Für die Gemeinde geschrieben — Band 1
Kapitel 39: Die erste Versuchung Christi*
Christus kam in die Welt, um Satan zu vernichten und um die Gefangenen zu erlösen, die dieser mit seiner Macht gebunden hatte. Durch sein eigenes siegreiches Leben sollte er ein Vorbild werden, dem die Menschen nacheifern und so die Versuchungen Satans überwinden können. In dem Moment, als Christus in die Wüste der Versuchung kam, veränderte sich sein Antlitz. Die Herrlichkeit und der Glanz vom Throne Gottes, die sich auf seinen Gesichtszügen widerspiegelten, als sich vor ihm der Himmel öffnete und die Stimme des Vaters ihn als seinen lieben Sohn, an dem er Wohlgefallen habe, anerkannte, war jetzt von ihm gewichen. Die Last der Sünde der Welt lag schwer auf seiner Seele. Seine ganze Erscheinung war gezeichnet von einer unendlichen Traurigkeit, von einer so großen Seelennot, wie sie kein gefallener Mensch jemals gespürt hat. Er fühlte, welche überschäumende Flut des Elends diese Welt überwältigte. Er erkannte die Macht der Genußsucht und der ungeheiligten Leidenschaften, wovon die Welt beherrscht wurde und wodurch unendliches Leid entstanden war. Die Hingabe an die Eßlust hatte ständig zugenommen und hatte sich seit Adams Übertretung mit jeder darauffolgenden Generation noch verstärkt, bis so viel an moralischer Entschlußkraft verlorengegangen war, daß die Menschen unfähig wurden, aus eigener Kraft zu überwinden. Um der Menschen willen mußte Christus seine Eßlust überwinden, indem er dem härtesten Test, der auf diesem Gebiet möglich war, standhalten mußte. Er mußte diesen Weg allein gehen, keiner war da, um ihm beizustehen oder ihn zu trösten. Er mußte mit den Mächten der Finsternis ringen. FG1 286.1
Da der Mensch in seinem schwachen Bemühen den Versuchungen Satans nicht widerstehen konnte, hat Christus es freiwillig auf sich genommen, diese Last für die Menschen zu tragen und um ihretwillen die Macht der Eßlust zu überwinden, Er mußte den Menschen beweisen, daß es mit Selbstverleugnung, Beharrlichkeit und Grundsatztreue möglich ist, selbst über quälende Hungergefühle zu siegen. Er mußte ihnen eine Kraft zeigen, die die Eßlust beherrschte und stärker war als der Hunger und sogar der Tod. FG1 287.1
Die Bedeutung dieser Prüfung
Als Christus diese Prüfung bezüglich der Eßlust auf sich nahm, befand er sich nicht wie Adam im wunderbaren Garten Eden, wo alles vom Licht und der Liebe Gottes durchdrungen war, sondern er hielt sich in einer unfruchtbaren, verlassenen Wildnis auf, umgeben von wilden Tieren. Alles um ihn herum war widerwärtig und so, daß der normale Mensch eigentlich davor zurückschrecken würde. In dieser Umgebung fastete er vierzig Tage und vierzig Nächte. “Und er aß nichts in diesen Tagen ...” Lukas 4,2. Durch das lange Fasten war er abgemagert und hatte ungeheuren Hunger. Sein Gesicht war gezeichnet, wohl weitaus mehr als je bei einem Menschen. FG1 287.2
Damit begann im Leben Jesu die große Auseinandersetzung mit dem mächtigen Feind. Er ertrug genau die Prüfung, die Adam zu Fall gebracht hatte, um — indem er sich erfolgreich damit auseinandersetzte — die Macht Satans zu brechen und die Menschheit von der Schmach des Sündenfalles zu erlösen. FG1 287.3
Es war alles verloren, als Adam seiner Eßlust nachgab. Der Erlöser, in dem Göttliches und Menschliches vereint waren, nahm nun Adams Platz ein und ertrug eine schwere Fastenzeit von nahezu sechs Wochen. Die lange Dauer dieses Fastens zeigt am deutlichsten die Sündhaftigkeit und die große Macht der unbeherrschten Eßlust auf die Menschheit. FG1 287.4
