Auf den Spuren des großen Arztes

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Kapitel 4: Die Berührung des Glaubens

“Könnte ich nur sein Gewand berühren, so würde ich gesund.” Matthäus 9,21. Es war eine arme Frau, die diese Worte aussprach — eine Frau, die zwölf Jahre lang an einer Krankheit litt, die ihr das Leben zur Last machte. Ihren ganzen Besitz hatte sie inzwischen für Ärzte und Arzneien verbraucht — nur, um schließlich zu erfahren, daß sie unheilbar sei. Als sie aber von dem Großen Arzt hörte, erwachte die Hoffnung wieder. Sie dachte: “Wenn ich ihm nur nahe genug kommen könnte, um mit ihm zu sprechen, dann würde ich vielleicht geheilt werden.” SGA 38.1

Jesus war auf dem Weg zum Haus des Jairus, des jüdischen Rabbi, der ihn angefleht hatte, seine Tochter gesund zu machen. “Meine Tochter liegt in den letzten Zügen; komm doch und lege deine Hände auf sie, damit sie gesund werde und lebe.” Markus 5,23. Diese inständige Bitte hatte das empfindsame, mitfühlende Herz Jesu berührt, und so brach er mit dem Rabbi sofort zu dessen Haus auf. SGA 38.2

Aber sie kamen nur langsam voran, denn die Menge bedrängte Jesus von allen Seiten. Auf diesem mühsamen Weg durch das Gedränge kam der Heiland in die Nähe des Platzes, wo die krankheitsgeplagte Frau stand. Immer wieder hatte sie vergeblich versucht, in seine Nähe zu kommen. Jetzt aber erkannte sie ihre Chance. SGA 38.3

Sie sah kaum eine Möglichkeit, ihn anzusprechen; sie wollte sein langsames Vorwärtskommen auch nicht noch zusätzlich behindern. Aber sie hatte gehört, daß schon die Berührung seines Gewandes heilsam sei; und voller Angst, ihre einzige Chance auf Heilung zu verpassen, drängte sie sich vorwärts und sagte dabei zu sich selbst: “Könnte ich nur sein Gewand berühren, so würde ich gesund.” SGA 38.4

Christus kannte jeden ihrer Gedanken — und so bahnte er sich einen Weg dorthin, wo sie stand. Er erkannte ihre große Not und wollte ihren Glauben stärken. SGA 39.1

Als er nun nahe an ihr vorüberging, reckte sie sich nach vorn und schaffte es gerade, den Saum seines Gewandes zu berühren. Und genau in diesem Moment wußte sie, daß sie geheilt war. In dieser einen Berührung kam der ganze Glaube ihres Lebens zum Tragen, und auf der Stelle verschwanden Schmerzen und Schwäche. Unvermittelt spürte sie eine Erregung wie von einem Stromschlag, die durch jede Faser ihres Wesens floß. Ein Empfinden vollkommenen Gesundseins überkam sie; “sie spürte es am Leibe, daß sie von ihrer Plage geheilt war”. Markus 5,29. SGA 39.2

Jetzt brannte die Frau darauf, dem mächtigen Arzt ihre Dankbarkeit zu bekunden — hatte er doch mit einer Berührung mehr zuwege gebracht als all die anderen Ärzte in zwölf langen Jahren. Aber dann wagte sie es doch nicht. Mit dankbarem Herzen versuchte sie, sich still und unauffällig aus der Menschenmenge zurückzuziehen. Da blieb Jesus plötzlich stehen, sah sich um und stellte die durchaus ernstgemeinte Frage: “Wer hat mich angerührt?” SGA 39.3

Erstaunt schauten ihn die Jünger an und entgegneten: “Du siehst, daß dich die Menge umdrängt, und fragst: Wer hat mich berührt?” Markus 5,31. “Es hat mich jemand berührt”, beharrte Jesus, “denn ich habe gespürt, daß eine Kraft von mir ausgegangen ist.” Lukas 8,46. Er konnte die Berührung im Glauben durchaus von den zufälligen Berührungen der achtlosen Menge unterscheiden: Jemand hatte ihn mit einer tiefen Absicht angerührt und darauf Antwort erhalten. SGA 39.4

