Christi Gleichnisse
Das Zurückgeben der Zentner
“Über eine lange Zeit kam der Herr dieser Knechte und hielt Rechenschaft mit ihnen.” Wenn der Herr Abrechnung mit seinen Knechten hält, wird das, was mit einem jeden Zentner gewonnen wurde, einer genauen Prüfung unterworfen. Die Arbeit des betreffenden Knechtes offenbart seinen Charakter. CGl 356.4
Die, welche die fünf oder zwei Zentner empfangen haben, geben dem Herrn die anvertrauten Gaben mit dem durch sie erworbenen Gewinn zurück, indem sie selbst keinen Verdienst beanspruchen. Die Zentner sind ihnen übergeben worden; wohl haben sie damit andere gewonnen, aber ohne die ihnen anvertrauten Zentner hätten sie auch nichts gewinnen können. Sie sehen, daß sie nur ihre Pflicht getan haben. Das Kapital gehörte dem Herrn und das, was mit demselben gewonnen ist, gehört ihm auch. Hätte der Heiland ihnen nicht seine Liebe und Gnade zuteil werden lassen, so würden sie für die ganze Ewigkeit verloren gewesen sein. CGl 357.1
Aber wenn der Meister die Zentner in Empfang nimmt, lobt und belohnt er die Knechte, als ob das Verdienst ihnen gebühre. Sein Antlitz ist voller Freude und Befriedigung. Es freut ihn, daß er ihnen Segnungen zuteil werden lassen kann. Für einen jeden Dienst, für jedes gebrachte Opfer belohnt er sie, nicht weil es eine Schuld ist, die er ihnen abtragen muß, sondern weil sein Herz von Liebe und Güte überfließt. CGl 357.2
“Ei, du frommer und getreuer Knecht,” sagt er, “du bist über wenigem treu gewesen, ich will dich über viel setzen, gehe ein zu deines Herrn Freude!” CGl 357.3
Es ist die Treue gegen Gott und der aus Liebe geleistete Dienst, wodurch die göttliche Anerkennung erworben wird. Jedes Wirken des Heiligen Geistes, wodurch die Menschen zum Guten und zu Gott geleitet werden, steht in den Himmelsbüchern verzeichnet und am Tage Gottes werden die, die ihn durch sich haben wirken lassen, gelobt werden. CGl 357.4
Sie werden in die Freude des Herrn einstimmen, wenn sie in seinem Reiche jene sehen, die zu erretten sie ein Werkzeug gewesen sind. Es wird ihnen dann vergönnt werden, an seinem Werke dort teilzunehmen, weil sie dazu fähig geworden sind, durch ihre Teilnahme an seinem Werke hier auf Erden. Was wir im Himmel sein werden, ist nur der Abglanz von dem, was wir jetzt im Charakter und im heiligen Dienen sind. Christus sagte von sich selbst: “Des Menschen Sohn ist nicht kommen, daß er sich dienen lasse, sondern daß er diene.” Matthäus 20,28. Dies, sein Werk auf Erden, ist auch sein Werk im Himmel. Und die Belohnung, die uns zuteil wird, daß wir in dieser Welt Christi Mitarbeiter gewesen sind, besteht in der größeren Kraft und dem erweiterten Vorrecht, in der zukünftigen Welt seine Mitarbeiter zu sein. CGl 357.5
“Da trat auch herzu, der einen Zentner empfangen hatte, und sprach: Herr, ich wußte, daß du ein harter Mann bist: du schneidest, wo du nicht gesät hast, und sammelst, da du nicht gestreut hast; und fürchtete mich, ging hin und verbarg deinen Zentner in die Erde. Siehe, da hast du das Deine.” CGl 358.1
In der Weise entschuldigen die Menschen ihre Vernachlässigung der Gaben Gottes. Sie blicken auf Gott als einen strengen und tyrannischen Meister, der darauf wartet, ihre Fehler ausfindig zu machen und sie mit seinen Gerichten heimzusuchen. Sie beschuldigen ihn, daß er etwas fordert, was er nie gegeben, und daß er schneidet, wo er nicht gesät hat. CGl 358.2
Es gibt viele, die Gott in ihrem Herzen beschuldigen, daß er ein harter Meister ist, weil er ihre Besitzungen und ihren Dienst beansprucht. Aber wir können Gott nichts bringen, was ihm nicht schon gehört. “Denn von dir ist’s alles kommen,” sagte der König David, “und von deiner Hand haben wir dir’s gegeben.” 1.Chronik 29,14. Alle Dinge gehören Gott, und zwar nicht nur durch die Schöpfung, sondern auch durch die Erlösung. Alle Segnungen, die wir empfangen, ob in diesem oder im zukünftigen Leben, tragen den Stempel des Kreuzes auf Golgatha. Deshalb ist die Beschuldigung, daß Gott ein harter Meister sei, da er schneide, wo er nicht gesät habe, falsch. CGl 358.3