Das Menschsein Christi reichte bis zu dem tiefsten Elend der Menschen; es identifizierte sich mit den Schwächen und Bedürfnissen des gefallenen Menschen, während er durch das Göttliche die Ewigkeit begriff. Seine Aufgabe, die Schuld der Gesetzesübertretung der Menschen auf sich zu nehmen, erlaubte es ihm jedoch nicht, gleichermaßen gegen das Gesetz Gottes zu handeln. Die Menschen wurden zu Schuldnern am Gesetz Gottes, und Jesus Christus bezahlte diese Schuld, indem er dafür litt. Die Prüfungen und Leiden Christi sollten dem Menschen einen Eindruck von der Größe der Sünde verschaffen, die er durch die Übertretung des Gesetzes Gottes beging, und sollten ihn zur Buße und zum Gehorsam gegenüber diesem Gesetz leiten und durch den Gehorsam dazu, bei Gott angenommen zu werden. Christi Gerechtigkeit sollte dem Menschen zugerechnet und dieser dadurch vor Gott aufgewertet werden, und Gott kann somit seine unzureichenden Bemühungen, die Gebote zu halten, akzeptieren. Es war Jesu Aufgabe, durch seine menschliche Natur die Menschen mit Gott zu versöhnen und durch seine göttliche Natur Gott mit den Menschen. FG1 287.5
Sobald Christi lange Fastenzeit in der Wüste begann, war Satan mit seinen Versuchungen gegenwärtig. Er kam, von Licht umgeben, zu Christus und gab vor, als einer der Engel vom Throne Gottes mit einem Gnadenauftrag gesandt zu sein, der ihn trösten und ihn aus seinem leidvollen Zustand erlösen sollte. Er versuchte, Christus zu verstehen zu geben, Gott erwarte überhaupt keine Selbstverleugnung und die vorweggenommenen Leiden; er [Satan] sei vom Himmel gesandt worden, um ihm die Botschaft Gottes zu übermitteln, er habe prüfen wollen, ob seine Bereitwilligkeit ausdauernd sei. FG1 288.1
Satan sagte zu Christus, daß er seine Füße nur auf den Weg des Blutes zu setzen brauche, jedoch ihn nicht gehen müsse. Wie Abraham sei auch er nur geprüft worden, um vollkommenen Gehorsam zu beweisen. Er behauptete auch, daß er der Engel gewesen sei, der Abraham die Hand festgehalten habe, als dieser das Messer erhob, um Isaak zu töten, und nun sei er gekommen, um sein [Jesu] Leben zu retten. Es sei wirklich nicht notwendig, solch quälenden Hunger zu leiden und vor Hunger zu sterben. Er sei gekommen, um ihm einen Teil des Erlösungsplanes ertragen zu helfen. FG1 288.2
Der Sohn Gottes wandte sich gegen alle diese listigen Versuchungen und erfüllte unerschütterlich seine Aufgabe, bis in alle Einzelheiten den Plan auszuführen, und zwar sowohl von seiner Haltung als auch vom Buchstaben [des Gesetzes] her, der zur Rettung der gefallenen Menschheit entworfen worden war. Aber Satan hatte vielerlei Versuchungen vorbereitet, um Christus zu umgarnen und zu überwältigen. Wenn eine Versuchung mißlang, probierte er es mit der nächsten. Er glaubte, daß er letztendlich Erfolg haben würde, weil Christus sich zum Menschen erniedrigt hatte. Er bildete sich ein, daß sein [nach außen] dargestellter Charakter von dem der himmlischen Engel nicht zu unterscheiden sei. Er tat so, als ob man an Christi Göttlichkeit zweifeln müßte wegen seines [Jesu] elenden Erscheinungsbildes und der öden Umgebung. FG1 288.3
Christus wußte, wenn er die menschliche Natur annimmt, würde er keine Ähnlichkeit mit den himmlischen Engeln mehr haben. Satan forderte ihn auf, ihm einen Beweis seines herausragenden Charakters zu liefern, wenn er wirklich der Sohn Gottes sei. Er versuchte Christus auf dem Gebiet der Eßlust. Er hatte Adam damit überwältigt und seine Nachkommen beherrscht und sie durch Genußsucht so weit gebracht, daß sie mit ihrer Bosheit Gott so lange herausforderten, bis ihre Verbrechen so überhandnahmen, daß der Herr sie durch die Sintflut von der Erde vertilgte. FG1 289.1
