Auf den Spuren des großen Arztes

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Kapitel 6: Gerettet, um zu dienen

Es geschah eines Morgens am See Genezareth. Jesus und seine Jünger hatten nach einer stürmischen Nacht auf dem Wasser das Ufer erreicht; die Strahlen der aufgehenden Sonne berührten den See und das Land wie eine Verheißung des Friedens. Aber als sie am Ufer aus dem Boot steigen, empfängt sie ein Anblick, der schlimmer ist als der sturmgepeitschte See in der Nacht. SGA 64.1

Aus einem Versteck zwischen den Gräbern stürzen zwei Besessene auf sie zu, als ob sie sie in Stücke reißen wollten. An diesen Männern hängen noch Teile der Ketten, die sie zerrissen haben, als sie aus dem Gefängnis geflohen sind. Ihre aufgerissene Haut blutet, ihre Augen starren zwischen langen und zottigen Haaren hindurch; sie weisen nicht mehr die geringste Ähnlichkeit mit menschlichen Wesen auf, sehen wilden Tieren ähnlicher als Menschen. SGA 64.2

Die Jünger und ihre Begleiter fliehen entsetzt; aber dann bemerken sie, daß Jesus nicht mehr bei ihnen ist, und wenden sich nach ihm um: Er steht weiterhin dort, von wo sie weggelaufen sind. Er, der den Sturm bändigte, der zuvor Satan begegnet war und ihn besiegt hatte, flieht nun auch nicht vor diesen Dämonen. Als die Besessenen zähneknirschend und mit Schaum vor dem Mund auf ihn zustürzen, hebt Jesus die Hand, die den Wellen Ruhe befohlen hatte — und die Männer können nicht näher kommen. Sie stehen vor ihm, wutschnaubend, aber machtlos. SGA 64.3

Voller Autorität gebietet er nun den unreinen Geistern, aus den Männern auszufahren. Die Unglücklichen erkennen, daß ihnen hier einer nahe ist, der sie von den quälenden Geistern befreien kann. Sie fallen dem Heiland zu Füßen, um ihn um Gnade anzuflehen — aber als sie ihren Mund öffnen, reden die Dämonen aus ihnen und schreien: “Was willst du von uns, du Sohn Gottes? Bist du hergekommen, uns zu quälen, ehe es Zeit ist?” Matthäus 8,29. Doch Jesus befiehlt den Dämonen, ihre Opfer zu verlassen, und sofort geschieht mit den Besessenen eine wunderbare Verwandlung. Ihr Denken gewinnt wieder Vernunft, ihre Augen drücken wieder Verständigkeit aus. Die Gesichtszüge, die so lange unter dem Einfluß Satans verzerrt waren, werden plötzlich sanftmütig, die blutbefleckten Hände finden Ruhe, und die Männer beginnen, Gott zu loben. SGA 64.4

Inzwischen sind die Dämonen, nachdem sie aus ihren menschlichen Behausungen vertrieben wurden, in eine Herde Schweine gefahren und haben diese einen Uferabhang hinunter in den Tod gestürzt. Die Hüter der Herde laufen entsetzt davon, um dieses Ereignis weiterzuerzählen; da strömt die ganze Bevölkerung zusammen, um Jesus zu sehen. Waren doch die zwei Besessenen der Schrecken des ganzen Landstrichs gewesen; nun sind diese Männer vernünftig gekleidet und wieder ganz bei Sinnen. Sie sitzen zu Füßen Jesu, hören seinen Worten zu und rühmen den Namen dessen, der sie gesund gemacht hat. Aber die Menschenmenge, die diese wunderbare Szene erlebt, freut sich zunächst gar nicht. Der Verlust der Schweine erscheint ihnen nämlich gewichtiger als die Befreiung dieser Gefangenen Satans. Voller Schrecken drängen sie sich um Jesus und bitten ihn, er möge doch ihre Gegend verlassen. Er erfüllt diese Bitte und steigt sofort in ein Schiff, um zum gegenüberliegenden Ufer zu fahren. SGA 65.1

Ganz anders ist es um das Empfinden der beiden Geheilten bestellt. Sie möchten auf jeden Fall bei ihrem Befreier bleiben; in seiner Gegenwart fühlen sie sich sicher vor den Dämonen, die sie gequält und vieler guter Lebensjahre beraubt haben. Als Jesus im Begriff ist, in das Schiff zu steigen, bleiben sie dicht an seiner Seite, ja knien vor ihm nieder und flehen darum, bei ihm bleiben zu dürfen, um weiter seinen Worten lauschen zu können. Jesus aber fordert sie auf, in ihre Heimat zurückzukehren und zu erzählen, was der Herr Großes an ihnen getan hat. SGA 65.2

