Leben und Wirken von Ellen G. White

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Kapitel 4: Anfang meines öffentlichen Wirkens

Bis zu dieser Zeit hatte ich niemals öffentlich gebetet und nur ein paar schüchterne Worte in Gebetsversammlungen gesprochen. Ich bekam jetzt den starken Eindruck, dass ich in unseren kleinen Gebetsversammlungen Gott im Gebet suchen solle. Dies wagte ich aber nicht zu tun aus Furcht, verwirrt zu werden und meine Gedanken nicht ausdrücken zu können. Aber diese Pflicht wurde meinem Gemüt so eindrücklich vorgeführt, dass es mir, wenn ich im geheimen betete, wie ein Verspottung Gottes schien, weil ich es unterlassen hatte, seinem Willen nachzukommen. Verzweiflung überwältigte mich, und drei lange Wochen hindurch durchdrang sein Lichtstrahl das Dunkel, das mich umgab. LW 34.1

Mein Seelenleiden war sehr stark. Manchmal wagte ich es eine ganze Nacht hindurch nicht, meine Augen zu schließen, sondern wartete, bis meine Zwillingsschwester fest eingeschlafen war; dann verließ ich leise mein Bett, kniete auf dem Boden nieder und betete still in einem stummen Schmerz, der nicht beschrieben werden kann. Die Schrecken einer ewig brennenden Hölle waren immer vor mir. Ich wußte, dass es mir unmöglich sein werde, in diesem Zustande lange zu leben, und ich wagte es nicht, zu sterben und dem schrecklichen Schicksal des Sünders anheimzufallen. Mit welchem Neide betrachtete ich diejenigen, die sich ihrer Annahme bei Gott bewußt waren! Wie köstlich schien meiner schmerzgebeugten Seele die Hoffnung des Christen! LW 34.2

Häufig blieb ich fast die ganze Nacht im Gebet gebeugt, seufzend und zitternd in unaussprechlichem Herzensschmerz und in einer Hoffnungslosigkeit, die alle Beschreibung übersteigt. “Herr, erbarme dich meiner”, war meine Bitte; und wie der arme Zöllner, wagte ich nicht, meine Augen gen Himmel zu erheben, sondern beugte mein Angesicht auf den Boden. Ich wurde sehr mager und entkräftet, behielt aber mein Leiden und meine Verzweiflung für mich. LW 34.3