Frühe Schriften von Ellen G. White

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Kapitel 22: William Miller1

Gott sandte seinen Engel, um auf das Herz eines Farmers einzuwirken, die Prophezeiungen zu erforschen. Dieser Farmer hatte früher nicht an die Bibel geglaubt. Engel Gottes besuchten diesen Auserwählten zu wiederholten Malen, um seine Gedanken zu leiten und seinem Verstand Prophezeiungen zu eröffnen, die dem Volk Gottes bis dahin dunkel gewesen waren. Das erste Glied der Kette der Wahrheit wurde ihm gegeben. Er wurde angeleitet, Glied nach Glied zu suchen, bis er voller Bewunderung auf das Wort Gottes blickte: Vor sich sah er eine vollkommene Kette der Wahrheit. Das Wort, das er als nicht inspiriert angesehen hatte, eröffnete sich ihm jetzt in all seiner Schönheit und Herrlichkeit. Er sah, daß eine Bibelstelle die andere erklärt. Wenn eine Stelle seinem Verständnis verschlossen war, fand er sie in einem anderen Teil der Bibel erklärt. Er nahm das heilige Wort Gottes mit Freuden und größter Achtung und Ehrfurcht an. FS 214.4

Als er die Prophezeiungen studierte, fand er heraus, daß die Bewohner der Erde in den Schlußszenen der Weltgeschichte lebten, es aber nicht wußten. Er blickte auf die Kirchen und sah, daß sie verderbt waren. Sie hatten ihre Liebe Jesus entzogen und der Welt zugewandt; sie trachteten nach weltlicher Ehre anstatt nach der Ehre, die von oben kommt. Sie sammelten sich irdische Schätze, anstatt sich einen Schatz im Himmel anzu-legen. Überall konnte er Heuchelei, Finsternis und Tod sehen. Sein Geist wurde aufgerüttelt. Gott berief ihn, seine Farm aufzugeben, wie er Elisa berufen hatte, seine Ochsen und seinen Acker zu verlassen und Elia nachzufolgen. Mit Zittern fing William Miller an, vor den Menschen die Geheimnisse des Reiches Gottes zu entfalten, indem er seine Zuhörer durch die Prophezeiungen hindurch bis zur Wiederkunft Christi führte. Mit jeder Anstrengung nahm er an Kraft zu. Wie Johannes der Täufer das erste Kommen Christi ankündigte und ihm den Weg bereitete, so verkündigten William Miller und seine Mitstreiter die Wiederkunft des Sohnes Gottes. FS 215.1

Ich wurde zurückversetzt in die Zeit der Apostel. Es wurde mir gezeigt, daß Gott für den Lieblingsjünger Johannes ein besonderes Werk hatte, das er tun sollte. Satan war entschlossen, dieses Werk zu verhindern. Er bewog seine Diener dazu, Johannes aus dem Weg zu schaffen. Gott sandte aber seinen Engel und beschützte ihn auf wunderbare Weise. Alle, die Zeugen der großen Kraft Gottes bei der Befreiung des Johannes wurden, waren verwundert. Viele wurden überzeugt, daß Gott mit ihm war und das Zeugnis, das er von Jesus verkündigte, wahr sei. Jene, die versucht hatten, ihn umzubringen, fürchteten sich, einen zweiten Versuch zu wagen, sein Leben anzutasten. Er durfte weiterhin für den Herrn leiden. Er wurde von seinen Feinden fälschlich angeklagt und kurzerhand auf eine einsame Insel verbannt. Dorthin sandte ihm der Herr seinen Engel, um ihm Ereignisse, die auf Erden stattfinden sollten, zu offenbaren, nämlich den Zustand und die Entwicklung der Gemeinde bis zum Ende, ihr Abweichen und den Standpunkt, den sie einnehmen müßte, wenn sie Gott gefallen und am Ende überwinden wollte. FS 215.2