Der Herr stellt die Beschuldigung des Schalksknechtes, so unrecht sie auch ist, nicht in Abrede, sondern zeigt ihm auf Grund seiner eigenen Darstellungsweise, daß seine Handlungsweise nicht gerechtfertigt werden kann. Es waren Mittel und Wege vorgesehen worden, mittels welcher der Zentner zum Besten des Eigentümers hätte verwandt werden können. “So solltest du,” sagte er, “mein Geld zu den Wechslern getan haben, und wenn ich kommen wäre, hätte ich das Meine zu mir genommen mit Wucher.” CGl 358.4
Unser himmlischer Vater verlangt nicht mehr und nicht weniger von uns, als wir durch die uns von ihm gegebene Fähigkeit imstande sind zu tun. Er legt seinen Knechten keine Last auf, die sie nicht tragen können; “denn er kennet was für ein Gewächs wir sind; er gedenket daran, daß wir Staub sind.” Psalm 103,14. Alles, was er von uns verlangt, können wir durch die göttliche Gnade ihm auch geben. CGl 358.5
“Welchem viel gegeben ist, bei dem wird man viel suchen.” Lukas 12,48. Ein jeder von uns wird, wenn er auch nur um ein geringes weniger tut als er fähig ist zu tun, persönlich dafür verantwortlich gehalten. Der Herr beachtet genau jede Möglichkeit, die sich uns zum Dienste bietet. Die unbenutzt gebliebenen Fähigkeiten werden bei der Abrechnung gerade sowohl in Betracht gezogen, als die, mit denen wir gewuchert haben. Für alles, was wir durch die richtige Anwendung unserer Gaben hätten werden und tun können, hält Gott uns verantwortlich. Wir werden gerichtet nach dem, was wir hätten tun sollen, aber nicht getan haben, weil wir unsere Kräfte nicht zur Verherrlichung Gottes benutzten. Selbst wenn wir nicht unsere Seelen verlieren, werden wir doch in der Ewigkeit die Folgen von der Nichtbenutzung der uns verliehenen Gaben erkennen. Ewiger Verlust wird an Stelle der Erkenntnis und Fähigkeiten sein, die wir hätten bekommen können. CGl 359.1
Wenn wir uns aber gänzlich Gott übergeben und in unserer Arbeit seinen Anweisungen folgen, nimmt er die ganze Verantwortlichkeit auf sich selbst. Er will nicht, daß wir betreffs des Erfolges unserer aufrichtigen Bestrebungen zweifeln sollen. Wir sollen nicht einmal an ein Mißlingen denken. Wir sollen Mitarbeiter dessen sein, der keinen Mißerfolg kennt. CGl 359.2
Wir dürfen nicht von unserer eigenen Schwäche und Unfähigkeit reden, das ist ein offenbares Mißtrauen gegen Gott, ein Verleugnen seines Wortes. Wenn wir wegen der uns auferlegten Lasten murren oder uns weigern, die von uns verlangten Verantwortlichkeiten zu tragen, dann sagen wir tatsächlich, daß er ein harter Meister ist und daß er von uns etwas fordert, wozu er uns nicht die Kraft gegeben hat. CGl 359.3
Wir sind oft geneigt, den Geist des trägen Knechtes als einen demütigen zu bezeichnen. Aber wahre Demut ist etwas ganz anderes. Demütig sein bedeutet nicht, daß wir nicht vorwärtsstreben, oder geistig zurück und Feiglinge in unserem Leben sein sollen, oder daß wir Lasten scheuen, weil wir fürchten, sie nicht tragen zu können, wirkliche, wahre Demut führt die Absicht Gottes aus, indem sie sich auf seine Kraft verläßt. CGl 359.4
Gott wirkt durch den er will. Manchmal wählt er das geringste Werkzeug für das größte Werk, denn seine Kraft wird durch die Schwachheit der Menschen offenbar. Wir haben unseren Maßstab und darnach sagen wir, ein Ding ist groß und das andere klein; aber Gott mißt nicht nach unserem Maßstab. Wir dürfen nicht glauben, daß das, was uns groß scheint, auch vor Gott groß ist, oder daß das, was uns klein dünkt, auch vor ihm klein sein muß. Es steht uns nicht zu, über unsere Zentner zu urteilen, oder unsere Arbeit zu wählen. Wir sollen die Lasten tragen, die Gott uns auferlegt. Sollen sie um seinetwillen tragen und zu ihm gehen, um Ruhe zu finden. Was auch unsere Arbeit sein mag, Gott wird durch freudigen, ungeteilten Dienst geehrt. Es freut ihn, wenn wir mit Dankbarkeit an die Erfüllung unserer Pflichten gehen und uns freuen, daß wir würdig erachtet werden, seine Mitarbeiter zu sein. CGl 360.1