Unter dem unmittelbaren Einfluß satanischer Versuchung ließen die Kinder Israels zu, daß die Vernunft von der Genußsucht beherrscht wurde. Sie ließen sich durch ihre Leidenschaften zu grauenhaften Sünden verleiten, die den Zorn Gottes gegen sie wachriefen und zu ihrem Verderben führten. Er [Satan] dachte, daß es ihm gelingen würde, Christus mit den gleichen Mitteln der Versuchung zu überwältigen. Er berichtete Jesus, daß einer der hohen Engel auf die Erde verbannt worden sei und daß seine [Jesu] äußere Erscheinung zeige, daß er nicht der König des Himmels, sondern der gefallene Engel sei. Sein heruntergekommenes Äußeres und sein miserabler Zustand ließen sich damit erklären. FG1 289.2
Christus wirkte keine Wunder für sich selbst
Dann machte er Christus auf seine eigene wunderbare Erscheinung aufmerksam, gekleidet mit Licht und voll Kraft. Er behauptete, ein Bote, direkt vom Thron Gottes gesandt, zu sein und versicherte, daß er ein Recht darauf habe, von Christus Beweise seiner Gottessohnschaft zu fordern. Satan hätte gerne, wenn es ihm möglich gewesen wäre, die Bestätigung, die der Sohn Gottes bei seiner Taufe vom Himmel erhalten hatte, in Zweifel gezogen. Er wollte Christus unbedingt überwältigen, um dadurch — wenn irgend möglich — sein eigenes Reich und sein Leben zu sichern. Seine erste Versuchung war, Christus über die Eßlust zu Fall zu bringen. Er hatte damit fast die ganze Welt unter seine Herrschaft gebracht, und seine Versuchungen waren den Umständen und der Umgebung Christi angepaßt, wodurch die Versuchungen über die Eßlust nahezu überwältigend wurden. FG1 289.3
Christus hätte für sich ein Wunder wirken können; aber dies wäre mit dem Erlösungsplan nicht vereinbar gewesen. Die vielen Wunder, die Christus in seinem Leben wirkte, zeigen seine Kraft, Wunder zu tun zum Wohle der leidenden Menschheit. Durch ein Wunder der Barmherzigkeit speiste er fünftausend Menschen auf einmal mit fünf Broten und zwei kleinen Fischen. Daraus wird ersichtlich, daß er die Macht gehabt hätte, ein Wunder zu wirken, um seinen Hunger zu stillen. Satan bildete sich ein, daß er Christus dazu bringen könnte, die Worte, die bei seiner Taufe aus dem Himmel gesprochen wurden, zu bezweifeln. Und wenn es ihm gelänge, daß er [Christus] seine Gottessohnschaft in Frage stellte und die Worte seines Vaters bezweifelte, würde er [Satan] einen großen Sieg erringen. FG1 290.1
Er traf Christus in der trostlosen Wüste völlig alleine, ohne Nahrung und in einem elenden Zustand an. Seine Umgebung war äußerst trist und bedrückend. Satan versuchte, Christus einzureden, daß Gott seinen Sohn nicht einem solchen Zustand der Entbehrung und des richtigen Leidens aussetzen würde. Er hoffte, Christi Vertrauen in seinen Vater erschüttern zu können, der es ja zugelassen hatte, daß er solch extremem Leid ausgesetzt war in einer Wildnis, die vordem noch nie ein menschlicher Fuß betreten hatte. Satan hoffte, daß er in Christi Herzen Zweifel an der Liebe seines Vaters wecken könnte, die sich dann in seinen Gedanken ausbreiten würden, und daß er unter dem Druck der Mutlosigkeit und des extremen Hungers für sich selbst ein Wunder wirken und sich so der schützenden Hand seines himmlischen Vaters entziehen würde. Das war wirklich eine Versuchung für Christus. Aber er schwankte nicht einen einzigen Moment. Er zweifelte nicht den geringsten Augenblick an der Liebe seines himmlischen Vaters, obwohl er niedergedrückt schien von unendlichem Leid. Satans Versuchungen konnten — trotz ihrer geschickten Strategie — der Unbescholtenheit des Sohnes Gottes nichts anhaben. Sein tiefes Vertrauen zu seinem Vater war nicht zu erschüttern. FG1 290.2
Christus ließ sich auf die Versuchung nicht ein
