Wir haben einen Fürsprecher

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Wir haben einen Fürsprecher

Vorwort

In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts kam es innerhalb der christlichen Kirchen und Gemeinschaften in verschiedenen Ländern, vorwiegend aber in Europa und Nordamerika, zu starken geistlichen Erweckungen. Anstoß dazu war die in jener Zeit zunehmende Bibelverbreitung und ein wachsendes Interesse am Studium des prophetischen Wortes der Heiligen Schrift. Dabei stießen ernste Christen der verschiedensten Bekenntnisse immer wieder auf die Botschaft von der Wiederkunft Christi. Die Worte aus dem christlichen Glaubensbekenntnis “von dannen er (Christus) kommen wird”, lange Zeit fast völlig vergessen, gewannen neue Bedeutung. Viele glaubten, daß die Wiederkunft Christi nahe bevorstehe. Auf Grund der Bibelworte in Daniel 8,14 nahm beispielsweise der Prälat Bengel in Württemberg an, daß Jesus 1836 erscheinen wird, während man vor allem in Nordamerika die Überzeugung gewann, daß dieses große Ereignis im Jahre 1844 erfolgen werde. WHF 5.1

Hunderttausende wurden von dieser Erweckungsbewegung ergriffen. Tausende bekehrten sich und bereiteten sich mit allem Ernst auf das Kommen Christi vor. Als aber die angesetzte Zeit verstrich und nichts geschah, bemächtigte sich vieler eine große Enttäuschung. In tiefer Niedergeschlagenheit gaben sie die Adventhoffnung auf, die doch ihr Leben zu jener Zeit so stark geprägt hatte. Nicht wenige warfen ihren Glauben sogar völlig weg. WHF 5.2

Nur eine Handvoll Getreuer, die über das Ausbleiben ihrer Erwartung zwar ebenso niedergedrückt war, gab Gottes Wort nicht auf, sondern forschte unermüdlich weiter in der Bibel. Sie waren überzeugt, daß Gottes Wort wahrhaftig ist. Folglich konnte der Irrtum nur bei ihnen liegen, in einer verkehrten Auffassung des vom prophetischen Wort angekündigten Ereignisses. Bei ihrem Forschen stießen sie auf manche biblische Lehre, die im Laufe der Jahrhunderte vergessen oder entstellt worden war. Sie gewannen eine tiefere Erkenntnis des Heilshandelns Gottes und des hohenpriesterlichen Dienstes Jesu Christi. In diesem Ringen um das rechte Verständnis der Heiligen Schrift vereinigten sich ernste Christen verschiedener Kirchen und Gemeinschaften und schlössen sich fast zwei Jahrzehnte nach der großen Enttäuschung zur Gemeinschaft der Siebenten-Tags-Adventisten zusammen. WHF 6.1

In diese Zeit der lebendigen Naherwartung, der niederschmetternden Enttäuschung und des darauffolgenden Suchens will diese Schrift einführen. Von ihren Erfahrungen in jenen Tagen berichtet in dieser Abhandlung vor allem E. G. White, die durch ihr festes Gottvertrauen vielen half, den Weg aus der Enttäuschung zu finden, die biblische Botschaft besser zu verstehen und die Aufgabe zu erkennen, die Gott seiner Gemeinde angesichts der Nähe der Wiederkunft Christi aufgetragen hat. Es handelt sich um Auszüge aus verschiedenen Büchern und Schriften von E. G. White. Daher kann diese Broschüre keine systematische Darstellung sein, sie gibt aber ein lebendiges Bild von den Erfahrungen jener Adventgläubigen. WHF 6.2

In den folgenden Ausführungen wird vor allem gezeigt, wie durch das Studium des Hebräerbriefes und der Sinnbilder des alttestamentlichen Opferdienstes eine tiefere Erkenntnis des hohenpriesterlichen Dienstes Christi gewonnen wurde. WHF 6.3

Die Broschüre, die vor einigen Jahren aus den Schriften von E. G. White zusammengestellt wurde, trägt den Originaltitel “Christ in his Sanctuary”. Unter dem Titel “Wir haben einen Fürsprecher” soll sie nun Gemeindeglieder und Prediger anregen, sich eingehender mit dem hohenpriesterlichen Dienst Christi zu beschäftigen. WHF 7.1

