Aus der Schatzkammer der Zeugnisse — Band 2

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Vereinigung von Göttlichem und Menschlichem

Die Vereinigung des Göttlichen mit dem Menschlichen, die sich in Christus offenbart, findet sich auch in der Bibel. Die in ihr offenbarten Wahrheiten sind alle “von Gott eingegeben”. 2.Timotheus 3,16. Und doch sind sie in menschliche Worte gekleidet und menschlichen Bedürfnissen angeglichen. So kann vom Buche Gottes dasselbe gesagt werden wie von Christus: “Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns.” Johannes 1,14. Diese Tatsache ist weit davon entfernt, ein Beweis gegen die Bibel zu sein. Sie sollte vielmehr unseren Glauben an die Bibel als das Wort Gottes stärken. Wer sich über die Eingebung der Schrift so äußert, daß er einige Teile als göttlich annimmt und andere als menschlich zurückweist, übersieht, daß Christus, der Göttliche, unsere menschliche Natur annahm, um die Menschheit zu erreichen. In Gottes Wirken zur Erlösung des Menschen verbindet sich Göttliches mit dem Menschlichen. Sch2 312.1

Es gibt viele Schriftabschnitte, die von zweifelnden Kritikern als nicht von Gott eingegeben bezeichnet wurden, die aber in Wirklichkeit, dem Bedürfnis des Menschen fein angepaßt, Gottesbotschaften zum Trost seiner auf ihn trauenden Kinder sind. Eine gute Veranschaulichung hierzu findet sich in der Geschichte des Apostels Petrus. Er lag im Gefängnis und erwartete, am nächsten Tage hingerichtet zu werden. “In derselben Nacht schlief Petrus zwischen zwei Kriegsknechten, gebunden mit zwei Ketten, und die Hüter vor der Tür hüteten das Gefängnis. Und siehe, der Engel des Herrn kam daher. Und ein Licht schien in dem Gemach; und er schlug Petrus an die Seite und weckte ihn und sprach: Stehe behende auf! Und die Ketten fielen ihm von seinen Händen.” Apostelgeschichte 12,6.7. Der so plötzlich erwachende Petrus war erstaunt über die Lichtfülle, die sein Kerkerverlies durchflutete, und über die himmlische Schönheit des Gottesboten. Er verstand nicht, was das bedeuten sollte, aber er wußte, daß er nun frei war. In seiner Bestürzung und Freude wäre er ohne Schutz gegen die kalte Nachtluft aus dem Gefängnis fortgeeilt. Der Engel Gottes sah das alles und sprach voller Sorge um das Wohl des Apostels: “Gürte dich und tu deine Schuhe an!” Vers 8. Petrus gehorchte mechanisch, war jedoch von der Offenbarung der himmlischen Herrlichkeit so benommen, daß er nicht daran dachte, seinen Mantel zu nehmen. Darauf gebot der Engel ihm: “Wirf deinen Mantel um dich und folge mir nach! Und er ging hinaus und folgte ihm und wußte nicht, daß ihm wahrhaftig solches geschähe durch den Engel; sondern es deuchte ihn, er sähe ein Gesicht. Sie gingen aber durch die erste und andere Hut und kamen zu der eisernen Tür, welche zur Stadt führt; die tat sich ihnen von selber auf. Und sie traten hinaus und gingen hin eine Gasse lang; und alsobald schied der Engel von ihm.” Verse 8-10. Nun befand sich der Apostel allein in den Straßen Jerusalems. “Da Petrus zu sich selber kam, sprach er: Nun weiß ich wahrhaftig” — es war kein Traum oder Gesicht, sondern Wirklichkeit —, “daß der Herr seinen Engel gesandt und mich errettet aus der Hand des Herodes und von allem Warten des jüdischen Volkes.” Vers 11. Sch2 312.2

Zweifler mögen bei dem Gedanken lächeln, daß ein herrlicher Engel Gottes auf so alltägliche Dinge wie diese einfachen menschlichen Bedürfnisse achthaben sollte, und darum die göttliche Eingebung dieser Erzählung in Frage stellen. Aber durch die Weisheit Gottes ist dies in der Heiligen Schrift aufgezeichnet, nicht zum Wohle von Engeln, sondern zum Wohle von Menschen, damit sie in der Gewißheit, daß der Herr alles weiß, Trost finden mögen, wenn sie in eine schwierige Lage kommen sollten. Sch2 313.1

Jesus erklärte seinen Jüngern, daß nicht ein Sperling zur Erde fällt, ohne daß unser himmlischer Vater es wahrnimmt; wenn Gott auf die Bedürfnisse aller kleinen Vögel in der Luft achthat, wieviel mehr wird er für die sorgen, die Untertanen seines Reiches und durch den Glauben an ihn Erben des ewigen Lebens werden können! O wenn doch der menschliche Geist den Erlösungsplan verstehen wollte — soweit begrenztes Denken ihn zu fassen vermag —, daß Jesus die menschliche Natur annahm und was er durch diese wunderbare Selbsterniedrigung für uns bewirken wollte, dann würden die Herzen der Menschen von Dankbarkeit für Gottes große Liebe überfließen und in Demut die Weisheit Gottes anbeten, der das Geheimnis der Gnade ersann! Sch2 313.2