Jesus ließ sich nicht dazu herab, seinem Feind zu erklären, wieso er der Sohn Gottes sei und sich entsprechend zu verhalten habe. Satan machte ihn in beleidigender, höhnender Weise auf seine augenblickliche Schwäche und sein wenig anziehendes Äußeres im Vergleich zu seiner [Satans] eigenen Kraft und herrlichen Erscheinung aufmerksam. Er spottete, Christus sei ein trauriger Vertreter für die Engel, vielmehr noch für deren Oberbefehlshaber und anerkannten König am Hof des Himmels. Seine augenblickliche Verfassung zeige wohl, daß er von Gott und den Menschen verlassen sei. Er sagte, wenn Christus wirklich der Sohn Gottes, der Herrscher des Himmels sei, müsse er die gleiche Macht haben wie Gott, und dann könne er ihm dies beweisen, indem er ein Wunder wirke und den Stein zu seinen Füßen in Brot verwandle und seinen Hunger stille. Wenn Christus dies tun würde, so versprach Satan, würde er damit seinen Anspruch auf Überlegenheit aufgeben, der Streit zwischen ihm und Christus wäre dann für immer beigelegt. FG1 291.1
Christus schien die abfälligen Bemerkungen Satans gar nicht zur Kenntnis zu nehmen. Sie konnten ihn nicht dazu veranlassen, ihm einen Beweis seiner Macht zu geben. Demütig ertrug er die Beleidigungen, ohne sich zu wehren. Die Worte, die bei seiner Taufe aus dem Himmel erklangen, waren für ihn sehr wertvoll, denn sie waren die Bestätigung dafür, daß sein Vater einverstanden war mit dem Weg, den er eingeschlagen hatte, um stellvertretend für die Menschen als ihr Bürge den Erlösungsplan auszuführen. Der offene Himmel und der Geist Gottes in Form einer Taube waren die Zusicherungen des Vaters, daß er seine Macht im Himmel mit der seines Sohnes auf Erden vereinigen würde, um die Menschen aus der Gewalt Satans zu befreien, und daß Gott Christi Bemühen, die Erde mit dem Himmel, den sterblichen Menschen mit dem Ewigen zu verbinden, akzeptierte. FG1 291.2
Diese Zeichen, die er von seinem Vater erhalten hatte, waren für den Sohn Gottes in seinem schweren Leid und der furchtbaren Auseinandersetzung mit dem Herrscher der Rebellen unendlich wichtig. Und weder in der Wildnis, als er die Prüfung Gottes bestand, noch zu irgendeinem Zeitpunkt während seines Dienstes auf Erden hatte er es nötig, Satan einen Beweis seiner Macht und Gottessohnschaft zu geben. Satan hatte ausreichend Gelegenheit, seine [Jesu] Überlegenheit zu erkennen. Seine mangelnde Bereitschaft, Christus die ihm zukommende Ehre zuzugestehen und sich in Demut ihm unterzuordnen, reifte heran zur Rebellion gegen Gott und schloß ihn für immer vom Himmel aus. FG1 291.3
In Jesu Mission auf Erden war nicht vorgesehen, daß er seine göttliche Macht zu seinem persönlichen Vorteil einsetzt, wie etwa zur Linderung seiner Leiden. Er hatte sie freiwillig auf sich genommen. Er hatte sich so weit erniedrigt, daß er die menschliche Natur annahm, und er mußte alle Unannehmlichkeiten, Krankheiten und Anfechtungen der menschlichen Familie erdulden. Er durfte keine Wunder zum eigenen Vorteil wirken. Er war gekommen, um andere zu erlösen. Das Ziel seines Auftrags bestand darin, den Bedrängten und Unterdrückten Segen, Hoffnung und Leben zu bringen. Er mußte die Nöte und Belastungen der leidenden Menschheit auf sich nehmen. FG1 292.1
Obwohl Christus unter dem entsetzlich nagenden Hunger litt, widerstand er der Versuchung. Er entgegnete Satan mit einem Schriftwort, mit dem gleichen, das er Mose in die Wüste mitgegeben hatte, um es vor dem rebellierenden Volk Israel zu wiederholen, das — als die Nahrung knapp wurde — nach Fleisch gierte: “Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von einem jeden Wort, das aus dem Mund Gottes geht.” Matthäus 4,4. Durch diese Erklärung und durch sein Vorbild zeigte Christus den Menschen, daß der Hunger nach vergänglicher Nahrung nicht das größte Unglück war, was ihm widerfahren konnte. Satan schmeichelte sich bei unseren ersten Eltern [im Garten Eden] ein, indem er sagte, daß der Genuß der Frucht vom Baum der Erkenntnis, den ihnen Gott verboten hatte, für sie viel Gutes bewirken würde und daß sie sicherlich nicht des Todes sterben müßten — ganz im Gegenteil zu dem, was Gott ihnen angekündigt hatte. FG1 292.2
