Erziehung
Kapitel 21: Zusammenhänge erkennen
“Herr, ich danke dir dafür,
daß du mich so wunderbar und einzigartig gemacht hast!”
Psalm 139,14.
Seele und Geist stehen in Wechselbeziehung zum Körper. Unsere geistige und geistliche Kraft hängt nicht unwesentlich davon ab, wie wir uns körperlich fühlen. Was der Gesunderhaltung dient, nützt deshalb zugleich der geistigen und charakterlichen Entwicklung. ERZ 203.1
Wir können unseren Verpflichtungen Gott und den Mitmenschen gegenüber am besten gerecht werden, wenn wir seelisch und körperlich gesund sind. Deshalb sollten wir auf den Körper nicht weniger achten als auf Seele und Geist. Zu einem ausgewogenen Erziehungsprogramm gehört daher auch die Gesundheitserziehung. Sie sollte damit beginnen, daß wir den Kindern ein Grundwissen über Körperfunktionen und Körperpflege vermitteln. ERZ 203.2
Wir wissen heutzutage sehr viel mehr über physiologische Zusammenhänge als die Menschen früherer Zeiten, doch leider kümmern sich nur wenige darum. Vielen sind sogar die einfachsten Regeln zur Gesunderhaltung gleichgültig. Selbst von denen, die mit den Gesundheitsgrundsätzen vertraut sind, halten sich nur wenige daran. Getan wird, wozu man Lust hat oder was einem gerade einfällt, ohne daran zu denken, daß unser Wohlergehen — nicht zuletzt das körperliche — davon abhängt, inwieweit wir uns an bestimmte Ordnungen und Regeln halten. ERZ 203.3
Junge Leute nehmen es in der Regel als selbstverständlich hin, daß sie gesund und leistungsfähig sind, ohne daran zu denken, daß es auch anders sein könnte. Diese übersprudelnde Lebenskraft ist ein Schatz, der gehütet werden sollte, denn sie ist oft wertvoller als Geld, Gut und Wissen. Doch wie leichtfertig gehen viele mit dieser Gabe um! Wie gedankenlos wird sie verschwendet! Immer wieder setzen Menschen bei der Jagd nach Wohlstand und Einfluß ihre Gesundheit aufs Spiel, ohne ihr Ziel zu erreichen. Und wenn ihnen gelingt, was sie sich vorgenommen hatten, sind sie oft am Ende ihrer Kraft und können ihren “Erfolg” nicht einmal genießen. Wer die biblischen Gesundheitsgrundsätze gewohnheitsmäßig mißachtet, muß sich nicht wundern, wenn es mit seinem Allgemeinbefinden nicht zum Besten steht. Unglücklicherweise wirkt sich das nicht nur auf das Leben in dieser Welt aus, sondern reicht weit darüber hinaus. ERZ 203.4
Junge Leute sollten so früh wie möglich verstehen lernen, wie wichtig körperliche Leistungsfähigkeit für den Erfolg im Leben ist, und wie man sie entwickelt und bewahrt. Die erste Lehrmeisterin wird in der Regel die Mutter sein, die ihre Kinder auf spielerische Weise mit den Grundregeln der gesunden Lebensweise und Hygiene vertraut macht. In der Schule kann später darauf aufgebaut werden. Soweit möglich, sollte mit Anschauungsmaterial gearbeitet werden. Der junge Mensch muß lernen, auf seinen Körper zu achten und dessen Funktionen zu verstehen. Ihm muß klar gemacht werden, daß Vorbeugen besser ist als Heilen, und er muß wissen, was man vorbeugend tun kann. Schließlich muß er erfahren, wie er mit Krankheit oder Unfällen umgeht, denn früher oder später wird jeder Mensch auch damit konfrontiert. ERZ 204.1
Bestimmte Gesichtspunkte werden in der Gesundheitserziehung an den meisten Schulen kaum oder gar nicht behandelt. Dabei sind sie für die Schüler mindestens genauso wichtig wie manches Fachwissen. Grundsätzlich gilt, daß die Naturgesetze — dazu gehören auch die Grundregeln der gesunden Lebensweise im weitesten Sinne — von Gott gegeben sind. Sie sind für unser Leben nicht weniger wichtig als die Zehn Gebote. Deshalb hat er die Gesetzmäßigkeiten, die das komplizierte Zusammenspiel im menschlichen Körper regeln, in jede einzelne Zelle geschrieben. Wer diese Ordnungen mißachtet, sei es fahrlässig oder bewußt, schadet sich nicht nur selbst, sondern versündigt sich auch an Gott. Dieses Wissen sollte unser Verhalten in Sachen Gesunderhaltung stärker bestimmen, als das gemeinhin der Fall ist, ob es sich nun um gesunde Ernährung, körperliche Betätigung, Kinderpflege oder Krankenbehandlung handelt. ERZ 204.2
