Frühe Schriften von Ellen G. White

92/115

Kapitel 37: Die Befreiung der Heiligen

Es war Mitternacht, als es Gott gefiel, sein Volk zu befreien. Während die Gottlosen sie mit Spott umgaben, kam plötzlich die Sonne hervor und schien in ihrer vollen Kraft. Der Mond stand still. Die Gottlosen blickten voller Verwunderung auf die Szene, während die Heiligen mit feierlicher Freude die Zeichen ihrer Befreiung beobachteten. Zeichen und Wunder folgten schnell aufeinander. Die natürliche Ordnung schien völlig aufgehoben zu sein. Die Ströme hörten auf zu fließen. Dunkle, schwere Wolken stiegen am Himmel auf und stießen gegeneinander. Doch es gab eine klar erkennbare Stelle beständiger Herrlichkeit, von wo her die Stimme Gottes gleich vielen Wassern kam und Himmel und Erde erschütterte. Es gab ein mächtiges Erdbeben. Die Gräber öffneten sich, und die Menschen, die unter der dritten Engelsbotschaft im Glauben gestorben waren und den Sabbat gehalten hatten, kamen verherrlicht aus ihren Gräbern hervor, um den Friedensbund zu vernehmen, den Gott nun mit denen machte, die sein Gesetz gehalten hatten. FS 272.2

Der Himmel öffnete und schloß sich wieder und war in Bewegung. Die Berge schwankten wie ein Rohr im Wind und schleuderten geborstene Felsen umher. Das Meer kochte wie ein Topf und warf Steine an Land. Als Gott den Tag und die Stunde des Kommens Jesu ankündigte und mit seinem Volk den ewigen Bund machte, sprach er einen Satz, dann hielt er inne, während die Worte über die Erde dahinrollten. Das Israel Gottes stand mit aufwärts gerichteten Augen und lauschte den Worten, die aus dem Munde Jahwes kamen und wie lauteste Donnerschläge über die Erde hallten. Es war feierlich und erhaben. Am Ende eines jeden Satzes riefen die Heiligen aus: “Ehre! Halleluja!” Ihre Angesichter waren von der Herrlichkeit Gottes erleuchtet. Sie strahlten vor Herrlichkeit wie das Antlitz Moses, als er vom Sinai herabkam. Die Gottlosen konnten sie wegen dieser Herrlichkeit nicht ansehen. Und als der nie endende Segen über die ausgesprochen wurde, die Gott geehrt hatten, indem sie seinen Sabbat hielten, ertönte ein lauter Siegesruf über das Tier und sein Bild. FS 272.3

Dann fing das Jubeljahr an, in dem das Land ruhen sollte. Ich sah den frommen Sklaven sich siegreich erheben und die Ketten, die ihn gebunden hielten, von sich werfen, während sein gottloser Herr verwirrt war und nicht ein noch aus wußte, denn die Gottlosen konnten die Worte der Stimme Gottes nicht verstehen. FS 273.1

Bald erschien die große, weiße Wolke, auf der des Menschen Sohn saß. Als sie zuerst in weiter Ferne erschien, sah diese Wolke sehr klein aus. Der Engel sagte, daß sie das Zeichen des Menschensohnes sei. Als sie sich der Erde näherte, konnten wir die außerordentliche Herrlichkeit und Majestät Jesu auf seinem Siegeszug sehen. Ein Gefolge heiliger Engel mit glänzenden Kronen auf den Häuptern begleitete ihn auf seinem Weg. Keine Sprache kann die Herrlichkeit dieser Szene beschreiben. Die lebendige Wolke voll Majestät und unübertroffener Herrlichkeit kam näher, und wir konnten die holde Gestalt Jesu deutlich sehen. Er trug keine Dornenkrone, sondern eine Krone der Herrlichkeit ruhte auf seinem heiligen Haupt. Auf seinem Gewand und seiner Hüfte stand ein Name geschrieben: König der Könige und Herr der Herren. Sein Antlitz leuchtete wie die Mittagssonne, seine Augen waren wie Feuerflammen und seine Füße wie glänzendes Erz. Seine Stimme klang wie viele Musikinstrumente. Die Erde erzitterte vor ihm, die Himmel entwichen wie ein zusammengerolltes Buch, und jeder Berg und jede Insel wurden bewegt aus ihren Örtern. “Und die Könige auf Erden und die Großen und die Obersten und die Reichen und die Gewaltigen und alle Sklaven und alle Freien verbargen sich in den Klüften und Felsen der Berge und sprachen zu den Bergen und Felsen: Fallt über uns und verbergt uns vor dem Angesicht dessen, der auf dem Thron sitzt, und vor dem Zorn des Lammes! Denn es ist gekommen der große Tag ihres Zorns, und wer kann bestehen?” Offenbarung 6,15-17. Jene, die noch vor kurzem die treuen Kinder Gottes vernichten wollten, wurden nun Zeugen der Herrlichkeit Gottes, die auf diesen ruhte. Und inmitten all ihres Schreckens vernahmen sie die Stimmen der Heiligen, die in freudigem Jubel sprachen: “Siehe, das ist unser Gott, auf den wir hofften, daß er uns helfe.” Jesaja 25,9. FS 273.2

Die Erde erbebte heftig, als die Stimme des Sohnes Gottes die schlafenden Heiligen hervorrief. Sie folgten dem Ruf und kamen hervor, angetan mit herrlicher Unsterblichkeit, und riefen: “Sieg, Sieg über Tod und Grab! O Tod, wo ist dein Stachel? O Grab, wo ist dein Sieg?” 1.Korinther 15,55. Dann erhoben die lebenden und die auferweckten Heiligen ihre Stimmen zu einem langen, weithin hallenden Siegesruf. Jene Körper, die mit den Zeichen der Krankheit und des Todes ins Grab gesunken waren, kamen hervor in unsterblicher Gesundheit und Kraft. Die lebenden Heiligen werden in einem Augenblick verwandelt und mit den Auferstandenen gemeinsam dem Herrn entgegengerückt in die Luft, um ihm dort zu begegnen. Welch ein herrliches Zusammentreffen! Freunde, die der Tod getrennt hatte, wurden vereint, um nie wieder geschieden zu werden. FS 274.1

An beiden Seiten des Wolkenwagens waren Flügel. Darunter waren lebendige Räder. Als der Wagen aufwärts fuhr, riefen die Räder: “Heilig!” und die Flügel riefen, während sie sich bewegten: “Heilig!” und das Gefolge heiliger Engel, das die Wolke umgab, rief: “Heilig, heilig, heilig, Gott der Herr, der Allmächtige!” Offenbarung 4,8. Dann riefen die Heiligen in der Wolke: “Ehre! Halleluja!” und der Wagen fuhr aufwärts zur heiligen Stadt. Ehe sie die Stadt betraten, wurden die Heiligen in einer vollkommen quadratischen Formation aufgestellt, mit Jesus in ihrer Mitte. Er überragte mit Kopf und Schultern die Heiligen und die Engel. Seine majestätische Gestalt und sein liebliches Angesicht konnten von allen in dem Quadrat gesehen werden. FS 275.1