Leben und Wirken von Ellen G. White

47/288

Kapitel 9: Gebetserhörungen

Im Frühjahr 1845 besuchte ich Topsham, Maine. Bei dieser Gelegenheit hatten sich eine Anzahl von uns in dem Hause des Bruders Stockbridge Howland versammelt. Seine älteste Tochter, Fräulein Frances Howland, eine sehr treue Freundin von mir, war am Gelenkrheumatismus erkrankt und befand sich in ärztlicher Behandlung. Ihre Hände waren so schlimm geschwollen, dass man die Glieder nicht unterscheiden konnte. Als wir beieinander saßen und ihren Fall besprachen, wurde Bruder Howland gefragt, ob er Glauben habe, dass seine Tochter durch Gebet geheilt werden könne. Er antwortete, er wolle versuchen, zu glauben, dass sie geheilt werden könne, und plötzlich erklärte er, dass er glaube, dass es möglich sei. LW 82.1

Wir knieten alle nieder zu ernstem Gebet zu Gott für die Schwester. Wir beanspruchten die Verheißung: “Bittet, so werdet ihr nehmen.” Der Segen Gottes begleitete unsere Gebete, und wir bekamen die Versicherung, dass Gott willig sei, die Kranke zu heilen. Einer der Brüder rief aus: “Ist eine Schwester hier, die den Glauben hat, zu ihr zu gehen und sie bei der Hand zu nehmen und ihr im Namen des Herrn zu gebieten, aufzustehen?” LW 82.2

Schwester Frances lag im Zimmer oben, und ehe er aufgehört hatte zu sprechen, war Schwester Curtis auf dem Wege nach der Treppe. Sie betrat des Krankenzimmer mit dem Geiste Gottes auf ihr ruhend und sagte, indem sie die Kranke bei der Hand nahm: “Schwester Frances, im Namen des Herrn stehe auf, und sei gesund.” Neues Leben schoss durch die Adern des kranken Mädchens, ein heiliger Glaube nahm von ihr Besitz, und dem Triebe gehorchend erhob sie sich von ihrem Bette, stand auf den Füßen und ging, Gott für ihre Heilung lobend, im Zimmer umher. Sie war bald angekleidet und kam in das Zimmer herunter, wo wir versammelt waren, ihr Angesicht von unaussprechlicher Freude und Dankbarkeit erhellt. LW 82.3

Am nächsten Morgen aß sie das Frühstück mit uns. Bald danach, als Ältester White bei der Familienandacht aus dem fünften Kapitel des Jakobus las, trat der Doktor in den Hausflur und ging wie gewöhnlich nach oben, um seine Patientin zu besuchen. Da er sie dort nicht vorfand, eilte er nach unten, und mit einem besorgten Blick öffnete er die Tür der großen Küche, wo wir alle saßen, einschließlich seiner Patientin. Erstaunt sah er sie an und rief zuletzt laut: “So, es geht Frances besser!” LW 83.1

Bruder Howland antwortete: “Der Herr hat sie geheilt”, und der Leser fuhr in dem Kapitel fort, wo er unterbrochen worden war: “Ist jemand krank, der rufe zu sich die Ältesten von der Gemeinde, und lasse sie über sich beten.” Jakobus 5,14. Der Doktor hörte mit einem sonderbaren Ausdruck von Wunder und Ungläubigkeit zu, nickte mit dem Kopfe und verließ dann eilig das Zimmer. LW 83.2

Am selben Tage fuhr Schwester Frances drei Meilen, am Abend nach Hause zurückkehrend, und obgleich es regnerisch war, erlitt sie keinerlei Schaden, und ihr Gesundheitszustand besserte sich schnell. In ein paar Tagen wurde sie auf ihren Wunsch hin ins Wasser geführt und getauft. Obgleich das Wetter und das Wasser sehr kalt waren, trug sie keinen Schaden davon, sondern war von jener Zeit an von ihrer Krankheit befreit und erfreute sich ihrer gewöhnlichen Gesundheit. LW 83.3

Zu dieser Zeit war Bruder Wm. H. Hyde schwer an der Ruhr erkrankt. Seine Symptome waren beunruhigend, und die Ärzte erklärten seinen Fallen für beinahe hoffnungslos. Wir besuchten ihn und beteten mit ihm, aber er war unter den Einfluss gewisser fanatischer Personen geraten, welche Schmach über unser Werk brachten. Wir wünschten, ihn aus ihrem Bereich zu bekommen und baten den Herrn, ihm Kraft zu geben, jenen Platz zu verlassen. In Erhörung unserer Gebete wurde er gestärkt und gesegnet, und er fuhr vier Meilen nach dem Hause des Bruders Patten; aber nachdem er dort angelangt war, schienen seine Kräfte rasch abzunehmen. Der Fanatismus und die Irrtümer, in welche er durch einen bösen Einfluss gefallen war, schienen ihn an der Ausübung seines Glaubens zu hindern; aber er nahm das einfache Zeugnis, das ihm gegeben wurde, dankbar an, bekannte demütig seinen Fehler und stellte sich fest auf die Seite der Wahrheit. LW 83.4

Nur einigen wenigen, die stark im Glauben waren, wurde gestattet, das Krankenzimmer zu betreten. Den fanatischen Personen, deren Einfluss über ihn so schädlich gewesen war, und die ihm hartnäckig bis nach Bruder Pattens Haus nachgefolgt waren, wurde ausdrücklich verboten, zu ihm zu gehen, während wir ernstlich um die Wiederherstellung seiner Gesundheit beteten. Ich habe selten solch ein Bestreben gesehen, die Verheißungen Gottes zu ergreifen. Das Heil des Heiligen Geistes wurde offenbart, und Kraft aus der Höhe ruhte auf unserm kranken Bruder und allen Anwesenden. LW 84.1

Bruder Hyde kleidete sich sofort an und ging aus dem Zimmer, Gott preisend und mit einem Angesichte, das von dem Lichte des Himmels erstrahlte. Ein ländliches Mittagessen war aufgetragen. Er sagte: “Wenn ich gesund wäre, würde ich von dieser Speise genießen, und da ich glaube, dass Gott mich geheilt hat, will ich meinen Glauben betätigen.” Er setzte sich mit den andern an den Tisch und aß kräftig, ohne üble Folgen zu verspüren. Seine Wiederherstellung war vollständig und dauernd. LW 84.2