Wichtig ist, sich immer wieder bewußt zu machen, wie sehr der Geist den Körper beeinflußt, und wie sich umgekehrt die körperliche Verfassung auf Geist und Seele auswirkt. Geistige Aktivitäten regen über die Nervenbahnen eine Reihe von Körperfunktionen an, die ihrerseits dafür sorgen, daß die natürlichen Abwehrkräfte gestärkt werden. Im übrigen weiß man heute, daß Willenskraft und Selbstbeherrschung bei der Erhaltung und Wiederherstellung der Gesundheit eine große Rolle spielen. Ärger, Unzufriedenheit, Egoismus und Unmoral wirken sich krankmachend und zerstörerisch aus, während von Fröhlichkeit, Selbstlosigkeit und Dankbarkeit eine wunderbar lebenspendende Kraft ausgeht. Deshalb heißt es in der Bibel: “Fröhlichkeit ist gut für die Gesundheit, Mutlosigkeit raubt einem die letzte Kraft.”1 ERZ 205.1
“Mein Sohn, hör gut zu, und paß auf, was ich dir sage! Verachte meine Worte nicht, sondern präge sie dir fest ein! Sie geben dir ein erfülltes Leben und erhalten dich gesund. Was ich dir jetzt rate, ist wichtiger als alles andere: Achte auf deine Gedanken und Gefühle, denn sie beeinflussen dein ganzes Leben!”2 “Freundliche Worte sind wie Honig: süß für den Gaumen und gesund für den ganzen Körper.”3 ERZ 205.2
Gerade für junge Leute ist es wichtig, daß sie die Wahrheit verstehen, die der biblischen Aussage zugrunde liegt, daß bei Gott “die Quelle des Lebens” ist.4 Er ist nicht nur der Urheber des Lebens, sondern die Lebenskraft, die in allem Lebendigen wirkt. Es ist Leben von ihm, das wir empfangen: im Sonnenschein, in der Luft zum Atmen oder in der Nahrung, die unserem Körper Kraft gibt. Würde Gott uns seine lebenspendende Kraft entziehen, könnten wir keinen Augenblick weiterleben. All seine Gaben dienen uns zum Leben, zur Gesundheit und zur Freude -jedenfalls so lange, wie sie nicht durch die Sünde ins Gegenteil verkehrt werden. ERZ 205.3
“Er hat für alles eine Zeit vorherbestimmt, in der er es tut; und alles, was er tut, ist vollkommen.”1 Das, was Gott durch seine vollkommenen Ordnungen im Leben seiner Geschöpfe bewirken will, kann sich freilich nur dort entfalten, wo man Gottes Weisungen ernst nimmt. ERZ 206.1
Wenn es gelingt, jungen Leuten den Blick für das Wunderwerk des menschlichen Körpers zu öffnen, wird ihr Interesse an einer gesunden Lebensweise wachsen, und im Laufe der Zeit werden sich bei ihnen mehr und mehr gute Gewohnheiten herausbilden. ERZ 206.2
Ein wichtiges Kapitel in Sachen Gesundheitserziehung ist die Körperhaltung, sowohl beim Sitzen als auch beim Stehen und Gehen. Gott hat den Menschen als aufrecht gehendes Wesen geschaffen, und er möchte, daß wir dieses Vorrecht nutzen, da es sich nicht nur körperlich positiv auswirkt, sondern auch geistig-seelisch. Eine aufrechte Körperhaltung trägt wesentlich zur Gesunderhaltung bei und spiegelt zugleich Anmut, Würde und Selbstbewußtsein wider. Das müssen Kinder natürlich erst lernen, und das wird um so leichter sein, je mehr ihnen Eltern und Erzieher darin Vorbild sind. ERZ 206.3
Nicht weniger wichtig sind richtiges Atmen und Stimmbildung. Wer sich um eine gute Körperhaltung bemüht, atmet automatisch besser als jemand, der sich in dieser Beziehung gehen läßt. Dennoch sollten unsere Kinder auch von der Theorie her wissen, warum tiefes Ein- und Ausatmen gesundheitsfördernd ist. Richtiges Atmen stärkt die Lungen, verbessert über den Blutkreislauf die Sauerstoffversorgung der Organe, macht Appetit, regt die Verdauung an und sorgt unter anderem für einen tiefen, gesunden Schlaf. Das alles hält Leib, Seele und Geist frisch und leistungsfähig. Deshalb sollten Lehrer mit ihren Schülern so oft wie möglich Atemübungen machen — etwa im Sportunterricht oder auch bei anderen Gelegenheiten — bis ihnen richtiges Atmen in Fleisch und Blut übergegangen ist. ERZ 206.4
