst erschien, war das Zeichen des Menschensohns am Himmel. LW 114.4

Die Stimme Gottes rief die schlafenden Heiligen hervor, bekleidet mit herrlicher Unsterblichkeit. Die lebenden Heiligen wurden in einem Augenblick verwandelt und mit ihnen in dem Wolkenwagen emporgerückt. Er war über und über mit Herrlichkeit bedeckt, als er aufwärts rollte. Zu beiden Seiten des Wagens waren Flügel und unter ihm Räder. Und als der Wagen aufwärts rollte, riefen die Räder: “Heilig!” und die Flügel riefen, als sie sich bewegten: “Heilig!” und das die Wolke umgebende Gefolge der heiligen Engel rief: “Heilig, heilig, heilig ist Gott der Herr, der Allmächtige!” Und die Heiligen in der Wolke riefen: “Gloria! Halleluja!” Und der Wagen rollte aufwärts nach der heiligen Stadt. Jesus öffnete die Pforten der goldenen Stadt und führte uns hinein. Hier wurden wir willkommen geheißen, denn wir hatten “die Gebote Gottes” gehalten und hatten ein Recht “an dem Holz des Lebens”. Offenbarung 14,12; 22,14. LW 115.1