Der Engel vom Himmel, dessen Antlitz die außerordentliche Herrlichkeit Gottes widerstrahlte, kam in Majestät zu Johannes und offenbarte ihm Dinge, die für die Geschichte der Gemeinde Gottes von tiefem und größtem Interesse sind. Er führte ihm die gefährlichen Kämpfe vor, die die Nachfolger Christi erdulden müßten. Johannes sah, wie sie durch heftige Prüfungen hindurch mußten, durch die sie erprobt wurden. Ihre Kleider wurden durch sie weiß gemacht. Schließlich gingen sie als siegreiche Überwinder hervor und wurden auf herrliche Weise für das Reich Gottes errettet. Das Antlitz des Engels strahlte vor Freude und war außerordentlich schön, als er Johannes den endgültigen Sieg der Gemeinde Gottes zeigte. Als der Apostel die endgültige Befreiung der Gemeinde sah, wurde er von der Herrlichkeit der Szene überwältigt. Mit großer Ehrerbietung und Ehrfurcht fiel er zu den Füßen des Engels nieder, um ihn anzubeten. Der himmlische Bote hob ihn jedoch sofort auf, wies ihn sanft zurecht und sagte: “Tu es nicht! Ich bin dein und deiner Brüder Mitknecht, die das Zeugnis Jesu haben. Bete Gott an! Das Zeugnis Jesu aber ist der Geist der Weissagung.” Offenbarung 19,10. Dann zeigte der Engel dem Johannes die himmlische Stadt mit all ihrer Herrlichkeit und blendenden Schönheit, worauf er hingerissen und überwältigt wiederum zu den Füßen des Engels niederfiel, um ihn anzubeten, weil er die vorherige Zurechtweisung durch den Engel vergessen hatte. Wieder kam der sanfte Tadel: “Tu es nicht! Denn ich bin dein Mitknecht und der Mitknecht deiner Brüder, der Propheten, und derer, die bewahren die Worte dieses Buches. Bete Gott an!” Offenbarung 22,9. FS 216.1

Prediger und Volk haben die Offenbarung als ein geheimnisvolles und weniger wichtiges Buch als die anderen Teile der Heiligen Schrift angesehen. Ich sah aber, daß dieses Buch tatsächlich eine Offenbarung ist, zum besonderen Nutzen für die, die in den letzten Tagen leben würden. Es sollte die Menschen dahin leiten, ihre wahre Stellung und ihre Pflicht zu erkennen. Gott lenkte die Gedanken William Millers auf die Prophezeiungen und gab ihm großes Licht über das Buch der Offenbarung. FS 217.1

Wenn Daniels Visionen verstanden worden wären, hätten die Leute auch die Visionen des Johannes besser verstanden. Aber zur rechten Zeit wirkte Gott auf seinen auserwählten Diener ein, der mit Klarheit und in der Kraft des Heiligen Geistes die Prophezeiungen auslegte und die Harmonie der Visionen von Daniel und Johannes sowie anderer Teile der Bibel aufzeigte. Er wollte dem Volk die heiligen, furchtbaren Warnungen des Wortes ins Herz einprägen, damit es sich auf das Kommen des Menschensohns vorbereite. Auf allen, die ihn hörten, ruhte die tiefe und ernste Überzeugung ihrer Schuld. Prediger und Volk, Sünder und Ungläubige bekehrten sich zu Gott und wollten sich vorbereiten, um im Gericht bestehen zu können. FS 217.2

Engel Gottes begleiteten William Miller in seiner Mission. Er war fest und unerschrocken und verkündigte ohne Furcht die ihm anvertraute Botschaft. Eine Welt, die sich in Bosheit befand, und eine kalte, weltliche Kirche genügten, um alle seine Kräfte zu wecken und ihn zu veranlassen, Arbeit, Entbehrung und Leiden willig zu ertragen. Obgleich ihm sowohl von bekenntlichen Christen als auch von der Welt Widerstand geleistet und er von Satan und seinen Engeln bekämpft wurde, hörte er nicht auf, das ewige Evangelium überall, wo er eingeladen wurde, zu verkündigen. Weit und breit ließ man den Ruf ertönen: “Fürchtet Gott und gebt ihm die Ehre; denn die Zeit seines Gerichts ist gekommen!” Offenbarung 14,7. FS 217.3