Das also ist es, was sie tun sollen — in einer heidnischen Heimat von den Segnungen berichten, die sie durch Jesus erfahren haben. Es fällt ihnen schwer, sich von ihrem Heiland zu trennen. Vom Zusammentreffen mit ihren heidnischen Landsleuten haben sie nur Schwierigkeiten zu erwarten. Außerdem macht sie die lange Zeit, die sie außerhalb menschlicher Gesellschaft verbracht haben, nicht gerade fähiger für diese Aufgabe. Doch als Jesus ihnen ihre Pflicht vor Augen führt, gehorchen sie bereitwillig. SGA 65.3

So berichteten sie nicht nur ihren eigenen Familien und Nachbarn von Jesus, sondern gingen auch durch das ganze Zehn-StädteLand; überall bezeugten sie seine Rettermacht und verkündeten, wie er sie von den Dämonen befreit hatte. SGA 66.1

Obwohl die Gerasener zunächst nichts von Jesu Lehre wissen wollten, überließ er sie nicht der Dunkelheit, die sie sich erwählt hatten. Denn als sie ihn baten, ihre Gegend wieder zu verlassen, hatten sie seine Botschaft noch nicht gehört; sie wußten also gar nicht, was sie da zurückwiesen. Deshalb sandte er ihnen das Licht auf andere Weise, und zwar durch jene, denen sie bereitwilliger zuhören würden. SGA 66.2

Satan vernichtete die Schweine, um damit die Bevölkerung gegen den Heiland aufzubringen und die Verkündigung der frohen Botschaft in dieser Gegend zu verhindern. Aber andererseits weckte gerade dieses Ereignis diese Region in einer Weise auf, wie es kein anderer Vorfall hätte bewirken können, und lenkte so die Aufmerksamkeit aller auf Christus. Der Heiland selbst ging weg, aber die von ihm geheilten Männer blieben als Zeugen seiner Macht zurück. Diese ehemaligen Werkzeuge des Fürsten der Finsternis wurden zu Trägern des Lichts, zu Botschaftern des Sohnes Gottes. Als Jesus später in das Zehn-Städte-Land zurückkehrte, scharten sich die Menschen um ihn, und drei Tage lang hörten Tausende aus allen umliegenden Gegenden die Botschaft der Erlösung. SGA 66.3

Die zwei Geheilten waren die ersten Missionare, die Christus zur Verbreitung des Evangeliums in die Zehn-Städte-Region aussandte. Nur kurze Zeit hatten diese Männer seinen Worten gelauscht; vor diesem Zusammentreffen mit Jesus war ihnen nicht eine einzige Predigt von ihm zu Ohren gekommen. Deshalb konnten sie die Menschen nicht so unterrichten wie die Jünger, die tagein, tagaus mit Jesus zusammen waren. Aber sie konnten erzählen, was sie wußten, was sie selbst von der Macht des Heilands gesehen, gehört und gespürt hatten. Und das ist es, was jeder tun kann, dessen Herz von der Gnade Gottes angerührt worden ist. Das ist das Zeugnis, zu dem unser Herr aufruft — und an dessen Mangel die Welt zugrunde zu gehen droht. SGA 66.4

Nicht als eine leblose Theorie soll das Evangelium vermittelt werden, sondern als eine lebendige Kraft, die das Leben verändert. Gott will durch das Zeugnis seiner Diener deutlich machen, daß Menschen durch seine Gnade einen christusähnlichen Charakter erhalten und sich der Gewißheit seiner großen Liebe erfreuen können. Er kann erst zufrieden sein, wenn alle, die die Erlösung annehmen möchten, zurückgewonnen und wieder in ihre heiligen Vorrechte als seine Söhne und Töchter eingesetzt sind. SGA 67.1

Sogar jene, deren Lebensweise ihn in höchstem Maße beleidigt hat, nimmt er gern wieder an. Wenn sie bereuen, gibt er ihnen von seinem göttlichen Geist und sendet sie dann ins Lager der Ungläubigen, um dort seine Gnade zu verkünden. Auch heute noch werden Seelen, die zu Werkzeugen Satans erniedrigt worden sind, durch die Macht Christi in Botschafter der Gerechtigkeit verwandelt und ausgesandt zu erzählen, was für große Dinge der Herr für sie getan und wie er sich ihrer erbarmt hat. SGA 67.2