“Aber von dem Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen sollst du nicht essen; denn an dem Tage, da du von ihm issest, mußt du des Todes sterben.” 1.Mose 2,17. Wenn Adam gehorsam gewesen wäre, hätte er niemals Not, Leid oder Tod erfahren. FG1 292.3
Wenn die Menschen, die vor der Sintflut lebten, dem Wort Gottes gehorcht hätten, wären auch sie bewahrt worden und nicht in den Wassern der Flut umgekommen. Wenn die Israeliten den Worten Gottes gehorcht hätten, hätte er auf sie einen ganz besonderen Segen gelegt. Aber sie ließen sich immer wieder von ihrer Genußsucht und ihren Leidenschaften beeinflussen. Sie wollten Gottes Worten nicht gehorchen. Die Hingabe an ihren umprogrammierten Geschmackssinn verführte sie zu zahlreichen und schrecklichen Sünden. Wenn sie Gottes Erwartungen an die erste Stelle gerückt und ihre körperlichen Bedürfnisse als zweitrangig angesehen hätten, dabei im Glauben davon ausgegangen wären, daß Gott schon die rechte Nahrung für sie auswählen würde, hätte kein einziger von ihnen in der Wüste sterben müssen. Aus ihnen wäre ein geheiligtes, gesundes Volk im wunderbaren Land Kanaan geworden; kein Stamm hätte irgendwelche Schwächen aufgewiesen. FG1 293.1
Der Erlöser der Welt wurde stellvertretend für die Menschheit zur Sünde. Christus nahm seine Macht als Sohn Gottes nicht in Anspruch. Er betrachtete sich als Mensch. Er mußte als Mensch die Prüfung der Versuchung unter den schwierigsten Umständen auf sich nehmen und damit ein Beispiel für vollkommenes Vertrauen und Glauben setzen. Christus wußte, daß ihn sein himmlischer Vater mit Nahrung versorgen würde, wenn er es für richtig hielt. Und selbst wenn ihn der Hunger über alle Maßen quälte, würde er sich diese schwere Prüfung nie und nimmer vorzeitig erleichtern, indem er seine göttliche Kraft in Anspruch nahm. FG1 293.2
Ein gefallener Mensch konnte, wenn er in Schwierigkeiten war, auch keine Wunder für sich selbst wirken, um sich von Not und Schmerzen zu erlösen oder um Siege über Feinde zu erringen. Es war immer Gottes Absicht, die Menschen genau zu prüfen, ihnen Gelegenheit zu geben, einen starken Charakter zu entwickeln und durch immer wieder auftretende Prüfungen ihren Glauben und ihr Vertrauen in seine Liebe und seine Kraft zu erproben. Das Leben Jesu war ein vollkommenes Beispiel. Er zeigte den Menschen immer durch sein Vorbild und seine Empfehlungen ihre Abhängigkeit von Gott und lehrte sie, daß sie allein auf ihn ihren Glauben und ihr festes Vertrauen richten sollten. FG1 293.3
Christus wußte, daß Satan von Anfang an ein Lügner war, und es erforderte eine große Selbstbeherrschung, den beleidigenden Vorschlägen dieses Betrügers zuzuhören und ihn nicht seiner dreisten Anmaßung wegen auf der Stelle zurechtzuweisen. Satan glaubte, den Sohn Gottes in eine Auseinandersetzung verwickeln zu können; und er hoffte, daß er ihn aufgrund seiner großen [körperlichen] Schwäche und seiner seelischen Qual übervorteilen könnte. Er wollte die Worte Jesu zu seinem Vorteil verdrehen und seine gefallenen Engel zu Hilfe rufen, um deren äußerste Macht zu benutzen, gegen ihn vorzugehen und ihn zu überwältigen. FG1 294.1
Der Erlöser der Welt führte kein Streitgespräch mit Satan, der aus dem Himmel verbannt wurde, weil er nicht mehr wert war, dort zu leben. Er, dem es gelungen war, Engel Gottes gegen den Herrn aller Herren und gegen seinen Sohn, ihren geliebten Herrscher, aufzuwiegeln, war zu jeder Art Betrug fähig. Viertausend Jahre lang hatte er gegen die Herrschaft Gottes gekämpft und nichts eingebüßt, weder an seiner Begabung noch an Macht zu verführen und zu betrügen. FG1 294.2
Sieg durch Christus