Auch Stimmbildung kräftigt die Atmungsorgane und schützt so vor bestimmten Krankheiten. Sprechen und richtiges Atmen sind eng miteinander verbunden, ja, sie bedingen einander geradezu. Beim richtigen Atmen ist die Bauchmuskulatur stark beteiligt. Sie sorgt gemeinsam mit der aufrechten Haltung für eine entsprechende Luftsäule und die nötigen Resonanzräume, die richtiges und müheloses Sprechen erst möglich machen. Wer beim Sprechen oder Vorlesen falsch atmet, überfordert dadurch seine Stimmwerkzeuge. Das kann zu schweren Beeinträchtigungen führen. Stimmbildung beugt solchen Gefahren vor, weil dabei richtiges Atmen und gut artikuliertes Sprechen systematisch geübt wird. Das wirkt sich nicht nur auf die Gesundheit des Schülers positiv aus, sondern auch auf seine Leistungsfähigkeit ganz allgemein. ERZ 206.5
In diesem Zusammenhang sollte mit jungen Leuten auch darüber gesprochen werden, welche Rolle die Kleidung bei der Gesunderhaltung spielt. Es dient nicht der Gesundheit, wenn sich der Mensch modebedingt in Kleidungsstücke zwängt, die den Körper einengen, die Atmung behindern und den inneren Organen die Arbeit erschweren.1 Es gibt heutzutage eine Menge Möglichkeiten, sich durch Modetorheiten die Gesundheit zu ruinieren. Wir sollten uns so kleiden, daß alle Glieder und Organe genügend Bewegungsfreiheit haben. Das erhält nicht nur gesund, sondern fördert auch das Wohlbefinden und die geistige Leistungsfähigkeit. ERZ 207.1
Vergeßt auch nicht, mit euren Kindern oder Schülern über Fragen der Hygiene zu sprechen. Sie sollten sich daran gewöhnen, ihren Körper und ihren Lebensraum sauber zu halten. Dazu gehört tägliche Körperpflege und das gute Durchlüften der Wohn- und Schlafräume. Ein Bad hält beispielsweise nicht nur den Körper sauber, sondern tut auch der Seele gut und stärkt die geistigen Fähigkeiten. Eine saubere Küche, bekömmliche Nahrung und ein liebevoll gedeckter Tisch sind allemal mehr wert als teures und kostbares Mobiliar, mit dem nur Eindruck geschunden werden soll. Jesus hat einmal gesagt: “Leben bedeutet mehr als Essen und Trinken, und der Mensch ist wichtiger als das, was er anzieht.”2 Das dürfte auch heute noch zutreffen. ERZ 207.2
Gesundheitserziehung sollte sich allerdings nicht in theoretischen Erörterungen verlieren, sondern den Impuls wecken, die gewonnenen Erkenntnisse in die Tat umzusetzen. Über gesunde Lebensweise nur zu reden, bringt nichts; gesund leben — das ist es! ERZ 208.1
Welche Bedeutung Gott unserer körperlichen Verfassung beimißt und welche Verantwortung wir dafür tragen, zeigt folgendes Bibelwort: “Wißt ihr denn nicht, daß euer Körper der Tempel des heiligen Geistes ist? Gott hat euch seinen Geist gegeben, der jetzt in euch wohnt. Darum gehört ihr nicht mehr euch selbst. Gott hat euch als sein Eigentum erworben. Macht ihm also Ehre durch die Art, wie ihr mit eurem Körper umgeht.”1 ERZ 208.2
Gerade junge Menschen müssen begreifen lernen, daß Gott in ihnen wohnen und Einfluß ausüben möchte. Das muß man nicht nur wissen, sondern auch wollen und dafür die richtigen Voraussetzungen schaffen, indem man sich innerlich rein erhält. ERZ 208.3
Wenn der Mensch im Blick auf sich selbst erkennt, wie “wunderbar und einzigartig” Gott ihn geschaffen hat, wird er auch ehrfürchtig und verantwortungsbewußt mit seinem Körper umgehen. Er wird Gottes Werk nicht gleichgültig oder fahrlässig beschädigen, sondern bemüht sich darum, soweit es in seinen Kräften steht, daß in Erfüllung gehen kann, was Gott mit ihm vorhat. Gesundheitsbewußtes Verhalten wird ihm dann nicht als Opfer und Selbstkasteiung erscheinen, sondern als Gnade und Segen. ERZ 208.4