“Die Gerechtigkeit durch den Glauben” ist die Mitte der biblischen Offenbarung. Zu einem tieferen Verständnis dieser wichtigen Botschaft der Heiligen Schrift verhilft uns das Wissen um den hohenpriesterlichen Dienst Jesu. Der Erlösungsplan schließt weit mehr ein als das stellvertretende Opfer Christi, das ohne Frage der Kern ist; er umfaßt auch den Dienst unseres Herrn als himmlischer Hoherpriester. Nachdem Christus das Opfer vollbracht hatte, stand er von den Toten auf “um unserer Rechtfertigung willen” (Römer 4,25) und ging in das himmlische Heiligtum ein, wo er seinen priesterlichen Dienst versieht. Am Kreuz “hat er eine ewige Erlösung für uns erworben” (Hebräer 9,12), nun dient er für uns, damit diese Versöhnung all denen zuteil wird, die bereit sind, die Fülle seiner Gnade anzunehmen. WHF 7.2

Das Opfer, das Christus am Kreuz brachte, ist für alle Menschen vorgesehen; der Dienst im Heiligtum kommt nur denen zugute, die diese Erlösung annehmen. In der Pfingstpredigt erklärte Petrus: “Diesen Jesus hat Gott auf erweckt, des sind wir alle Zeugen”, er ist “durch die Rechte Gottes erhöht”, und nun hat “Gott diesen Jesus (den ihr gekreuzigt habt) zum Herrn und Christus gemacht” Apostelgeschichte 2,33.34.36. WHF 7.3

Wenn die Apostel in ihren Predigten und Briefen auch vielfach auf die Erhöhung unseres Herrn hinweisen, so wird doch sein Dienst als Hoherpriester erst im Hebräerbrief ausführlich erläutert. Dieser Brief ist im wesentlichen eine Auslegung dieses Themas. Das Opfer Christi und sein priesterlicher Dienst im Himmel werden veranschaulicht am Opferdienst in der Stiftshütte und am Priesteramt Aarons. WHF 7.4

Der priesterliche Dienst unseres Herrn wird mit einem Gerichtswerk abgeschlossen, unmittelbar bevor er in seiner Herrlichkeit wiederkommt. Christus dient dabei nicht in einem Heiligtum, das mit “Händen gemacht ist”. Doch die beiden Abschnitte im sinnbildlichen Dienst am irdischen Heiligtum — die tägliche Versöhnung am Heiligtum und das Gericht, das einmal jährlich in der Reinigung des Allerheiligsten vollzogen wurde — weisen auf die beiden Phasen des hohenpriesterlichen Dienstes unseres Herrn. Wenn er abgeschlossen sein wird, kommt Christus in Herrlichkeit und bringt mit sich seinen Lohn. WHF 8.1

Wenn der Herr wiederkommt, wird er nicht nur die Erlösten zu sich nehmen, sondern auch endgültig die Sünde vernichten und jede Spur des Bösen auslöschen. Dann wird das Universum völlig gereinigt sein von den furchtbaren Folgen der Empörung gegen Gott. Es wird keine Sünde und keinen Sünder mehr geben. “Christus aber hat uns erlöst” (Galater 3,13) “ein für allemal”. Hebräer 10,10. Die Größe des Heilsplanes, der ganze Umfang der Versöhnung und des Dienstes unseres Herrn werden selbst von vielen, die ihn liebhaben und sein Wort schätzen, nicht recht verstanden, weil sie sich wenig oder gar nicht mit dem Dienst unseres Hohenpriesters im himmlischen Heiligtum beschäftigen. WHF 8.2

Stärkung im Glauben und eine tiefere Erkenntnis des Erlösungswerkes empfängt aber jeder, der erkannt hat, daß Jesus Christus heute für ihn als Fürsprecher und Hoherpriester wirkt. “Darum lasset uns hinzutreten mit Freudigkeit zu dem Thron der Gnade, auf daß wir Barmherzigkeit empfangen und Gnade finden auf die Zeit, wenn uns Hilfe not sein wird.” Hebräer 4,16. WHF 8.3

Möge diese Schrift mit den Fragen, die nach den einzelnen Kapiteln zum Nachdenken anregen wollen, vielen Gläubigen helfen, durch das Wissen von dem hohenpriesterlichen Wirken Christi ein klareres Verständnis von der biblischen Botschaft zu gewinnen: Gerechtigkeit durch den Glauben. Dann wird Jesus Christus wirklich und allein “unsere Gerechtigkeit” sein, und wir werden mit gläubiger Zuversicht ausschauen auf jenen Tag, da die Sünde ausgetilgt sein wird. Die Gläubigen aller Jahrtausende werden in den Lobgesang einstimmen, der vom Thron Gottes ausgeht und sich ausbreitet bis an die Enden des Universums: “Würdig ist das Lamm, das erwürgt ist.” “Und alle Kreatur, die im Himmel ist und auf Erden und unter der Erde und im Meer, und alles, was darinnen ist, hörte ich sagen: Dem, der auf dem Thron sitzt, und dem Lamm sei Lob und Ehre und Preis und Gewalt von Ewigkeit zu Ewigkeit.” Offenbarung 5,13. WHF 9.1

Der Herausgeber