Weil die gefallenen Menschen Satan nicht durch ihre menschliche Kraft überwinden konnten, verließ Jesus sein himmlisches Königreich, um ihnen mit seiner menschlichen und seiner göttlichen Kraft zu helfen. Christus wußte, daß Adam in Eden mit weitaus mehr Vorteilen behaftet war und aus eigener Kraft der Versuchung widerstehen und Satan hätte überwältigen können. Er wußte auch, daß es außerhalb von Eden, seit dem Sündenfall getrennt vom Licht und der Liebe Gottes, dem Menschen nicht möglich war, den Versuchungen Satans aus eigener Kraft zu widerstehen. Um den Menschen Hoffnung zu bringen und sie vor dem endgültigen Untergang zu retten, demütigte er sich selbst und nahm die menschliche Natur an, damit er, wenn sich beide, seine göttliche und seine menschliche Natur, miteinander verbanden, den Menschen da begegnen konnte, wo sie sich befanden. Er erlangte für die gefallenen Söhne und Töchter Adams die Kraft, die sie selbst nicht erlangen konnten, damit sie durch seinen Namen die Versuchungen Satans überwinden können. FG1 294.3
Der erhabene Sohn Gottes nimmt Menschengestalt an, um sich der. Menschen nähern zu können und um ihre Sünden stellvertretend auf sich zu nehmen. Er identifiziert sich mit den Leiden und Nöten der Menschen. Er wurde in jeder Art und Weise versucht, wie auch die Menschen versucht werden, damit er erkennt, wie er jenen, die versucht werden, beistehen kann. Christus hat um des sündigen Menschen willen gesiegt. FG1 295.1
In seiner nächtlichen Vision sah Jakob die Erde mit dem Himmel verbunden durch eine Leiter, die bis zum Thron Gottes reichte. Er sah die Engel Gottes, die mit Gewändern himmlischen Lichts bekleidet waren, auf dieser glänzenden Leiter auf- und absteigen. Das untere Ende der Leiter stand fest auf der Erde, während die Spitze in die höchsten Himmel reichte bis zum Thron Jahwes. Das Licht vom Thron Gottes strahlte über die Leiter hinunter und spiegelte ein Licht von unbeschreiblicher Herrlichkeit auf die Erde. FG1 295.2
Diese Leiter symbolisierte Christus, der die Verbindung zwischen Himmel und Erde hergestellt hatte. Durch seine Erniedrigung lernte er tiefstes menschliches Elend kennen: Er litt mit den gefallenen Menschen, die bei Jakob durch das untere Ende der Leiter, das die Erde berührte, dargestellt wurden, während das obere Ende, das in den Himmel reichte, die göttliche Macht Christi darstellt, die nach Unendlichem strebt. So verbindet er das Ewige mit dem Zeitlichen, den sterblichen Menschen mit dem ewigen Gott. Durch Christus wird zwischen Gott und Menschen eine Beziehung hergestellt. Engel können sich zwischen Himmel und Erde hin- und herbewegen mit der Botschaft der Liebe für die gefallenen Menschen und um denjenigen beizustehen, die Erben des Heils werden sollen. Nur durch Christus ist es möglich, daß himmlische Boten den Menschen beistehen. FG1 295.3
Adam und Eva lebten in Eden unter den günstigsten Voraussetzungen. Sie hatten das Vorrecht, mit Gott und den Engeln zu verkehren. Sie lebten nicht unter dem Fluch der Sünde. Sie waren umgeben vom Licht Gottes und der Engel. Ihr Schöpfer war gleichzeitig ihr Lehrer. Doch sie unterlagen der Verführungsmacht des listigen Feindes. FG1 296.1
Viertausend Jahre lang kämpfte Satan schon gegen die Herrschaft Gottes, und er hatte mittlerweile viel Übung und Erfahrung durch angewandte Praxis. Die gefallenen Menschen hatten nicht die Vorteile Adams in Eden. Sie waren seit viertausend Jahren von Gott getrennt. Die Fähigkeit, Satans Versuchungen zu durchschauen, und die Kraft, ihnen zu widerstehen, nahm mit der Zeit immer mehr ab, bis es schien, als habe Satan den Sieg über diese Erde errungen. Die Eßlust und die Genußsucht, die Liebe zur Welt und ihre anmaßenden Sünden waren die solide Grundlage des Bösen, auf der jede Art von Verbrechen, Gewalt und Korruption gedieh. FG1 296.2