Christus stellte diese Frage aber nicht, um für sich eine Antwort zu bekommen. Vielmehr nutzte er dies Ereignis als Lehre für das Volk, für seine Jünger und für die geheilte Frau. Er wollte die Leidtragenden mit Hoffnung erfüllen, wollte zeigen, daß es der Glaube war, der zur Heilung führte. Das Vertrauen der Frau durfte nicht unbeachtet bleiben. Anhand ihres dankbaren Bekenntnisses sollte Gott verherrlicht werden. Christus wollte ihr seine Zustimmung zu ihrer Glaubenstat bewußtmachen. Sie sollte nicht mit halbem Segen weggehen. Jesus wollte sie nicht im unklaren lassen darüber, daß er ihr Leiden kannte, auch nicht über seine mitfühlende Liebe und die Anerkennung für den Glauben an seine Macht, ausnahmslos alle zu retten, die zu ihm kommen. SGA 39.5

Er sah die Frau an und bestand darauf, zu erfahren, wer ihn angerührt habe. Da erkannte sie, daß sie nicht im Verborgenen bleiben konnte. Also trat sie zitternd aus der Menge und warf sich ihm zu Füßen. Unter Tränen der Dankbarkeit erzählte sie ihm vor allen Leuten, warum sie sein Gewand berührt hatte und daß sie sofort gesund geworden sei. Sie fürchtete, ihre Berührung seines Gewandes sei anmaßend gewesen — aber Jesus sagte kein Wort der Kritik. Er sprach nur Worte der Zustimmung; sie kamen aus einem Herzen der Liebe, erfüllt von Mitgefühl für menschliches Elend. “Meine Tochter”, sagte er freundlich, “dein Glaube hat dir geholfen. Geh hin in Frieden!” Lukas 8,48. Wie wohltuend diese Worte für sie waren! Nun minderte die Furcht, sie könnte ihn beleidigt haben, nicht mehr ihr Glück. SGA 40.1

Die neugierige Menge, die sich um Jesus drängte, erhielt keine neue Lebenskraft; nur die leidende Frau, die ihn im Glauben berührte, wurde geheilt. So unterscheidet sich auch in geistlicher Hinsicht der beiläufige Kontakt von der Berührung im Glauben. An Christus nur als den Heiland der Welt insgesamt zu glauben, kann niemals die einzelne Seele heilen. Der Glaube, der den Menschen rettet, ist nicht nur die Zustimmung zur Wahrheit des Evangeliums. Nur das ist der wahre Glaube, der Christus als persönlichen Erlöser annimmt. Gott gab seinen eingeborenen Sohn, damit ich, wenn ich an ihn glaube, “nicht verloren werde, sondern das ewige Leben habe”. Johannes 3,16. SGA 40.2

Wenn ich zu Jesus komme, muß ich gemäß seinem Wort glauben, daß ich seine errettende Gnade erhalte. Das Leben, das ich dann lebe, werde ich “im Glauben an den Sohn Gottes leben, der mich geliebt und sich selbst für mich dahingegeben hat”. Galater 2,20. SGA 40.3

Viele halten den Glauben für eine bloße Meinung. Aber rettender Glaube ist eine Interaktion, bei der diejenigen, die Christus annehmen, ein Bündnis mit Gott eingehen. Ein lebendiger Glaube bedeutet einen Zuwachs an Lebendigkeit und ein festes Vertrauen, das die Seele durch die Gnade Christi zu einer siegreichen Macht werden läßt. SGA 40.4

Der Glaube ist sogar mächtiger als der Tod. Wenn man die Kranken dazu bringen kann, ihre Augen im Glauben fest auf den heilwirkenden Gott zu richten, werden wir wunderbare Folgen sehen. Es wird dem Körper und der Seele Leben bringen. SGA 41.1

Wenn ihr mit Menschen arbeitet, die Gefangene übler Lebensgewohnheiten sind, dann richtet ihren Blick nicht auf die Verzweiflung und das Ende, dem sie entgegengehen, sondern auf Jesus. Heftet ihren Blick auf die Herrlichkeit der neuen Erde. Das wird der Heilung von Körper und Seele zuträglicher sein als alle Schreckensbilder des Sterbens, die man den Hilflosen und scheinbar Hoffnungslosen vor Augen malt. SGA 41.2